Süddeutsche Zeitung

Derby in Hamburg:Wenn Terodde trifft, dann doppelt

Der HSV und St. Pauli liefern sich ein aufregendes Stadtderby, das vor allem am Ende ein paar Wendungen hat - der Tabellenführer kann sich beim 2:2 wieder einmal auf einen besonders verlassen.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Der Stadionsprecher fasste es treffend zusammen: "Es sind besondere Zeiten", hallte es durchs fast leere Volksparkstadion, "aber es ist trotzdem ein besonderes Spiel!" Normalerweise leuchtet und knallt es auf den Rängen, wenn sich der Hamburger SV und der FC St. Pauli zum Stadtderby treffen. Immerhin: Die 1000 HSV-Anhänger, die dabei sein durften, machten so viel Lärm, wie es 1000 Kehlen hergeben können. Es wirkte fast wie Trotz, und es bereitete ihrer Mannschaft einen angemessenen Abschied auf Zeit.

"Es geht nicht nur um drei Punkte", hatte der Hamburger Trainer Daniel Thione vor der Partie gesagt, aber darum ging es natürlich eben auch. Am Ende stand es zwischen den beiden Rivalen 2:2, weshalb der HSV am Freitagabend seine bislang makellose Bilanz eingebüßt und zum ersten Mal in dieser Saison nicht gewonnen hat. Nach zwei Derby-Niederlagen in der Vorsaison aber nicht ganz unwichtig: Ein bisschen stadtinterne Ehre konnte mit dem Remis immerhin zurückerobert werden.

Den gesamten Tag nieselte es leise vom Himmel, ums Volksparkstadion hatte sich trüber Nebel gehüllt, aber die Partie war derby-typisch gleich zu Beginn hitzig. Auf dem schmierigen Terrain wurde um jeden Ball, jeden Meter gekämpft, aber der HSV hat in dieser Saison ja auch fußballerisch einiges darzubieten. St. Pauli-Trainer Timo Schultz wollte der Offensivkraft der Gegenseite mit einer doppelt gesicherten Dreierkette begegnen, diese Kalkulation erwies sich auch nicht als totale Fehlberechnung.

Beim HSV spielen einige feine Fußballer, die auch in dichten Staffelungen neuralgische Punkte entdecken - und mit Tempo in diese Schwachstellen hineinstoßen können. Eine dieser Szenen ging dem 1:0 Führungstreffer von Simon Terodde voraus: Verteidiger Josha Vagnoman wurde in der 12. Minute die rechte Außenbahn entlang geschickt, ließ mit einer kleinen Zuckung seinen Gegenspieler aussteigen und flankte punktgenau auf den langen Pfosten, wo Terodde den Ball erwartet hatte. Und wenn der Mittelstürmer so frei zum Kopfball kommt, dann folgt die Strafe in der Regel prompt. Und dabei blieb es in dieser Saison nie: Wenn Terodde getroffen hat, dann bislang immer doppelt.

Obwohl Terodde wenig später auch noch gegen den Pfosten köpfte (19.), fand St. Pauli nun etwas besser in die Partie. Mit kollektiver Leidenschaft, nicht unbedingt mit spielerischer Brillanz, denn dafür war in der Saison bislang vor allem ein Mann zuständig: Rodrigo Zalazar, 21, ein filigraner und variantenreicher Dribbler, der den Ausgleichstreffer für St. Pauli ein bisschen artenfremd erzielte - aus etwa 16 Metern mit einem wuchtigen, flachen Gewaltschuss ins linke Eck (35.).

In der zweiten Hälfte kombinierte der HSV einige Male gefällig über Außen, er erhöhte auch den Druck, aber die Bemühungen blieben lange ohne durchschlagenden Erfolg. In der 70. Minute führte Thione daher einen Dreifach-Wechsel durch, es kamen der frühere St. Pauli-Spieler Jeremy Dudziak, Mittelfeldmann David Kinsombi sowie der hochveranlagte Spielmacher Sonny Kittel, den man eigentlich in der Startelf erwartet hatte.

Eine durchschlagende Wirkung hatte das Trio jedoch nicht, im Gegenteil. Die Systemumstellung - der HSV verteidigte nun mit einer Vierer- statt Dreierkette - schien der Mannschaft ihre Automatismen zu nehmen. Und St. Pauli wurde jetzt mutiger, giftiger. Daniel Kofi Kyrereh steckte den Ball auf Stürmer Simon Makienok durch, bei seinem zentralen Abschluss sah HSV-Torwart Sven Ulreich nicht gut aus.

Doch der Ball lag im Netz, und St. Pauli hatte dem Spiel eine unerwartete Wendung hinzugefügt (82.). Eine Wendung jedoch, die keine zwei Minuten Bestand haben sollte. Nach einem langen Ball köpfte der eingewechselte Dudziak in den Lauf von Terodde, der seinen Körper vor seinen Gegenspieler schob und zum Ausgleich traf (84.). Es war sein achtes Saisontor, sein dritter Doppelpack in dieser Saison.

Vor der anstehenden Geisterspielrunde im November bleibt der HSV damit Tabellenführer. Nach dem Abpfiff dieses durchaus dramatischen Stadtderbys gab es von den Rängen verhaltenen Applaus. Der fiel aber wohl nicht aus blanker Unzufriedenheit so aus, es war wohl vielmehr eine gewisse Melancholie zu spüren. Man wird sich nun eine Weile nicht sehen im Stadion.

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