HSV: Paolo Guerrero:Attacke auf die Fans

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Mit seinem Flaschenwurf auf einen Zuschauer hat Fußballprofi Guerrero eine Grenze überschritten. Ein neues Verhältnis zwischen Fans und Spielern lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.

Christian Zaschke

Das Verhältnis des Fußballfans zum Fußballer (und umgekehrt) ist von jeher ein schwieriges. Der Fan leidet am Spieler, wenn der nicht in jeder Partie groß aufspielt, der Spieler leidet am Fan, weil der ihn nicht immer und stets voller Leidenschaft antreibt und besingt.

Selten sind dennoch beidseitige Ausbrüche der Art, wie sie am Sonntag beim Hamburger SV zu sehen waren. Dort hatte das Publikum den Spieler Paolo Guerrero ausdauernd ausgebuht und beschimpft, was diesen dazu bewog, nach dem Abpfiff eine Plastik-Wasserflasche auf die Zuschauer zu schleudern; er traf einen Mann am Kopf.

Krasser noch als am Sonntag äußerte sich der Fan-Unmut Mitte März in Berlin, wo Zuschauer nach einer Niederlage das Spielfeld stürmten und zum Beispiel Trainerbänke demolierten. Die Spieler flüchteten rennend vom Feld. Beiden Fällen ist gemein, dass die Wut der Fans sich gegen die eigene Mannschaft richtete. Zu aufsehenerregenden Vorfällen kommt es im Fußball eher, wenn rivalisierende Fangruppen gewaltsam aufeinandertreffen oder gegnerische Mannschaften bepöbelt werden.

Es gibt allerdings immer wieder Gruppen, die sich gegen das eigene Team wenden; besonders im Abstiegskampf ist es mittlerweile fast schon üblich, dass Zuschauer die Abfahrt des Mannschaftsbusses blockieren und Diskussionen mit Spielern fordern.

Der Hamburger Fall liegt insofern besonders, als dass erstens Guerrero sich von Beschimpfungen gekränkt fühlte, die von den teuren Plätzen erklangen; dort sitzen in der Regel gemäßigte Fans. Zweitens ist der Fall ein spezieller, weil Guerrero per Flaschenwurf reagierte und damit eine Grenze überschritt.

Abgesehen davon, dass der Wurf, ein gewaltsamer Akt, sich verbietet, gilt der zahlende Kunde in der modernen Arena als unantastbar. Nach den Spielen applaudieren die Profis den Zuschauern, bei Siegen wird ausführlich vor der Fankurve getanzt, sobald die Anhänger das Signal, gewissermaßen die Erlaubnis, dazu geben. Pfiffe werden von den Spielern für gewöhnlich ertragen.

Da der Fall Guerrero besonders liegt, lassen sich aus ihm kaum Schlüsse ziehen, die auf ein generell neues Verhältnis von Spielern zu Fans deuten. Es gibt mittlerweile mehr der sogenannten Ultras, von denen eine Minderheit gewaltbereit ist. Den meisten dieser Anhänger geht es jedoch einfach um einen Fußball, der weniger vom Kommerz durchdrungen ist. Es gibt in der Bundesliga zudem eine ausgeprägte Anspruchshaltung auf den Tribünen, das ist jedoch nichts Neues und gemeckert wurde schon immer.

Die Publikumsbeschimpfung bleibt die Ausnahme, der Angriff sowieso. Der damalige Nationalspieler Stefan Effenberg zeigte bei der WM 1994 den deutschen Fans den Mittelfinger, woraufhin er nach Hause reisen musste. Der Franzose Eric Cantona attackierte 1995 als Profi von Manchester United einen Zuschauer mit einem Kung-Fu-Tritt, weil dieser ihn wüst beschimpft hatte. Dieser Übergriff gilt als der krasseste im modernen europäischen Fußball. Der Schriftsteller Javier Marías schrieb dazu, Cantona habe den Mann, der sich in der Masse versteckte, isoliert und ihm gezeigt, dass man sich nicht alles bieten lassen müsse. Das Sportgericht vertrat eine andere Ansicht und sperrte Cantona für ein halbes Jahr.

In Deutschland war es vor Guerreros Wurf zuletzt im Dezember 2009 zu einem Übergriff eines Profis gekommen. Der Stuttgarter Torwart Jens Lehmann nahm einem Fan die Brille von der Nase, gab sie aber nach mehrmaligem Bitten zurück.

© SZ vom 06.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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