Aus für Hoffmann:Das große Beben beim HSV

PK Hamburger SV

Musste beim HSV 2011 gehen und nun erneut: Bernd Hoffmann.

(Foto: Malte Christians/dpa)
  • Der Hamburger SV reagiert auf die Streitereien im Vorstand und stellt den Vorsitzenden Bernd Hoffmann frei.
  • Für Hoffmann ist es der zweite Rauswurf - schon 2011 musste er den Klub verlassen.
  • Ex-Profi Marcell Jansen steigt zum mächtigsten Mann beim HSV auf.

Von Carsten Scheele

Der deutsche Fußball steht still, nur beim Hamburger SV ist mächtig was los. Während sich die anderen Klubs fragen, wann die schlimmsten Coronazeiten überwunden sind und wieder gespielt werden kann, beschwört der chaotischen Zuständen nicht abgeneigte Zweitligist eine massive Führungskrise herauf. "Der große Showdown im Volkspark", schrieb die Morgenpost am Samstag. Übertrieben war das kaum.

Der Aufsichtsrat sollte am Samstag über die jüngsten Vorstandsquerelen entscheiden. Ob sich die Beteiligten - namentlich Vorstandsboss Bernd Hoffmann, Sportvorstand Jonas Boldt und Finanzvorstand Frank Wettstein - noch einmal zum Wohle des Vereins zusammenraufen können. Oder ob einer gehen muss, inmitten gesellschaftlich höchst komplizierter Tage, nicht nur in Hamburg, sondern auf der ganzen Welt.

Die Entscheidung kam kurz nach 16 Uhr: Ja, es muss einer gehen. Und es ist erneut Hoffmann, der Boss, seit 2016 in zweiter Amtszeit beim HSV und mit einem Vertrag bis 2021 ausgestattet. "Ich hätte den HSV sehr gerne durch diese Krise geführt", sagte Hoffmann zerknirscht: "Ich muss aber akzeptieren, dass der Aufsichtsrat sich für einen anderen Weg entschieden hat."

Jansens Seitenhieb auf Hoffmann

Es war keine einvernehmliche Entscheidung, denn kurz darauf traten der bisherige Aufsichtsratsboss Max-Arnold Köttgen und Aufsichtsrat Thomas Schulz von ihren Ämtern zurück. Köttgen sagte, der Entschluss sei "mehrheitlich gegen mein Votum" gefällt worden. Den Vorsitz übernimmt der Vereinspräsident und frühere HSV-Profi Marcell Jansen, der in der HSV-Hierarchie nun mächtigste Mann.

Der Klub könne sich "in dieser schwersten Krisenzeit (...) keine Energieverluste und belasteten Vertrauensverhältnisse leisten", erklärte Jansen auf der Klubhomepage: "Der volle Fokus muss auf die HSV-Interessen gerichtet sein." Das war ein Seitenhieb auf Hoffmann, natürlich.

Zuvor hatte jeder mitbekommen, dass Hoffmann im Vorstand ziemlich alleine dagestanden ist. Ihm wurden Alleingänge und Kompetenzüberschreitungen angelastet, was ihm einen öffentlichen Rüffel von Präsident Jansen einbrachte. Hoffmann räumte freimütig seine Differenzen mit dem charismatischen Sportchef Boldt (im Sommer verpflichtet) ein; neben Boldt machte intern auch Finanzvorstand Wettstein deutlich, dass er sich eine Zusammenarbeit mit Hoffmann nicht mehr vorstellen konnte.

Das Führungsgezoffe sei "degoutant", sagt Kühne

Laut Bild waren die Fronten "maximal verhärtet", und dann war da noch Klaus-Michael Kühne, 82, der milliardenschwere Gönner und Investor, der noch nie als großer Freund Hoffmanns bekannt war und sich für eine Ablösung stark machte, das Führungsgezoffe als "degoutant" bezeichnete. Unter der Woche zitierte der Aufsichtsrat dann alle Beteiligten zu Einzelgesprächen - da kündigte sich schon an, dass größere Entscheidungen anstehen.

Für Hoffmann ist es das zweite Aus bei seinem Klub. 2011 hatte der in Leverkusen geborene Unternehmer seinen Job beim HSV nach acht Jahren an der Spitze schon einmal verloren, nach "unerträglichen Wochen", wie der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Ernst-Otto Rieckhoff erklärte. Hoffmann hatte erst den beliebten Sportchef Dietmar Beiersdorfer entmachtet und anschließend ein Dasein als Alleinherscher gefristet, das einigen zu viel wurde. Trotzdem schaffte es der HSV unter Hoffmanns Führung noch in zwei europäische Halbfinals; es waren Zeiten, von denen der Klub heute nur träumen kann.

In seiner zweiten Amtszeit - seit 2018, erst als Präsident, dann als Vorstand - wollte Hoffmann vieles anders machen, insbesondere besonnener führen. Was ihm eher mäßig gelungen ist: Zuletzt machte Hoffmann von sich reden, weil er sich offensiv in die Transferpolitik, also in Aufgabenbereiche von Sportchef Boldt, einmischte. 2009 hatte er den Machtkampf gegen Beiersdorfer gewonnen, nun, 2020, jenen gegen Boldt und Wettstein verloren, die nun als Führungsduo weiterwirken sollen - in der Hierarchie also, wie Jansen, ebenfalls aufsteigen.

Eine dritte Amtszeit Hoffmanns ist so gut wie ausgeschlossen - sogar beim HSV.

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