HSV-Sieg gegen Dortmund:Mit Slomka zurück zum Glück

Hamburger SV v Borussia Dortmund - Bundesliga

Jubel in Hamburg: Mit Mirko Slomka gewann der HSV 3:0 gegen Dortmund.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Hamburger SV kann es also doch noch: Beim Debüt von Trainer Mirko Slomka gelingt den Norddeutschen ein überzeugendes 3:0 gegen den BVB. Weil die Borussia es zulässt, spielen die Hamburger mit neuem Selbstbewusstsein - und schaffen den ersten Erfolg der Rückrunde.

Von Saskia Aleythe, Hamburg

Mirko Slomka hat dieser Tage einen interessanten Satz gesagt. Der Mann, der erst seit dieser Woche beim HSV als Trainer arbeitet, kündigte an, wie ein Pünktchen oder gar ein Sieg in seiner ersten Bundesligapartie gegen Dortmund einzuschätzen seien. Ein Wunder wäre das nicht, betonte Slomka, das sei dann eben das Ergebnis harter Arbeit. Mit einem negativen Ausgang seiner Premiere hatte er sich gar nicht erst beschäftigt.

Hart gearbeitet hatte Slomka mit seiner abstiegsgefährdeten Elf allemal und so entwickelte sich ein Samstag ganz nach seinem Geschmack: Auf viel Engagement folgte der erste Erfolg der Rückrunde. Mit 3:0 (1:0) konnte der HSV gegen die Borussia gewinnen - Petr Jiracek (42.), Pierre-Michel Lasogga (58.) und Hakan Calhanoglu (90.) sorgten für die Tore, es war der erste Erfolg in dieser Rückrunde.

Und so durfte Slomka gleich ein wenig schwärmen: "Es war ein guter Auftakt. Diese Mannschaft des BVB im Zaum zuhalten, erfordert nicht nur Leidenschaft, sondern auch den Willen zu laufen, den Willen zu fighten und den Willen, aus der Position heraus immer wieder anzulaufen," sagte er, "es hat sich gelohnt, wie man bei den ersten beiden Toren gesehen hat, dass man drin bleibt und nicht aufgibt." Ähnliche Hingabe hätte sich von seinem Team auch BVB-Coach Jürgen Klopp gewünscht, doch daraus wurde nichts.

"Es gibt diesen alten Spruch: Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss. Den hasse ich wie nichts anderes. Ich finde, ein Pferd hat so hoch zu springen wie es kann. Wir haben heute geguckt, wie hoch wir springen müssen," erklärte der Trainer der Gäste, "und als wir festgestellt haben, dass es nicht so hoch ist, waren wir im Hintertreffen."

Mirko Slomka war zu Beginn der Woche angetreten und hatte der verunsicherten Truppe erst die Seele gestreichelt ("die HSV-Mannschaft ist toll zusammengestellt!"), ehe er sich an die Arbeit machte. Trainingseinheiten, doppelt so lang wie die seines Vorgängers Bert van Marwijk, dazu mindestens doppelt so kommunikativ. Sogar gemeinsame Mittagessen soll Slomka angeregt haben, Gemeinschaftsgefühl ist schließlich auch wichtig.

Apropos: Vor Anpfiff der Partie gedachte Hamburg des am Dienstag verstorbenen Kultmasseur Herrmann Rieger. Als die Mannschaftsaufstellung über den Bildschirm flimmerte, brüllte das Stadion bei jedem Spieler immer nur einen Namen: "Rieger". Bei allen Startspielern, auch bei Mirko Slomka und den Männern auf der Ersatzbank. "Für immer unser bester Mann, den niemand je ersetzen kann", prangte auf einem riesigen Banner, das die gesamte Nordkurve schmückte, darüber ein Konterfei des wohl berühmtesten Muskelkneters der Bundesliga.

Es gibt freilich einfachere Aufgaben, als sein Premierenspiel gleich gegen Dortmund zu bestreiten. Hamburg hatte sich bis zu Slomkas Ankunft in ein veritables Schlamassel manövriert. Kein Selbstvertrauen, keine Punkte und schlechte Stimmung. Die HSV-Umgebung ist eine, in der eingeschüchterte Fußballpflegefälle dem Abstieg entgegentaumeln. Mirko Slomka versteht seinen Job dementsprechend auch als Aufbauhilfe. Schon kleine Lebenszeichen besänftigen derzeit die geplagten HSV-Seelen, auch im Umfeld gilt es einiges zu kitten.

Die Radikalkur von Slomka setzte sich in der Mannschaftsaufstellung fort, gleich sechs Neue schickte er auf den Platz. Drei Spieler (Diekmeier, Ilicevic, Van der Vaart) musste er ohnehin verletzungsbedingt ersetzen, auch Lasse Sobiech, Quasim Bouy und Ola John wurden aussortiert. Mit dabei stattdessen: Tolgay Arslan, Milan Badelj, Hakan Calhanoglu, Johan Djourou, Petr Jiracek und Slobodan Rajkovic. Jürgen Klopps Mini-Änderung fiel dabei kaum auf: Für Kehl durfte bei der Borussia Bender spielen.

Besagter Bender stolperte regelrecht in die Partie, gleich zu Beginn vergeigte er einen simplen Pass und brachte damit den HSV in Angriffsposition - dass die Hamburger überhaupt so etwas wie durchdachten Angriffsfußball zeigten, kam ein wenig überraschend.

