HSV verliert 1:2 in Wolfsburg:Der Frosch ist kein Prinz

Es geht weiter abwärts mit dem Hamburger SV: Auch beim VfL Wolfsburg unterliegt das Team von Trainer Thorsten Fink und ist nun seit sechs Spielen sieglos. Die Abstiegsplätze rücken immer näher, die Mannschaft findet keine Lösung. Die Wolfsburger können dafür in Richtung Europa schauen.

Frieder Pfeiffer

Thorsten Fink mag das markante Wort. Der Trainer des Hamburger SV schätzt die Wirkung, die einprägsame Zitate, die er passend zur Lage wählt, auf sein Umfeld haben. Er weiß aber auch, dass es dabei auf die Dosierung ankommt. Deswegen ist die Sprüche-Sammlung zuletzt seltener bemüht worden. Die jüngste Abwärtsentwicklung hat in dieser Woche jedoch wieder ein Zitat erforderlich gemacht.

VfL Wolfsburg - Hamburger SV

Mario Mandzukic gegen den HSV: Kommt ein Torjäger geflogen

(Foto: dpa)

So ließ Fink die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach zu Wort kommen: "Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun." Vor der Partie in Wolfsburg ging er mit gutem Beispiel voran und tauschte gleich mal fünf Spieler in der Anfangself. Unter anderem kehrten die Mehr-oder-weniger-Nationalspieler Westermann, Aogo und Jansen ins Team zurück - den Erfolg brachten sie jedoch nicht mit.

Auch im sechsten Spiel hintereinander blieb der HSV sieglos und kann sich mit unverändert 26 Punkten am Ende des Spieltags, wenn alles dumm läuft und Augsburg und Freiburg punkten, auf Relegationsplatz 16 wiederfinden. Dafür bringt das 2:1 (0:0) die Wolfsburger vorerst bis auf einen Punkt an Position sieben heran, die in dieser Saison für die Europa League reicht. "Wir können es, wir zeigen es immer wieder", sagte Ashkan Dejagah, der seine Aussage an diesem Abend mit einer starken Leistung unterstrich.

Auf Hamburger Seite werden die Statements kraftloser. "Sehr viel Enttäuschung" fühlte HSV-Sportdirektor Frank Arnesen. Mladen Petric ergänzte, die Niederlage "treffe extrem". Sie hatten gekämpft, das wollte ihnen niemand absprechen. Doch es reichte nicht gegen eine eher durchschnittlich agierende Wolfsburger Mannschaft, die die Missstände dieses Hamburger Teams äußerst wirkungsvoll aufdeckte.

Dabei waren es überwiegend andere Schwachpunkte als die, die man unter der Woche bekämpft hatte. Weil Fink nicht nur Taten auf dem Spielberichtsbogen vorzuweisen haben wollte, wurde zudem ein neuer Strafenkatalog aufgesetzt. Den vielen Gegentoren nach Standardsituationen sollte die monetäre Fessel Einhalt gebieten. Die Spieler müssen nun zahlen, wenn der Gegner nach einem ruhenden Ball trifft. Kapitän Heiko Westermann fand das gut, es "schärfe die Sinne".

Es waren keine drei Minuten gespielt, da wurde er zunächst eines Besseren belehrt. Nach einer Ecke hatten die Wolfsburger gleich die große Chance, Mario Mandzukic traf das Außennetz. Erst in der Folge zeigten die schärferen Sinne der HSV-Profis ihre Wirkung: Die nächsten Standardsituationen der Wolfsburger - es waren ein paar in der Anfangsphase - wurden besser verteidigt. Der Hamburger SV zeigte nun seine ganz eigene Form des Abstiegskampfes: Sie agierten selbstbewusst, ohne wirklich einen Grund dafür zu haben.

Es war dem Hamburger SV anzumerken, dass er Taten sprechen lassen wollte, dass sie "kapieren" wollten, wie Fink es gefordert hatte. Sie versuchten, mit dem Selbstverständnis eines Siegerteams aufzutreten, das sie zuletzt nicht waren. Allein, es blieb beim Versuch. Der Frosch war kein Prinz. Unzählige Fehler im Aufbau zerstörten eine kontrollierte Offensive, die Stürmer Mladen Petric und vor allem Marcus Berg, einer der fünf Neuen, erlebten lange das, was man ein undankbares Spiel nennt.

Und der VfL? Der gefiel sich schnell als aufmerksamer Störer im Mittelfeld und schaltete nach Ballgewinn flugs auf Angriff. So ergaben sich einige Möglichkeiten der Kategorie "Kann man machen, muss man jedoch nicht", was zum Spiel in der ersten Hälfte passte, das sich zwischen mittelprächtig und ganz unterhaltsam einpendelte.

Drobny hilft den Wolfsburgern

Nach der Pause musste der Niveau-Messer neu justiert werden - es wurde spektakulär. Es war kein Wunder, dass ausgerechnet Dejagah, der für den zuletzt unglücklichen Christian Träsch beginnen durfte und als fähiger Antreiber überzeugte, den ersten Höhepunkt setzte. 20 Sekunden waren in der zweiten Hälfte gespielt, der HSV war noch nicht wirklich anwesend, als Dejagah Mario Mandzukic mit einer feinen Flanke so präzise bediente, dass dieser ungestört einnicken durfte (46.).

Doch so folgenschwer der Schlaf den HSV in der Kabine ereilt hatte, so schnell war der Krisenkandidat wieder wach. Westermann schickte Berg in den Strafraum und Diego Benaglio versuchte sich als mitspielender Torwart. Dass das nicht immer fortschrittlich ist, veranschaulichte der schwedische Angreifer und fand im Lupfer einen ansehnlichen Abschluss (47.). Plötzlich stand es 1:1. Und genauso plötzlich war danach doch wieder alles wie zuvor. Der HSV beließ es beim kurzen Sturm.

In der Hamburger Geschäftstelle stellen sie in diesen Wochen einen Zweitliga-Etat auf, die Mannschaft zog an diesem Abend nach und bewies über nahezu die gesamten 90 Minuten in Sachen Kreativität ebenfalls Zweitliga-Qualität. Dem VfL fiel es zumeist leicht, die angreifenden Hamburger abzufangen. Nichtsdestotrotz wurden die Chancen, die sich daraus ergaben, nicht unbedingt besser.

Also musste wiederum der Torwart nachhelfen, diesmal war es Drobny. Einen Freistoß von Schäfer ließ er im kurzen Eck wie eine heiße Kartoffel durch die Hände gleiten (75.). Es war eine Standard-Situation, der Strafenkatalog greift wohl gleich in der ersten Partie. Der Grund dafür, dass der Gast nun nicht mehr zurück kam, dürfte darin jedoch nicht zu finden sein. Was folgte, war bis auf zwei Petric-Chancen und eine verzweifelte Schluss-Offensive nicht mehr viel.

Da half auch die Beurteilung von Thorsten Fink nicht, der einen "sehr guten und engagierten" Auftritt gesehen hatte. "Wir haben sehr unglücklich verloren. Ich bin zuversichtlich, dass wir da rauskommen." Vielleicht wird er es in der kommenden Woche wieder mit einem Spruch versuchen. Wahrscheinlich aber eher nicht.

Seine Mannschaft veranschaulichte auf eindrückliche Weise, dass man die Zitate des Trainers durchaus auch umdrehen kann. "Für das Unvermögen gibt es nur einen Beweis: das Scheitern." An diesem Freitag war dieser Spruch, bei allem vorbildlichen Kampf, eine geeignetere Losung für das Team von Thorsten Fink.

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