HandballDer Alltag kommt dazwischen

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Anziehend: Coburgs neuer Trainer Anel Mahmutefendic hat das Interesse der Leute geweckt.
Anziehend: Coburgs neuer Trainer Anel Mahmutefendic hat das Interesse der Leute geweckt. (Foto: Noah Wedel/Imago)

„Es müssen alle Rahmenbedingungen stimmen“: Für sein Ziel, zum dritten Mal in die Handball-Bundesliga aufzusteigen, muss der HSC Coburg in harten Zeiten einen Umweg nehmen.

Von Sebastian Leisgang

Es ist schon über sechs Wochen her, aber Jan Gorr hat die Szene noch präsent. Beim jährlichen Helferfest, ein paar Tage vor dem ersten Heimspiel der neuen Saison, waren es nicht die Ehrenamtlichen, sondern die Spieler des HSC Coburg, die hinter der Essensausgabe standen und Würstchen servierten. Und bei diesem Rollentausch, als „die Jungs in die Schürzen geschlüpft“ sind, wie Gorr es formuliert, da sollte den Helfern auch die neue Einlaufmusik vorgestellt werden. Und zwar nur den Helfern – Gorr beobachtete aber, wie sich zwei, drei Fans in die Halle schlichen. „Das waren keine Helfer, sondern normale Zuschauer. Die haben einfach mal reingelinst, weil sie neugierig waren“, sagt Coburgs Geschäftsführer.

Als Gorr, 46, die Geschichte erzählt, muss er lachen. Es war Mitte September, die Saison jung, und Coburg weckte das Interesse der Leute. Die neue Einlaufmusik, eine neue Mannschaft mit vielen jungen Spielern, ein neuer Trainer in Anel Mahmutefendic, der aus Gummersbach gekommen ist, das zog die Fans an. Und jetzt, nach den ersten neun Spielen, ist Coburg Zweitliga-Neunter. Vier Siege, zwei Unentschieden, drei Niederlagen. Mittelmaß, Durchschnitt, grau. Oder etwa nicht?

Beim ersten Blick auf die Tabelle mag das so wirken, aber Gorr stellt klar: „Vor der Saison gab es schon den einen oder anderen Skeptiker, weil die Mannschaft sehr jung ist, aber die Jungs haben ihnen den Wind aus den Segeln genommen.“ Die Coburger sind zwar Neunter, aber mit einem Sieg mehr wären sie Dritter. Gorr sagt deshalb: „Ich bin gerade ein bisschen verschnupft, aber nicht im übertragenen Sinne – nur wegen der Jahreszeit.“

Die Nase läuft, aber die Sache mit Mahmutefendic und dem neuen Team eben auch. Generell sei er zufrieden, wie sich die ersten Wochen anlassen, betont Gorr, aber allzu große Sprünge dürfe man noch nicht erwarten. Mehr als die halbe Liga streitet sich ja um die ersten Plätze. Zu diesem Kreis der Anwärter will Coburg zwar schon gehören, es ist aber nicht so, dass sie beim HSC offen von der Bundesliga sprechen würden.

Als die Oberfranken zuletzt erstklassig waren, stießen sie recht schnell an Grenzen und stiegen als Letzter wieder ab. Nun sind sie bereits in ihrem vierten Zweitliga-Jahr. Die Bundesliga ist zwar schon das Ziel, aber eben mittelfristig. Im Grunde also erst morgen, nicht schon heute. Nur: Ist das nicht das, wovon die Verantwortlichen schon vor ein paar Jahren gesprochen haben?

„Das ist schon ein schmaler Grat, auf dem wir personell unterwegs sind“, sagt Gorr

„Wir haben das schieben müssen“, erklärt Gorr und kommt dann unter anderem auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu sprechen. Es seien harte Zeiten, in denen es nicht gerade leicht sei, Sponsoren zu finden. Deshalb habe man die Mannschaft verjüngt und gebe sich nun Zeit. „Um aufzusteigen, müssen alle Rahmenbedingungen stimmen: das Finanzielle – und du brauchst ein eingespieltes Team, das Erfahrung hat“, sagt Gorr, „das war unser großes Plus, als wir aufgestiegen sind.“

2016 und 2020 war das, doch derzeit haben sie das in Coburg nicht. Vielmehr ist es so, dass Felix Jaeger, Jan Schäffer und Arkadiusz Ossowski verletzt fehlen, drei Spieler, die der Mannschaft Halt geben, wenn sie auf dem Parkett stehen. „Das ist schon ein schmaler Grat, auf dem wir personell unterwegs sind“, sagt Gorr. Die Umstände hat zwar beispielsweise Janis Pavels Valkovskis genutzt, ein junger Rückraumspieler, der sich zum besten Coburger Torschützen aufgeschwungen hat. Aber beim Blick aufs große Ganze wird klar, dass der HSC auf seinem angepeilten Weg in die Bundesliga mal wieder einen Umweg nehmen muss.

Erst der Umbruch, dann Verletzungen: Es ist der Alltag, der dazwischenkommt und nun Geduld und Nachsicht erfordert. Vor diesem Hintergrund will Gorr gar nicht schwarzmalen, im Gegenteil. „Die Liga ist so ausgeglichen, ich weiß gar nicht, wer den zweiten Abstiegsplatz belegen soll“, sagt der Geschäftsführer. Nicht, dass Coburg befürchte, in den Tabellenkeller hineinzuschlittern, aber was Gorr damit sagen will: Es gibt keine Selbstverständlichkeiten – schon gar nicht, wenn es um einen Aufstieg geht.

„Wenn man sich den Abstand zur Tabellenspitze anschaut, dann sieht man: Das ist schon in Sichtweite. Damit das aber die ganze Saison über so ist, müssen wir schnell lernen und Erfahrungen sammeln im Zusammenspiel“, sagt Gorr. Die bisherigen Eindrücke, die die Mannschaft hinterlassen hat, nennt er „ganz ordentlich“. Ein Prädikat, das nach einer 3+ klingt. Es liegt also schon noch Arbeit vor den Coburgern, aber davor ist Gorr nicht bange. Im Großen und Ganzen gibt die Mannschaft ja eine annehmbare Figur ab – nicht nur in Schürzen, wenn das jährliche Helferfest ansteht.

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