HSV-Remis gegen FC Bayern:"Wir waren brennend heiß heute"

Hamburger SV v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Energische Zweikämpfe: Pierre Michel Lasogga, r., gegen Dante.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Neuer Trainer, neue Einstellung: Der Hamburger SV schießt zwar wieder kein Tor, kämpft aber leidenschaftlich und trotzt dem FC Bayern einen Punkt ab. Münchens Trainer Guardiola macht nach der Pause seine Rotation rückgängig - zu spät.

Von Lisa Sonnabend

Johan Djourou sprintete dem Ball hinterher, auf den letzten Metern beschleunigte der Schweizer wie ein 800-Meterläufer auf der Zielgeraden. Dann stoppte Djourou ab, bückte sich, hob den Ball auf und warf ihn sofort einem Mitspieler zu. Leidenschaftlicher als der Hamburger SV hat am Samstag wohl kein anderer Bundesliga-Verein einen Einwurf ausgeführt.

In den vergangenen Tagen war der in den Wochen zuvor arg unmotiviert wirkende HSV gründlich renoviert worden, positive Veränderungen waren beim Spiel gegen den FC Bayern sogleich zu bemerken. Nicht nur bei den Einwürfen. Gegen die Münchner spielte der HSV engagiert und beherzt. Am Ende holte der bisherige Tabellenletzte tatsächlich ein 0:0 heraus.

Die Hamburger bleiben damit im Keller der Tabelle hängen und haben nach vier Saisonspielen immer noch kein Tor erzielt. Doch die Zuschauer feierten ihre Spieler wie Helden und begrüßten die Einstellung des neuen HSV. "Wir hatten einen absoluten Willen auf dem Platz. Das hat man schon in der Kabine gesehen. Wir waren brennend heiß heute", sagte Mittelfeldspieler Lewis Holtby nach der Partie.

Zu Wochenbeginn hatten die HSV-Verantwortlichen Trainer Mirko Slomka entlassen und den U23-Coach Josef Zinnbauer befördert. Der trat sehr energisch auf und schüchterte gar die Münchner ein wenig ein. Kurz vor Anpfiff war Matthias Sammer ob des umgekrempelten Vereins mulmig zu Mute: "Ich bin sehr nervös", befand der für gewöhnlich vor Selbstbewusstsein strotzende Bayern-Sportdirektor.

Guardiola rotierte dennoch kräftig: Claudio Pizarro stürmte statt Robert Lewandowski, Dante verteidigte statt Medhi Benatia. Im Mittelfeld durften Pierre-Emile Højbjerg und Xherdan Shaqiri spielen. Xabi Alonso, Robert Lewandowski, Thomas Müller und Mario Götze waren nur als Ersatzspieler eingeteilt. Müller jedoch stand bei Anpfiff auf dem Platz. Arjen Robben, der sein erstes Spiel von Beginn an nach einer Verletzungspause absolvieren sollte, hatte sich beim Aufwärmen gleich wieder in den Krankenstand katapultiert. Muskelprobleme im linken Oberschenkel.

In schwarzem, eng geschnittenem Hemd stand Zinnbauer an der Seitenlinie, er gab Zeichen mit den Händen, kratzte sich am Kinn. Doch der 44-Jährige strahlte Zufriedenheit aus. Sein Team begann so, wie er es ihm aufgetragen hatte. Die HSV-Spieler standen im Mittelfeld dicht, sie attackierten die Bayern mutig, störten deren Spielaufbau, blockten Pässe, gewannen Zweikämpfe und ab und an drangen sie sogar in den Strafraum des Gegners vor. Gute Chancen erspielte sich der Tabellenletzte nicht, dafür war Jérôme Boateng zu wachsam und die Fehlpassquote zu hoch.

Die Euphorie kehrt in der Hamburger Arena zurück

Doch was viel wichtiger war: Die Hamburger ließen keine Chance zu. Der Deutsche Meister war trotz 70 Prozent Ballbesitz lahm gelegt. Erst in der 33. Minute zielten die Münchner erstmals aus Tor. HSV-Schlussmann Drobny musste sich allerdings kaum bewegen, um den Schuss von Juan Bernat abzuwehren.

Guardiola gefiel der Spielverlauf verständlicherweise weniger gut als seinem neuen Kollegen. Der Bayern-Coach beorderte Rafinha zurück auf die rechte Außenverteidigerposition. Die Münchner sicherten nun mit einer Viererkette ab, die Dominanz wurde zumindest ein wenig größer. Doch eine Torchance erarbeitete sich der Champions-League-Teilnehmer vor der Halbzeitpause nicht mehr.

Das Hamburger Publikum applaudierte euphorisch, die Spieler klatschten sich übermütig ab. Derartige Szenen hatte es in der Hamburger Arena lange nicht mehr gegeben.

Nach Wiederanpfiff verspielte Manuel Neuer dann beinahe seinen Status als weltbester Torhüter. Der Münchner konnte bei einem Ausflug aus dem Strafraum Nicolai Müller nicht am Abschluss hindern. Der Ball kullerte aufs Tor zu - ging allerdings knapp am linken Pfosten vorbei (46.). In der 52. Minute festigte Neuer dann seinen angekratzten Ruf sofort wieder: Diesmal verhinderte sein Sprint nach vorne eine gute HSV-Möglichkeit.

Guardiola brachte Xabi Alonso statt Højbjerg (57.), Mario Götze löste Rafinha ab (61.) und nur wenig später kam Robert Lewandowski für Shaqiri (67.). Guardiola befand mittlerweile, dass das Spiel gefährlich geworden war.

Der Druck der Münchner nahm zu, doch der Wille, die Energie und die Bereitschaft der Hamburger ließen nicht nach. Auch wenn sie immer seltener an den Ball kamen. Ein abgefälschter Schuss von Müller flog unkontrolliert am Tor vorbei (74.), Drobny verhinderte rechtzeitig, dass Lewandowski mit dem Kopf an den Ball kam (75.), nach einer der wenigen Unachtsamkeiten der HSV-Defensive wäre Müller nach einem langen Alonso-Pass fast perfekt an den Ball gekommen, aber eben nur fast (86.). Auch die Hamburger fanden ab und an Lücken, doch die Angriffsversuche scheiterten meist am beeindruckenden Boateng.

In der Nachspielzeit noch eine turbulente Szene: Neuer kam bei einem HSV-Angriff den Gegenspielern bis zum Mittelkreis entgegengerannt, im Gerangel gelangte der Torhüter absichtlich mit der Hand an den Ball. Und sah Gelb. Der Schiedsrichter pfiff den Spielzug ab, dabei hätte er auf Vorteil entscheiden - und der HSV die Chance nutzen können. Doch mit dem Ergebnis waren die Hamburger Spieler auch so vollkommen zufrieden.

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