HSV in der Relegation:"Es gibt überhaupt nix zu feiern"

Lesezeit: 3 min

Mahnt noch zur Zurückhaltung: HSV-Trainer Buno Labbadia (Foto: AP)
  • Der Hamburger SV rettet sich wie in der vergangenen Saison noch auf einen Relegationsplatz.
  • Trainer Bruno Labbadia trifft in den Entscheidungsspielen um den Klassenverbleib in jedem Fall auf einen Ex-Klub.
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Von Carsten Eberts, Hamburg

Bruno Labbadia vertrieb sich die bangen Minuten mit kräftigen Umarmungen. Direkt nach Abpfiff drängte er seine Spieler in die Spielfeldmitte, herzte dort erst Ivica Olic, schloss dann seine Arme fest um Gojko Kacar. Das Ergebnis aus Paderborn war noch nicht amtlich vermeldet worden, das bedeutete noch zwei Minütchen Hoffnung: Dass sich der Hamburger SV zum Finale dieser Saison doch noch irgendwie direkt gerettet haben könnte.

Über die Smartphones wurde sekündlich der Zwischenstand gecheckt, auf den Tribünen rumorte es. Dann flüsterte Labbadia jemand, dass Paderborn gegen den VfB Stuttgart doch kein Tor mehr geschossen hatte. Sofort schickte er seine Spieler in die Nordkurve. Dort wurde es laut, die Fans brüllten ihre Dankbarkeit heraus. "Immer erste Liga" schallte es ihnen entgegen. Dabei hatte sich der HSV "nur" für die Relegation qualifiziert - und trifft dort auf den Zweitliga-Dritten Karlsruher SC.

Wieder ein Trainingslager in Malente: "Wie eine kleine Burg"

Wie in der vergangenen Saison muss der HSV also in die Extrarunde, am Donnerstag und am Montag darauf geht es in zwei Entscheidungsspielen gegen den Drittplatzierten der zweiten Liga, der Darmstadt, Karlsruhe oder Kaiserslautern heißen könnte. "Es gibt überhaupt nix zu feiern", merkte zwar Heiko Westermann nach dem Spiel kritisch an. Trotzdem war der HSV an diesem Nachmittag zweifellos ein Gewinner. Vor dem Relegations-Heimspiel am Donnerstag, für das der HSV bereits am Sonntag 50.000 Karten abgesetzt hatte, kaserniert Labbadia seinen Profis erneut in einem Trainingslager in Malente ein: "Malente war für uns wie eine kleine Burg. Viele Dinge haben deshalb dafür gesprochen, sich wieder dort vorzubereiten", sagte der Coach.

Es waren 90 hochemotionale Minuten gewesen, dieses 2:0 (0:0) am letzten Spieltag gegen Schalke 04. Drei Punkte hatten die Hamburger dringend einfahren müssen, um die theoretische Chance auf den Klassenerhalt zu erhalten. Das taten sie, durch Tore von Ivica Olic (49.) und Slobodan Rajkovic (58.), die die Hamburger Arena fast bersten ließen. Insbesondere nach dem Dosenöffner-Tor von Olic spielten sich irre Jubelszenen ab: Trainer Labbadia stürmte wild auf den Rasen, Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer schrie oben auf der Tribüne seine Emotionen heraus. Auf den Rängen saß auch Olli Dittrich, der Fernsehkomiker und HSV-Edelfan, in blau-weißer Trainingsjacke. Er plusterte seine Backen auf, und als die Luft entwich, waren zwei Worte auf seinen Lippen gut ablesbar: "Alter Schwede."

Abstiegskampf brutal
:Tanzen und Schluchzen

Was für ein Kampf um den Klassenerhalt: HSV-Trainer Labbadia sprintet, der VfB feiert vor der Fankurve, Paderborn bedankt sich für eine erstklassige Unterstützung, Freiburg geht unter.

