2. Bundesliga:Und plötzlich: ein souveräner HSV!

2. Bundesliga: Wichtiger Sieg in Regensburg: Die Hamburger Robert Glatzel (r.) und Sonny Kittel.

Wichtiger Sieg in Regensburg: Die Hamburger Robert Glatzel (r.) und Sonny Kittel.

(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Darmstadt, Heidenheim oder Hamburg? Die Entscheidung in der zweiten Liga spitzt sich zu - und auf einmal sieht es für den taumelnden Favoriten wieder gut aus. Die Aufstiegskandidaten im Vergleich nach dem 32. Spieltag.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann klingen die Werbeslogans der TV-Sender ein wenig defensiver als das schon der Fall war. Die zweite Liga, in der Vorsaison noch gepriesen als die "beste zweite Liga der Welt", hat aber nicht nur aufgrund des Fehlens der Edelmarken FC Schalke 04 und Werder Bremen an Glamour eingebüßt. Eine Weile hatte es überdies danach ausgesehen, dass es im Aufstiegsrennen nicht ganz so spannend zugehen würde wie vor einem Jahr.

Vor dem 32. Spieltag haben sich die Programmdirektoren bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) deshalb etwas einfallen lassen: Sie haben das Spitzentrio in eine Sonntagskonferenz gepackt - und herausgekommen ist eine zweite Liga, in der vormalige Sicherheitsabstände weggeschmolzen sind wie Eis in der Frühjahrssonne.

Als Gewinner des Spieltags ging der Hamburger SV hervor, der nun wieder auf den direkten Aufstieg hoffen darf. Der Rückstand auf den Zweitplatzierten 1. FC Heidenheim beträgt nur noch einen Punkt, Tabellenführer Darmstadt 98 ist vier Zähler entfernt. Verlierer des Spieltags sind damit alle außer der HSV - inklusive der Verfolger FC St. Pauli und Fortuna Düsseldorf, die am Samstag im direkten Duell 0:0 spielten und es aufgrund der Punkteteilung nicht schafften, die Hamburger von hinten unter Druck zu setzen.

Hannover 96 - SV Darmstadt 98 2:1

Vorbereitungen für eine Aufstiegsparty waren nicht getroffen worden, wie schon in der Vorwoche, als die Darmstädter den Sprung in die Erstklassigkeit ebenfalls schon hätten bewerkstelligen können. Dieses Vorgehen gehört zum Understatement der Hessen, aber wirklich zielführend war das bislang nicht. Nach einem 0:3 gegen St. Pauli haben die Darmstädter mit dem 1:2 in Hannover nun die zweite Niederlage in Serie einstecken müssen, was durchaus bemerkenswert ist, da das Team von Torsten Lieberknecht zuvor während der ganzen Saison nur vier Mal verloren hatte.

Ist das Nervenflattern? Oft hat man so eine Partie in dieser Spielzeit jedenfalls nicht von den "Lilien" gesehen. Bereits nach einer halben Stunde lag die sonst so stabile Lieberknecht-Elf 0:2 hinten, trotz des Anschlusstreffers durch den 98-Stürmer Philipp Tietz kurz vor der Halbzeit war nur ein moderates Aufbäumen zu erkennen. Außerdem sahen die Stammspieler Matthias Bader und Braydon Manu jeweils die gelb-rote Karte. Sie werden damit im nächsten Entscheidungsspiel gegen Magdeburg fehlen.

Carsten Wehlmann, der Sportdirektor der Darmstädter, zeigte sich dennoch stolz, dass sein Klub das Zweitliga-Klassement anführt - und das trotz der beschränkten "Möglichkeiten", über die die Hessen im Vergleich zu so manchem Ligakonkurrenten verfügten. Eine kleine Spitze, die natürlich nur an den HSV gerichtet sein konnte, der zehn Mal so viele Mitglieder und ein mehr als doppelt so hohes Budget für den Kader hat.

SZ-Prognose: Greuther Fürth, VfL Bochum, Arminia Bielefeld und der SC Paderborn hatten in den Vorjahren ebenfalls deutlich weniger Finanzmittel als der HSV zur Verfügung - vor dem Traditionsklub gelandet sind sie trotzdem.

