Hamburger SV:Konturen eines haarsträubenden Gesamtbilds

Hamburger SV: Bekam vor Gericht Recht: Michael Mutzel ist jetzt wieder Sportdirektor beim Hamburger SV. Für wie lange?

Bekam vor Gericht Recht: Michael Mutzel ist jetzt wieder Sportdirektor beim Hamburger SV. Für wie lange?

(Foto: Oliver Zimmermann/foto2press/Imago)

Die Lage ist mal wieder kompliziert, sogar die Konfliktlinie innerhalb des Vereins ist umstritten. Die Vorwürfe sind dafür umso heftiger, manche Beteiligte wittern sogar Verrat. Man könnte zum Zyniker werden.

Kommentar von Thomas Hürner, Hamburg

Es ist in diesen Tagen noch schwieriger als sonst, den Zustand des Hamburger SV angemessen zu beschreiben. Man sollte ja pietätvoll bleiben, so kurz nach dem Tod Uwe Seelers, des größten HSVers der Geschichte, der nie schimpfte über den Absturz seines Herzensklubs. Er war nur traurig. Außerdem klingt Fußballsprache häufig wie Kriegsrhetorik, und wer will in diesen Zeiten schon etwas von Grabenkämpfen oder Machtgebaren lesen?

Es ist nur leider so: Der aktuelle HSV lässt einem kaum etwas anderes übrig, als an das Vermächtnis Uwe Seelers zu erinnern und auch mal jene martialischen Begriffe zu verwenden, die im Boulevard derzeit über den HSV-Artikeln geschrieben stehen.

Die Lage ist, nun ja, mal wieder kompliziert beim Traditionsklub, weshalb an dieser Stelle nur Konturen eines haarsträubenden Gesamtbilds nachgezeichnet werden können. Zunächst vielleicht zur Grundkonstellation, die in direkten Gesprächen übrigens von manchen der Beteiligten bestätigt, von anderen vehement bestritten wird: Auf der einen Seite stehen der Aufsichtsratschef Marcell Jansen, der Finanzvorstand Thomas Wüstefeld sowie der Ex-Sportdirektor Michael Mutzel, der vielleicht bald schon wieder sein Büro in der HSV-Geschäftsstelle beziehen darf. Dazu gleich mehr. Auf der anderen Seite stehen der Sportvorstand Jonas Boldt, der Trainer Tim Walter sowie die HSV-Mannschaft.

Sportdirektor Mutzel geht vor Gericht erfolgreich gegen seine Entlassung vor - aber hilft ihm das wirklich?

Ungefähr so verläuft also die Frontlinie beim Zweitligisten HSV, bei dem es hinter den Kulissen traditionell ruppig zugehen kann. Das derzeitige Theater ging im Dezember 2021 los, als der Medizinunternehmer Wüstefeld beim HSV als Anteilseigner einstieg und es dann vom Aufsichtsrat zum Vorstand brachte - ein Marsch durch die Institutionen, von dem einige Alt-Achtundsechziger bis heute träumen. Wüstefeld und Aufsichtsratschef Jansen schätzen sich aus früheren Geschäftsbeziehungen, mit dem Sportvorstand Boldt stellte sich hingegen kein harmonisches Miteinander ein.

Das wurde nicht besser, als der Sportdirektor Mutzel in der vergangenen Rückrunde die Nähe des einflussreichen Wüstefeld suchte, weil er unter dessen Obhut - so lautet ein Vorwurf Boldts - auf den Job des Sportvorstands spekuliert habe.

Boldt untersagte Mutzel erst den Zugang zur Spielerkabine und setzte seinen leitenden Angestellten dann (mitten in der Transferperiode) vor die Tür, wogegen Mutzel klagte. Am Dienstag sahen sich die beiden vor Gericht wieder - und Mutzel bekam Recht. Der Ex-Sportdirektor ist, zumindest vorläufig, wieder Sportdirektor. Nur: Was bringt's ihm? Geld für neue Spieler hat der HSV offenbar keines mehr, weil der Klub sein Stadion vor der EM 2024 für viele Millionen in Schuss bringen muss.

Nächstes Ärgernis hinter den Kulissen: Der HSV-Aufsichtsrat hat jüngst einen Ausgabenstopp verhängt

Dabei hatte der Finanzchef Wüstefeld laut Boldt ursprünglich mal ein Transferbudget von zehn bis 15 Millionen Euro zugesichert, damit - endlich, endlich - die Rückkehr in die Erstklassigkeit gelingt. Aufgrund der unklareren Finanzlage hat der HSV-Aufsichtsrat aber jüngst einen Ausgabenstopp verhängt, weshalb Boldt und Trainer Walter stinksauer sind und manch einer sogar Verrat wittert: Wollen da etwa Leute die sportlichen Ziele torpedieren, um bald schon ein paar Schlüsselpositionen neu zu besetzen?

Ach ja, der Investor und HSV-Fan Klaus-Michael Kühne mischt übrigens auch noch mit. Er zahlt viel Geld für die Namensrechte am Volksparkstadion und wäre prinzipiell dafür, dass der HSV seine Heimspiele bald im Uwe-Seeler-Stadion austrägt. Entscheidend sei aber, so zitiert Bild aus einem Schreiben Kühnes an den Klub, ob die "schwache Vereinsführung" den Vorschlag aufnimmt. Zyniker könnten nun anmerken: Gut, dass sich Seeler das alles nicht mehr antun muss. Dieser HSV ist einfach zu kaputt.

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