HSV-Niederlage in Bremen:Verlierer durch Trikotziehen

Werder Bremen - Hamburger SV

Hamburgs Matthias Ostrzolek (li.) und Slobodan Rajkovic (re.): Aller Einsatz umsonst

(Foto: dpa)
  • Bis zur 84. Minute ist das Nord-Derby in Bremen ein ereignisarmes Remis ohne Tore.
  • Dann verursacht Valon Behrami fahrlässig einen Elfmeter - und verdirbt Trainer Bruno Labbadia die Premiere.
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Von Peter Burghardt, Bremen

"Leinen los, auf nach Bremen, Derby gewinnen", hatte Bruno Labbadia verkündet, der nun schon vierte Trainer des Hamburger SV in dieser Saison. Doch von wegen, der HSV bleibt fest verankert am Tabellenende, er verlor am Sonntagnachmittag auch im Weserstadion 0:1, was die gewaltigen Probleme noch einmal verschärft. Nach der vierten Niederlage in Serie bleiben die Verlierer auch nach diesem neuerlichen Wechsel ihres Übungsleiters Tabellenletzter - und könnten als letztes Gründungsmitglied der Bundesliga tatsächlich erstmals in der zweiten Liga versinken. Ein Elfmetertor von Franco di Santo in der 84. Minute genügte, um Werder Bremen den 500. Heimsieg als Erstligist zu bescheren und Hamburgs Labbadia den Einstand zu vermiesen. "Total ärgerlich", fand der einstige Stürmer das Ereignis, rät aber trotzdem: "Man sollte uns auf keinen Fall abschreiben." Doch es sieht schlecht aus, und das nicht nur wegen Platz 18, unter dem eine dem HSV völlig unbekannte Unterwelt lauert. Anders als Labbadia, der einst für Bremen, Bayern oder Hamburg traf, haben seine Nachfolger mit zielsicheren Schüssen aufs Tor chronische Schwierigkeiten. Seit 586 Minuten hat die Profitruppe dieser HSV AG kein Tor mehr geschossen, obwohl auf ihrer Gehaltsliste gut bezahlte und prominente Namen wie Rafael van der Vaart, Ivica Olic und Pierre-Michel Lasogga stehen. 16 Treffer waren es in den 29 Partien dieser Saison - ein mieser Wert, der an das historisch schlechte Bundesliga-Gastspiel von Tasmania Berlin erinnert. "Offensiv", klagt Labbadia, "fehlt die klare Entscheidung." In dieser Hinsicht lag das Ensemble seines Kollegen Viktor Skripnik wenigstens einmal richtig, nachdem Zlatko Junusovic kurz vor dem Abpfiff im Strafraum elfmeterreif niedergerissen worden war.

Natürlich war es so ein Fall von Halb-zog-er-ihn-halb-sank-er-hin, der sich da in der 83. Minute vollzog. Eher aber noch ein Klassiker aus der Kategorie: Dummheit im Dienst. Eindeutig war die Textilbremse, die Valon Behrami anwandte, strittig nur die Frage, ob es dafür wirklich Rot geben musste. Oder hätte es auch die gelbe Karte getan? Angesichts der Bilder (siehe oben) zielte die Verteidigungsrede des Verursachers ins Leere: "Das war kein Elfmeter, sonst haben wir 20 pro Spiel." Ebenso nachrangig war der Beistand des Teamkollegen Heiko Westermann: "Ist das glatt Rot? Ich reg' mich darüber auf, da sind drei Gegenspieler dabei" - was bedeutet, dass Behrami nicht letzter Mann war, der Tatbestand der Notbremse also nicht gegeben war. Auch wenn Westermann den Schiedsrichter einen "Heimschiedsrichter" nannte, klang auch das nach Ablenkungsmanöver. Denn unstrittig war der Kern des Vorfalls: An dem Elfmeter an sich gab es keinen Zweifel. Wohl aber an der Nervenstärke von Behrami, der in einer für den HSV so richtungsweisenden Partie den möglichen Punktgewinn mit einer taktische Torheit aufs Spiel setzt, wie sie sich kein Vollprofi leisten darf. Zumal der Schweizer Nationalspieler am Spieltag auch schon 30 Jahre alt wurde. Der Rest war Formsache: Di Santo bestätigte erneut seine Qualitäten als Vollstrecker und zeigte, warum die Bremer ihn so gerne auch in der kommenden Saison bei sich sehen würden. Alle Debatten fokussierten sich nach Abpfiff auf diese eine Szene, an die man sich erinnern wird, sollte der HSV auch das kommende Heimspiel gegen Augsburg nicht gewinnen und am Ende absteigen. Denn gegen den FCA fehlt nicht nur Lewis Holtby (fünfte gelbe Karte) aus der Startreihe in Bremen, sondern eben auch Behrami, der in dieser Elf eigentlich für den rustikalen Zusammenhalt zuständig ist. Bis zu jener 83. Minute war es das klassische 0:0, ein bisschen Geplätscher, wenig Risiko. Statt rauschender Kombinationen gab es krachende Fouls wie das von Hamburgs van der Vaart an Werders Jannik Vestergaard, der Däne musste nach 24 Minuten das Feld verlassen. Van der Vaart? Genau, das ist der ehemalige Mittelfeldkünstler aus Holland, der früher eine berühmte Frau hatte und von Labbadia wieder begnadigt und aufgestellt wurde. Die einzige wirkliche Chance vor der Pause hatte Hamburgs Zoltan Stieber, der am Bremer Tor vorbeischoss (28.). Waren dies nicht vor langer Zeit mal zwei Spitzenteams, die sich um Titel bewarben, um Pokale? "Geschlossenheit ist jetzt das Wichtigste", hatte Labbadia gesagt, "meine Mannschaft muss eine Festung sein." Das gelang in der Abwehr im Vergleich zu Debakeln wie dem 0:8 in München (unter Trainer Joe Zinnbauer) oder dem 0:4 in Leverkusen (unter Trainer Peter Knäbel) zwar besser, das lag allerdings auch am harmlosen Gegner. Immerhin brachte Skripnik nach einer knappen Stunde den leibhaftigen Enkel von Uwe Seeler - der Opa wird stolz gewesen sein, obwohl Levin Öztunali heute für Werder spielt. Öztunali vergab sogar eine gute Gelegenheit. Das Bremer Tor, das den Großvater Seeler emotional schwer getroffen haben dürfte, erzielte dann Di Santo. Zum Glück will Seeler, der in einer Saison einmal fast doppelt so viele Tore erzielt hat wie der HSV in dieser mit der kompletten Mannschaft, seinem Klub so oder so die Treue halten. Egal, wohin dessen Weg führt.

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