HSV und Bremen im Abstiegskampf:Hölle Nord

Hamburger SV - Hertha BSC Berlin 0:3

Nach der 0:3-Pleite gegen Hertha: HSV-Verteidiger Heiko Westermann im Gespräch mit den aufgebrachten Fans

(Foto: dpa)

In Bremen feiern sie den Ehrentreffer zum 1:5 gegen Dortmund, in Hamburg werden Spieler attackiert und bepöbelt. Die Atmosphäre in beiden Vereinen ist zwar unterschiedlich - die Probleme aber sehr ähnlich.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Kontrastprogramm im Norden, der kollektiv im Süden der Tabelle gelandet ist. In Bremen feiern sie den Ehrentreffer zum 1:5 zwar nicht wie einen Siegtreffer, aber doch mit respektablem Applaus. In Hamburg hingegen werden Spieler attackiert und bepöbelt, wird auf deren Autos eingetreten, die Polizei bringt Pfefferspray zum Einsatz. In Bremen haben sie schon vorige Saison die Erfahrung gemacht, dass das Publikum ein rettender Faktor sein kann, wenn der Abstieg droht. Dort scheinen sie auch jetzt der romantischen Idee folgen zu wollen, dass das Publikum der "zwölfte Mann" sein kann.

In Hamburg wiederum sind sie noch nie abgestiegen, und der Mob wird kaum begreifen, dass Aggression und Sachbeschädigung das Nervenkostüm der Profis nicht stabilisiert. Angst schießt keine Tore - Jacques Zoua, beim 0:3 gegen Hertha BSC als einziger Stürmer eingesetzt, weinte angesichts der Randale. Willkommen beim HSV, willkommen in der "Hölle Nord".

Der Begriff ist urheberrechtlich eigentlich vergeben, "Hölle Nord" wird die Halle genannt, in der die SG Flensburg ihre Handballspiele austrägt. Ein heimeliger Ort, verglichen mit dem, an dem sich Hamburg quält. 0:3, 0:3, 0:3 - stabil ist sie ja, die Serie, mit der der HSV aus der Winterpause kam, die jetzt den Zorn in die Gesichter treibt. Es sind allerdings Bilder, die man seit Jahren aus der Sportschau kennt: Fans in den Zäunen, Fans, die Fäuste recken, weil der HSV nicht hinbekommt, was in der zweitgrößten deutschen Stadt von ihm erwartet wird.

So alt, so bekannt wie die Bilder aus der Wiederholungsschleife sind auch die sportlichen Auslöser. Zusammengefasst: Der Norden ist aus der Zeit gefallen. Er hat sich abgekoppelt von den Entwicklungen des Fußballs. Der HSV hatte sein Spiel immer noch auf einen einzelnen Profi, auf Rafael van der Vaart, zuschneiden wollen, als dieser bereits müde wurde, während sie anderswo, von Barcelona bis München, die Verantwortung fürs Kurzpass-Festival auf die komplette Elf verteilten.

Und er hat sich in Bert van Marwijk einem Trainer anvertraut, der zwar 2010 die Niederländer im WM-Finale coachte, der nun aber diese Habe-doch-alles-schon-erlebt-Gelassenheit ausstrahlt, die Distanz zum Projekt signalisiert. In einer Ärmel-Hochkrempel-Phase wie dem Abstiegskampf wird das schnell zur falschen Attitüde.

Und trotz aller Verdienste: Werder Bremen ist jene Baustelle geblieben, die das Trainer/Manager-Duo Schaaf/Allofs hinterlassen hat. Auch deshalb drängt im Norden die Jugend nicht nach, greift dort kein Überbrückungs-Mechanismus, wenn wieder mal die Transfers nicht passen. Für all die Talente, die aus den Fußball-Internaten in die Liga streben, ist der Norden tabu. Verglichen mit der "Hölle Nord" bieten Mainz oder Freiburg längst die bessere Perspektive.

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