Wie erwartet zeigten aber die Dortmunder zunächst mehr Bemühungen, sie trafen hier schließlich auf einen taumelnden Patienten. Der HSV war bemüht, sich nicht sofort geschlagen zu geben - noch so eine neue Erkenntnis unter dem neuen Coach. Die Abwehr machte den Raum auf der linken Seite so eng wie es Lieblings-Raumverknapper Slomka auf seiner Flipchart kaum schöner hätte aufmalen können. Das Ergebnis: Umkämpfter, wenig flüssiger Fußball auf beiden Seiten.

Hin und wieder fielen die Hamburger sogar in die Spielfeldhälfte des BVB ein, blieben dabei aber harmlos - Marcel Jansen etwa konnte die Kugel unbedrängt in den Strafraum spitzeln, traf dabei aber keinen Mitspieler, sondern den Dortmunder Marcel Schmelzer. In der 16. Minute kam Jiracek mittig frei vor der Strafraumlinie zum Schuss - sein Versuch trudelte in die fangbereiten Arme von Roman Weidenfeller.

Erdbeben im HSV-Stadion

Die Gäste probierten sich hartnäckig an einem Spielzug: langer Pass auf Schmelzer, der den Ball auf der linken Seite Richtung Eckfahne mitnahm und dann in den Strafraum flankte. Bedrohlich war das selten. Anders in der 19. Minute, da konnte Henrikh Mkhitaryan ungestört vor der Strafraumgrenze den Ball Richtung Tor donnern, er scheiterte nur knapp, weil Djourou sein Bein dazwischenwarf.

Um 16.14 Uhr Ortszeit erlebte das Hamburger Stadion dann ein mittelschweres Erdbeben, denn da landete das Leder tatsächlich im Netz des Gegners - ein Zustand, den Team und Fans schon so viele schmerzvolle Tage nicht mehr daheim erlebt hatten. Dortmund war ein bisschen träge gespielt, Robert Lewandowski hatte sich in bester Position frei vor Keeper Rene Adler einfach den Ball abknöpfen lassen, was dem HSV einen Angriff ermöglichte.

Lasogga wurde auf der rechten Seite von Friedrich zwar beinahe ins Toraus gedrängt - aber eben nur fast. Der Ball flog zurück in den Strafraum, da wartete Jiracek, der von Piszczek und Aubameyang umgeben war, aber nicht konsequent gehindert wurde. Er köpfelte zum 1:0 an Weidenfeller vorbei ins Tor (42.) - und Hamburg rastete aus. Slomka warf die Arme nach oben, sollte es diesmal wirklich klappen?

Aus der Pause kam der BVB ohne Sven Bender, aber dafür mit dem wieder genesenen Marco Reus. Dortmund spielte nun aggressiver und bisweilen mehr als ungestüm: Aubameyang hielt sich mit gehobenem Bein und offenem Stollen Arslan vom Hals, hätte eigentlich Rot sehen müssen, wurde von Felix Brych aber nur mit Gelb gerügt.

Die schlimmere Strafe kam für den BVB wenige Sekunden später: Erst ließ sich Lewandowski den Ball abnehmen, dann musste sich auch Nuri Sahin gegen Calhanoglu geschlagen geben, Arslan leitete den Ball weiter auf Lasogga, der zwar nicht ICE-mäßig auf Roman Weidenfeller zudonnerte, aber immer noch mutig genug, um mit einem sicheren Schuss rechts an ihm vorbei das 2:0 zu erzielen (58.). Genussvoll rutschte der Torschütze auf den Knien Richtung Fankurve, Slomka steckte da schon mitten in einer Jubeltraube vor der eigenen Bank.

Die Dortmunder hatten zwar nun ihr Spiel auf den rechten Angriff verlagert, zeigten aber erhebliche Abschlussschwächen. Abaumeyang versuchte sich von links im Strafraum mit einem Seitfallzieher, schoss dabei aber Adler recht direkt an (64.). Auch Marvin Duksch, mittlerweile für Lewandowski aufs Feld gekommen, konnte frei im Strafraum abziehen, traf dabei ebenfalls nur den Torwart (70.). Mehr Mühe machte Adler Lukasz Piszczek, der sauber Richtung Tor köpfelte - doch der HSV-Keeper war auch da zur Stelle (71.).

Die Partie hatte sich zugunsten der Hamburger gedreht und wie das geschehen konnte, verstand beim BVB keiner so recht. Fast wäre sogar das 3:0 gefallen, der Treffer wurde jedoch aberkannt, weil Kevin Großkreutz arg beim Verteidigen bedrängt wurde. Jürgen Klopp wütete noch ein wenig an der Seitenlinie auf und ab, doch seine Mannschaft agierte verunsichert und hatte keine Antwort für das entschlossene HSV-Spiel.

Ganz schlimm kam es für den BVB dann in der 90. Minute. Calhanoglu trat zum Freistoß aus etwa 40 Metern an. Vor ihm: Keine Mauer, er hatte freie Sicht aufs Tor und zog einfach ab. Weidenfeller bekam den Ball nicht sicher zwischen die Finger, er flutschte an ihm vorbei zum 3:0. Slomka nahm das entgegen wie ein Geschenk von ganz weit oben, er riss die Arme ungläubig, aber glücklich nach oben. Für Klopp war alles nur noch Slapstick.

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