Süddeutsche Zeitung

HSV nach dem 0:8 in München:"Eine beschämende Niederlage"

  • Viele Gegentore in München ist der Hamburger SV seit Jahren gewohnt - aber dieser 0:8-Magenschwinger lässt die Spieler verstummen.
  • Manch einer wirkt, als sei er von den Bayern verprügelt worden.
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Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Es lief die 71. Spielminute, da schweiften die Gedanken von Dietmar Beiersdorfer ab. Sein Hamburger SV lag 0:7 zurück, doch kurz rückte für den Vorstandsvorsitzenden das Leid seines Klubs in den Hintergrund. Unten wechselte der Gegner gerade Arjen Robben aus. Beiersdorfer erzählte später, er habe sich überlegt, ob er zusammen mit den knapp 70.000 Bayern-Fans klatschen solle für den besten Spieler auf dem Platz. "Ich habe mich dann dazu entschlossen, denn man muss ihm einfach diese Ehre erweisen."

Der Hamburger SV hatte auch mal Spieler, für die selbst der Gegner schwärmte. Doch von dieser Zeit erzählen bald nicht mehr die Väter, sondern nur noch die Großväter. Bei jüngeren Beobachtern des Klubs hingegen führt allein der Name FC Bayern zu leichtem Herzrasen. 0:8 hieß es diesmal. Nullzuacht! Ein Ergebnis wie ein Alptraum. Normalerweise. Doch beim HSV ist das bei einem Ausflug nach München fast schon betrübliche Normalität.

3:31 lautet das Torverhältnis der vergangenen fünf Auswärtsspiele des HSV in München. Das sind im Schnitt mehr als sechs Gegentore.

Verteidiger Heiko Westermann hatte mal ein 2:9 kommentieren müssen, auch Rafael van der Vaart oder René Adler waren damals schon dabei gewesen. Diesmal sagten sie: nichts. Kein HSV-Spieler wollte sich nach der neuerlichen Blamage äußern. Die meisten wählten Umwege zwischen Kabine und Mannschaftsbus, um nur keinem Mikrofon zu begegnen. Westermann, der normalerweise immer was zu sagen hat, humpelte mehr als er ging Richtung Ausgang, den Blick gesenkt, nur ja niemandem in die Augen schauen. Er wirkte, nunja, als wäre er gerade verprügelt worden.

"Wir müssen das schnell abschütteln", fordert Zinnbauer

Für Trainer Josef Zinnbauer war es der erste Untergang in München, er ist noch nicht lange dabei. Deshalb fielen bei ihm noch Sätze wie: "8:0 - das hört sich unglaublich an." Oder: "Das ist ein sehr bitterer Tag in meinem Leben, den werde ich nicht vergessen." Vielleicht bereute er auch ein paar Entscheidungen, die seine Aufstellung betrafen.

In Ashton Götz und Ronny Marcos spielten zwei Jungprofis links und rechts in der Viererkette, vor allem Marcos erlebte gegen Arjen Robben ein Desaster. Wobei das allerdings weniger seine Schuld war als die seiner Mitspieler, die ihn gegen den Irrwisch aus Holland regelmäßig alleine ließen. Dann schickte Zinnbauer recht viele offensive Spieler auf das Feld, in der defensiven Zentrale werkelte eigentlich nur Marcelo Diaz, doch der chilenische Winterzugang war mit all den Müllers, Götzes oder Alabas völlig überfordert. Die dadurch ungeschützte Abwehr hatte gegen den zunehmend mit voller Fahrt rollenden Bayern-Express keine Chance.

Zinnbauer begann die Aufarbeitung mit dem Schlusspfiff des Schiedsrichters. Er versammelte Spieler und Betreuer noch auf dem Platz zu einem Kreis und hielt eine lange, energische Rede. "Ich habe Dinge angesprochen, aber nicht im Sinne von Draufhauen", verriet er später. Seine Spieler waren, siehe Westermann, ohnehin schon arg verbeult. Zinnbauer setzte das um, was man in jedem Manager-Kurs zu Reaktion nach Misserfolgen lernt: sofort an die nächste Aufgabe denken. Er habe der Mannschaft gesagt, "wir müssen das schnell abschütteln, schnell die Köpfe hochkriegen und es gegen Gladbach besser machen".

Der Magenschwinger von München hat den Hamburger SV binnen 90 Minuten wieder in den Abstiegskampf geschickt. Nach zuletzt zwei Siegen hintereinander hatten viele rund um den Verein schon gehofft, dass es nun nachhaltig bergauf geht. Doch jetzt kann man befürchten, dass die Siege in Paderborn (3:0) und gegen Hannover (2:1) nur positive Betriebsunfälle waren. In Paderborn half ein frühes Tor, gegen Hannover hatte der HSV sowieso das Glück einer ganzen Saison aufgebraucht. Jetzt warten Gladbach, Frankfurt, Dortmund und Hoffenheim. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt vor den Sonntagsspielen nur drei Punkte.

"Wir müssen zusammenstehen"

All dies mag Dietmar Beiersdorfer durch den Kopf gegangen sein. Er wirkte nach dem Spiel fast geschockt, rang um Worte, sprach leise und langsam, blickte beim Gespräch Richtung Boden. "Das war ganz schlecht, mehr als schlecht. Das ist eine beschämende Niederlage", sagte er. Es tue ihm leid für alle Fans, "da muss man sich entschuldigen". Doch ist dieser HSV mit dem Trainer Zinnbauer und vielen von ihm geholten Spielern auch und vor allem sein Produkt, weshalb auch er versuchte, sogleich in den Zukunftsmodus zu starten.

"Wir müssen zusammenstehen. Wir haben immer gesagt, dass es ein schwieriger Weg ist." Schuld wollte er nicht zuweisen, weder an Trainer noch Spieler. Alle seien heute danebengelegen. "Aber unsere Pflicht und Aufgabe ist es, die Nerven zu behalten und zu versuchen, die Mannschaft auf das nächste Spiel einzustellen. In solchen Situationen zerpflücken sich Vereine gerne selbst, "das sollten wir nicht tun".

Und selbst für die 6000 mitgereisten HSV-Fans hatte Beiersdorfer noch einen Trost: "Arjen Robben war das Eintrittsgeld heute alleine wert."

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SZDigital vom 14.02.2015/ebc
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