HSV:Und wieder nichts mit Kontinuität

Hamburgs Trainer Markus Gisdol entlassen

In Hamburg sagt man Tschüss: Trainer Markus Gisdol fährt ein letztes Mal vom HSV-Vereinsgelände.

(Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Der entlassene Trainer Markus Gisdol verabschiedet sich emotional vom Hamburger SV.
  • Bernd Hollerbach soll offenbar den Klub nun vorm Abstieg retten.
  • Klub-Chegf Heribert Bruchhagen predigte vor der Saison Kontinuität - daraus ist erneut nichts geworden.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Die Medien waren diesmal nicht schuld, das hat auch Markus Gisdol so gesehen. Als der entlassene HSV-Trainer am Sonntagmorgen um 10.35 Uhr vom Hof des Volksparkstadions fuhr, öffnete er noch einmal sein Wagenfenster und bedankte sich mit Tränen in den Augen bei den Journalisten für die faire Zusammenarbeit. Da hatte er sich schon von seiner Mannschaft verabschiedet, die am Abend zuvor beim 0:2 gegen den Tabellenletzten 1. FC Köln die vierte Niederlage hintereinander hatte einstecken müssen.

Gisdols Erklärungen, wie er die Wende hätte schaffen wollen, spielten beim Vorstand und Sportchef Jens Todt in der ab neun Uhr tagenden Runde keine Rolle mehr. Zwölf Stunden zuvor hatte Gisdol nach dem jüngsten Tiefschlag noch gesagt: "Ich weiß, wie ich die Mannschaft wieder hinbekomme." Dann bekräftigte er, mit wie viel "Leidenschaft und Herz" er für den Verein gearbeitet und "manche schwierige Situation gemeistert" habe - bis hin zum Klassenerhalt am letzten Spieltag der vergangenen Saison. Doch die jüngste Entwicklung beim Tabellenvorletzten ist mal wieder derart brisant, dass der grundsätzlich so trainertreue Klub-Chef Heribert Bruchhagen das Aus von Gisdol nach knapp 16 Monaten mit diesen Worten bekannt gab: "Vorzeitige Trennungen von Trainern sind grundsätzlich nicht gewollt, aber wir glauben, dass neue Impulse zwingend notwendig sind, um den Klassenerhalt zu erreichen." Auch Gisdols Assistenten Frank Fröhling und Frank Kaspari wurden beurlaubt. Das Training am Sonntag leitete Athletik-Coach Daniel Müssig, die Einheit fand im Kraftraum statt.

Der Trainer-Kritiker Holtby sollte am Ende den Trainer retten: Das ging natürlich schief

Da das Verhältnis zu Sportdirektor Todt wohl doch nicht so gut war wie vom Trainer stets behauptet, war es kein Wunder, dass Todt am Ende auf dieses Szenario vorbereitet war. Man wolle eine "zeitnahe" Entscheidung für die Gisdol-Nachfolge präsentieren, hieß es in der Klub-Verlautbarung am Sonntag, und Bruchhagen bestätigte, die Entscheidung sei schon gefallen, es müssten nur noch einige Formalien geklärt werden. Nach Informationen mehrerer Medien will sich der HSV nun von Bernd Hollerbach retten lassen, der zwischen 1996 und 2004 insgesamt 197 Spiele für die Hamburger bestritt.

Als Linksverteidiger spielte er so hart, dass man ihn die "Holleraxt" nannte. Und als Trainer lernte er vom Härtesten: In Wolfsburg und Schalke arbeitete er als Assistent seines früheren Hamburger Trainers Felix Magath. Die Würzburger Kickers führte Hollerbach aus der Regionalliga in die zweite Liga, trat aber nach dem Abstieg in die dritte Liga im Mai 2017 zurück. Er soll am Montag um 15 Uhr sein erstes HSV-Training leiten. Dabei war die jetzige Führung des HSV vor einem Jahr noch mit dem hehren Vorsatz angetreten, endlich einmal Kontinuität walten zu lassen, nachdem der Klub zuletzt binnen elf Jahren elf Cheftrainer beschäftigt hatte. Man wollte endlich einmal ein Team aus einem Guss aufbauen.

Bruchhagen hat Gisdol schneller hinausgeworfen als seine Vorgänger

Doch Bruchhagen, der in seinen 13 Jahren im Vorstand von Eintracht Frankfurt nur zwei Fußballlehrer entlassen hatte, hat Gisdol nun noch schneller hinausgeworfen als seine Vorgänger einige von dessen Vorgängern. Thorsten Fink etwa durfte fast zwei Jahre bleiben, ehe er 2013 gehen musste; Bruno Labbadia, der Retter von 2015, immerhin 17 Monate. Andere Kollegen wie Bert van Marwijk, Mirko Slomka oder Joe Zinnbauer blieben kaum ein halbes Jahr. Gisdols letzter Arbeitstag, bei seinem "gefühlt 25. Endspiel", wie er vorher sagte, war beinahe klassisch.

Der HSV bemühte sich durchaus, den Gegner unter Druck zu setzen, was auch zu Chancen führte. Doch Kölns Keeper Timo Horn reagierte großartig. Und dann kam, nachdem schon der neue FC-Torjäger Simon Terodde in der 27. Minute eine Ecke zum 0:1 verwandelt hatte (weil Kyriakos Papadopoulos unter dem Ball durchgeflogen war), der entscheidende Moment, die 67. Minute. Gerade hatte Gisdol den formschwachen Stürmer Bobby Wood für den jungen Sechser Vasilije Janjicic eingewechselt in der Hoffnung, diesmal möge der Knoten bei Wood platzen. Da konterte Köln über Salih Öczan und Milos Jojic, Terodde nutzte Jojics Zuspiel zum 0:2.

Was aber ist Gisdols Beitrag am erneuten Absturz? Da ist zum einen der Vorwurf, er habe taktisch keinen Plan B gehabt. Der Gisdol-HSV spielte ausschließlich sogenannten Umschaltfußball, meist mit hohen, langen Bällen, und das auch noch oft fehlerhaft. Gegen Köln stellte Gisdol plötzlich Lewis Holtby auf, nachdem er ihn drei Monate lang nicht berücksichtigt hatte - angeblich, weil der laut Football Leaks mit 3,3 Millionen Euro Jahresgehalt teuerste HSV-Spieler Stimmung gegen ihn gemacht hatte. Nun sollte Holtby, der zuletzt auch noch am Knie verletzt war, der Heilsbringer sein.

Das ging natürlich schief. Vor allem aber baut der HSV auf eine Achse, die aus kaum verlässlichen Spielern besteht. Dafür sind Todt und Gisdol gemeinsam verantwortlich: Der an Knie und Schulter empfindliche Papadopoulos muss oft beim Training pausieren, um spielen zu können; der verletzungsanfällige Mittelfeld-Dirigent Albin Ekdal fehlte auch in dieser Saison fast in jedem zweiten Spiel, aktuell wegen einer Innenbandblessur. Vom Stürmer Wood, der im Sommer einen neuen Vertrag für das doppelte Gehalt (angeblich drei Millionen) unterzeichnete, sind permanente Knie-Probleme bekannt. Und Torwart René Adler ging, weil man ihm das Salär erheblich kürzen wollte, was prompt zu Problemen auf der Torwartposition führte. Der neue Trainer ahnt wohl schon, dass er eine Menge Aufgaben hat.

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