Bilder vom letzten Spieltag

Groß war die Angst gewesen, dass an diesem Samstag der erste Abstieg des Bundesliga-Gründungsmitglieds besiegelt werden könnte. Nur auf Platz 17 hatte der HSV zuvor gestanden, das schlimmste Szenario konnte durch den Heimsieg und die gleichzeitige Freiburger Niederlage in Hannover jedoch abgewendet werden. "Wir haben das heute unter großem Druck sehr, sehr gut gemacht", lobte Labbadia. Einen "verdienten Sieg" hatte er gesehen.

In den sechs Spielen unter seiner Führung hat der HSV nun zehn Punkte geholt. Die Verlängerung der Saison ist für Labbadia ausdrücklich kein Problem. "Eigentlich wollten wir nächste Woche zwei Freundschaftsspiele machen", erklärte er lapidar, "jetzt ersetzen wir sie durch Relegationsspiele."

Für den HSV ist die Situation eine komplett andere als vor zwölf Monaten. Damals schlitterte der Klub extrem glücklich in die Relegation, vermied den direkten Abstieg nur, weil auch die beiden Konkurrenten, Nürnberg und Braunschweig, aus den letzten fünf Spielen keinen einzigen Punkt generieren konnten. Ebenso glücklich ging es in der Extrarunde weiter, zweimal spielte der HSV nur Unentschieden gegen Greuther Fürth, blieb aber wegen eines erzielten Auswärtstores der Bundesliga erhalten. Diesmal starten die Hamburger mit einem Erfolgserlebnis in die Relegationswoche. "Wir haben es wieder in der eigenen Hand", machte Torwart René Adler sich selbst und seinen Mitspielern Mut und er stellte das neue Hamburger Selbstvertrauen zur Schau. Der HSV gehe mit einer "intakten Mannschaft" in die Relegation. "Wir werden jetzt jeden schlagen", kündigte er an.

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Lasogga trainiert wieder: "Wir hoffen, dass die Schulter hält"

Seine Worte verschleierten, dass der HSV auch gegen Schalke eine sehr dürftige Leistung abgeliefert hatte. Besonders offensiv zeigte das Team eine konfuse Darbietung. Lange war kein Spieler in Sicht, der gegen auffällig unmotivierte Schalker auch nur in die Nähe eines Torerfolgs hätte kommen können. Insbesondere als nach einer halben Stunde, als Chefstürmer Pierre-Michel Lasogga verletzt das Spielfeld verließ: Er war erneut auf die malade Schulter gefallen. Ob er für die Relegation wieder fit wird? Am Pfingstsonntag nahm er jedenfalls am Training teil. "Wir hoffen, dass seine Schulter hält. Aber es ist schon schmerzhaft für ihn", sagte Labbadia.

"Wir müssen wertschätzen, was wir uns erarbeitet haben", mahnte Sportdirektor Peter Knäbel. Einen "Sieg des Fleißes" hatte er gesehen, was auch wirklich das Positivste war, was sich über die Gesamtleistung des HSV sagen ließ. Wie gut, aus spielerischer Sicht, dass es in der Relegation nur gegen einen Zweitligisten geht.

Für einen wird es ein besonderes Duell: für Trainer Labbadia. Er hatte ja persönliche Erfahrungen mit allen drei Klubs, die am Samstag noch als Gegner in Frage kamen: Darmstadt, Karlsruhe oder Kaiserslautern - für alle drei Klubs hat er in seiner aktiven Karriere gespielt. "Natürlich wäre es aus meiner Sicht schöner, gegen andere Vereine zu spielen", erklärte er deshalb. Doch seine privaten Emotionen werden für zweimal 90 Minuten zurückstehen müssen. "Wir gehen da jetzt zusammen durch", kündigte Labbadia an. Er werde nicht hadern, sondern die Relegation "als Chance begreifen".

Ein Endspiel hat der HSV bereits gewonnen. Nun folgen zwei weitere.

© SZ vom 24.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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