Hamburger SV:Jansen ist jetzt der starke Mann

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Präsident und bald Aufsichtsratsvorsitzender: Marcell Jansen.

(Foto: Jan Kuppert/imago)

Ex-Spieler Marcell Jansen ist nach dem Hoffmann-Aus mit nur 34 Jahren der entscheidende Funktionär im Klub. Sein guter Draht zu Investor Kühne könnte bald überlebenswichtig sein.

Kommentar von Jörg Marwedel

Auf dem Rasen des Volksparkstadions gibt er derzeit kein Spektakel zu sehen. Das heißt aber natürlich nicht, dass es beim Hamburger SV selbst während dieser großen Menschheitskrise nichts zu bestaunen gibt. Am Samstag traf sich der Aufsichtsrat der HSV AG in der Arena und entließ den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann. Gescheitert ist der Boss zum zweiten Mal nach 2011 an mangelnder Teamfähigkeit, an Alleingängen und Kompetenzüberschreitungen - jene Eigenschaften, die den inzwischen zweitklassigen HSV seit elf Jahren insgesamt abwärts trudeln lassen.

Teamgeist, der in Corona-Zeiten noch wichtiger ist, haben die Vorstandskollegen Frank Wettstein und Jonas Boldt ihrem bisherigen Chef vehement abgesprochen. Während 2009 der damalige Sportchef Dietmar Beiersdorfer nach Querelen mit Hoffmann weitgehend alleine dastand und gehen musste, hätte sich der Aufsichtsrat diesmal anstelle von Hoffmann gleich von zwei geschätzten Männern trennen müssen, die mit ihm nicht mehr zusammen arbeiten wollten. Doch der Finanzexperte Wettstein, der schon 2005 half, Borussia Dortmund vor der Insolvenz zu bewahren, ist beim seit Jahren finanziell lädierten HSV fast unverzichtbar. Und Sportvorstand Boldt, der sein Handwerk in Leverkusen lernte und 2019 kam, erwies sich bislang als jener Sport-Experte, auf den man in Hamburg lange gewartet hatte. Seine Transfergeschäfte gelten als überwiegend geglückt.

Wettstein und Boldt sollen vorerst alleine die Profiabteilung führen. Neuer starker Mann im Klub ist aber Marcell Jansen, der frühere Nationalspieler, der schon Präsident des HSV e.V. ist. Vor fünf Jahren beendete Jansen mit nur 29 Jahren seine Spielerlaufbahn; damals bekam er von Rudi Völler hinterhergerufen, wer so jung aufhöre, "habe den Fußball nicht geliebt". Nun ist Jansen der Hüter über den HSV-Teamgeist. Er übernimmt den Aufsichtsratsvorsitz vom zurückgetretenen Hoffmann-Freund Max-Arnold Köttgen. Jansen, anfangs ebenfalls ein Befürworter Hoffmanns, war zuletzt dessen größter Gegner, weil er Hoffmann als Auslöser für die schlechte Stimmung in der Führung ausgemacht hatte. Er stellte fest, Hoffmann habe aus seinen einst eingeräumten alten Fehlern nichts gelernt.

Jansens nächster Schritt in der Funktionärskarriere kommt wohl auch dem Investor Klaus-Michael Kühne entgegen. Die graue HSV-Eminenz gilt als Jansen-Fan. Kühne machte dies nochmals öffentlich, als er einen Führungswechsel forderte, in dem Jansen eine Rolle spielen solle. Der durchaus ehrenwerte Versuch Hoffmanns, den HSV unabhängiger von Geldgeber Kühne (besitzt bereits 20,6 Prozent der AG-Anteile) zu machen, wird in Corona-Zeiten vermutlich ausgesetzt - zumal Wettstein und Jansen einen sehr guten Kontakt zum Logistik-Unternehmer halten. Vielleicht wird dieser Kontakt in Kürze sogar überlebenswichtig.

Den internen Zwist nannte Kühne "degoutant". Diese französische Vokabel, die er für Hoffmanns Umgang mit der übrigen Klubführung benutzte, bedeutet ekelerregend, widerlich, abstoßend. Mal wieder harsche Töne an der feinen Alster.

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