Hamburger SV:Plötzlich darf der HSV sogar Geld ausgeben

Hamburger SV - HSV-Trainer Dieter Hecking beim Training

Der neue HSV-Trainer Dieter Hecking strebt mit dem Verein zurück in die Bundesliga.

(Foto: dpa)
  • Der Hamburger SV bereitet sich im Trainingslager in Kitzbühel auf die kommende Zweitligasaison vor.
  • Neun neue Spieler sind schon da - weitere sollen kommen.
  • Geld für Tranfers ist vorhanden, dank der Millionen, die Verteidiger Douglas Santos einbringt.

Von Carsten Scheele

In den vergangenen Jahren haben sich schon einige Männer als Sportchefs beim Hamburger SV versucht - und es wäre verständlich, wenn Peter Knäbel, Ralf Becker, Jens Todt und all die anderen, die von dieser Aufgabe irgendwann wegen Erfolglosigkeit entbunden wurden, nun den Kopf schütteln würden. Diese zwölf bis 15 Millionen Euro, die der Zweitligist gerade für seinen Abwehrspieler Douglas Santos von Zenit Sankt Petersburg erhalten hat, tja, mit denen hätten sie vermutlich auch besser wirtschaften und eine bessere Mannschaft formen können.

Manch einer mag den Santos-Transfer als lobenswerte Leistung und als unverschämt gutes Geschäft ansehen, doch im Grunde profitiert der HSV bloß von den Gegebenheiten des neuen Fußballmarktes, auf dem gute Abwehrspieler, geschickt von ihrer Beratern platziert, auch mal zweistellige Millionenbeträge einbringen. So dürfen der neue Sportvorstand und der neue Trainer, Jonas Boldt und Dieter Hecking, in diesem Sommer tatsächlich ein zweites Mal auf Einkaufstour gehen.

Und sie müssen dabei - ganz untypisch - nicht mal auf jeden Cent achten oder bettelnd bei Klaus-Michael Kühne vorstellig werden, dem milliardenschweren Investor, der dem HSV in der Vergangenheit zwar manchen Spielerkauf ermöglicht, dafür aber meist ein anstrengendes Mitspracherecht eingefordert hat.

Holtby, Arp, Lasogga und Kostic sind weg

So erfreut sich der HSV an einer schlagartig entspannteren finanziellen Situation; sie soll beim Neuaufbau der in der vergangenen Spielzeit am Wiederaufstieg gescheiterten Mannschaft helfen. Das Ziel ist klar formuliert: Die zweite Zweitligasaison der Vereinsgeschichte, in die der HSV am 28. Juli mit einem Heimspiel gegen Darmstadt 98 startet, soll auch die letzte der Vereinsgeschichte werden.

Neun neue Spieler hat der Klub für dieses Unterfangen bereits geholt, bevor es nun, dank der Santos-Millionen, in die zweite Transferrunde geht. Als bislang teuerster Zugang kam David Kinsombi für rund drei Millionen Euro von Holstein Kiel. Auch Angreifer Bobby Wood (Rückkehr aus Hannover), der brasilianische Abwehrspieler Ewerthon (geholt aus Nürnberg), Torwart Daniel Heuer Fernandes (Darmstadt) sowie Mittelstürmer Lukas Hinterseer (Bochum), der am Mittwochabend beim Test gegen das griechische Spitzenteam Olympiakos Piräus das 1:1 erzielte, sind fest eingeplant im neuen Team, das im Sommer allerdings auch ein paar prominente Gesichter verloren hat.

Lewis Holtby ist nach seinem Eklat zum Saisonende nicht mehr da, Sturmtalent Jann-Fiete Arp kickt nun beim FC Bayern, Pierre-Michel Lasogga in Katar. Filip Kostic ist von seinem Leihklub Eintracht Frankfurt fest verpflichtet worden. Sie alle gehörten zu den Gutverdienern im Kader: Es war ja ein Ziel des hoch verschuldeten Klubs, das Gehaltsgefüge in diesem Sommer deutlich nach unten zu fahren.

Die kuriose Klausel im Vertrag von Papadopoulos

Klingt nach personellem Aderlass, doch die Arbeit mit dem neuen Team macht den Beteiligten im Trainingslager in Kitzbühel aktuell offenkundig Spaß. Er finde "unsere Mannschaft schon jetzt besser als im letzten Jahr", sagt da beispielsweise Kyriakos Papadopoulos, der als Topverdiener aus vergangenen Tagen zwar ebenfalls ein logischer Verkaufskandidat ist, praktisch aber wohl bleiben wird, dank einer seltsamen Klausel im Vertrag: So müsste der HSV laut Hamburger Abendblatt einen zusätzlichen Millionenbetrag an Papadopoulos' Ex-Verein Bayer Leverkusen überweisen, wenn der HSV den Griechen vor Vertragsende weiterveräußert.

Vor knapp zwei Jahren haben der damalige Trainer Markus Gisdol und Manager Jens Todt diesen bemerkenswerten Deal eingefädelt; dieser Deal macht den Griechen, so witzelt die Lokalpresse bereits, bis 2020 quasi unverkäuflich.

Also schwitzt Papadopoulos mit den Mitspielern jetzt in Kitzbühel, wo sich die Verantwortlichen laut eigener Aussage intensiv mit der Mannschaft beschäftigen, "um zu sehen, wo wir noch etwas machen wollen" (Hecking). Und zwar in beide Richtungen: Der Kader ist mit 28 Spielern aktuell ordentlich aufgebläht, da gelten längst auch früher gesetzte Spieler wie Torwart Julian Pollersbeck, Rick van Drongelen und Gotoku Sakai als konkrete Verkaufskandidaten. Pollersbeck werden Kontakte nach Salzburg nachgesagt, Sakai wurde offenbar dem Aufsteiger SC Paderborn angeboten. Eine Entscheidung soll im Trainingslager fallen.

Bei der Suche nach einem weiteren Innenverteidiger und Mittelfeldspieler hat Hecking vor allem Erstliga-Profis im Blick, denen bei ihren Klubs die Perspektive fehlt - in der Hoffnung, sie vom neuen HSV-Projekt überzeugen zu können, das unter dem Manager Boldt und dem Trainer Hecking eine zuletzt ungekannte Seriosität ausstrahlt. Boldt und Hecking können bisher viele Transferwünsche realisieren und scheinen gut zu harmonieren - der Manager nannte den Trainer zuletzt einen "Bruder im Geiste". Doch es ist wie immer beim HSV: Erst im Misserfolgsfall wird sich zeigen, was Worte wert sind. Knäbel, Becker, Todt und all die anderen werden das gerne bestätigen.

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