SC Paderborn - 1. FC Heidenheim 3:2

Jetzt hat sogar der Heidenheim Dorfheilige Frank Schmidt dieses unselige Wort ausgesprochen. Der Coach des 1. FCH hatte vor der Reise nach Paderborn offiziell die sog. "Crunchtime" in der zweiten Liga ausgerufen, aber übel nehmen konnte man ihm das nicht. Denn Schmidt, ein Mann von eher zurückhaltendem Naturell, hat bei derselben Pressekonferenz zugegeben, dass sein Blutdruck bei der Aussicht auf eine Zukunft in der Erstklassigkeit aktuell höher sei als sonst.

Die gute Nachricht also zuerst: Nach der Niederlage in Paderborn sah es nicht so aus, als wäre Schmidts Puls so hoch gewesen, dass das aus gesundheitlicher Sicht bedenklich gewesen wäre. Dabei war ja einiges los gewesen. "Erste Chance, erstes Tor!", hatten die Live-Ticker zum Beispiel gemeldet, als der Stürmer Tim Kleindienst zum zwischenzeitlichen 1:1 traf. Der Heidenheimer Klassiker, sozusagen. Unüblich war hingegen, dass die Schmidt-Elf ihre 2:1-Führung nicht ins Ziel brachte, sondern nach einer indifferenten Leistung 2:3 verlor. Eine Art Heidenheimer Novum zum ungünstigsten aller Zeitpunkte.

SZ-Prognose: Wer von "Crunchtime" spricht, räumt zugleich ein, dass er den größten Erfolg der Heidenheimer Klubgeschichte als ein realistisches Szenario ansieht. Und gibt es in Deutschland etwa einen realistischeren Trainer als Frank Schmidt?

SSV Jahn Regensburg - Hamburger SV 1:5

Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Tim Walter, der Trainer des HSV, hatte neulich noch langjährige Unterhaus-Fans mit der Aussage empört, dass er keine zweite Liga schaue. Wirklich bodenständig klang das nicht. Auf der Pressekonferenz vor der Auswärtsreise zu Jahn Regensburg konnte man dann aber einen fast schon geläuterten Walter erleben. Denn dort offenbarte der Coach stolz, dass er jetzt sogar Spiele aus der dritten Liga studiert habe. Wahrscheinlich allerdings ohne große Begeisterung. Der Offensivdenker Walter, der übrigens am liebsten Real Madrid und Manchester City schaut, hatte bei seiner Video-Analyse nämlich lediglich evaluiert, ob er dem unter der Woche neu installierten Jahn-Trainer Joe Enochs 37 oder 40 Prozent Ballbesitz zugesteht.

Beim Zweitliga-Debüt des US-Amerikaner Enochs, zuletzt beim Drittligisten FSV Zwickau angestellt, zeigte sich die Walter-Elf dann jedenfalls wenig kompromissbereit. Man hätte es ja kaum noch für möglich gehalten, aber dem HSV gelang - allen Ernstes! - ein souveräner Auftritt bei einem Abstiegskandidaten, durch den er sich wieder als ernstzunehmender Aufstiegskandidat positionieren konnte. Der Ballbesitzanteil der Hamburger lag mit 65 Prozent sogar noch einmal über dem Saisondurchschnitt - und auch davon abgesehen war in Regensburg eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den Vorwochen zu besichtigen.

Dafür standen auch einzelne Personalien: HSV-Stürmer Robert Glatzel, der in der Rückrunde an Treffsicherheit eingebüßt hatte, erzielte den 1:0-Führungstreffer und holte einen Elfmeter raus. Diesen verwandelte der in der "Crunchtime" (Copyright: FCH-Coach Schmidt) häufig enttäuschende Spielmacher Sonny Kittel, der noch ein weiteres Mal traf und eine mehr als brauchbare Leistung darbot. Das schönste Tor gelang aber Miro Muheim per Distanzschuss. Jener Muheim war in den vergangenen Wochen insbesondere als Sicherheitsrisiko in der Abwehr aufgefallen, am Sonntag war er aber ausnahmsweise gänzlich unbeteiligt am einzigen Hamburger Gegentreffer. Den Schlusspunkt setzte der von Walter zumeist ignorierte Angreifer Filip Bilbija.

SZ-Prognose: HSV-Coach Walter sollte trotz des Sieges sicherheitshalber viel erste Liga schauen. Denn in der Aufstiegsrelegation geht's nicht gegen Real oder City, sondern wahrscheinlich gegen Stuttgart, Bochum oder Schalke.

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