Süddeutsche Zeitung

Baseball:Tricksereien mit der Mülltonne

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Von Christopher Gerards, München

Zu den kurioseren Aspekten in dieser Geschichte über abgefangene Handzeichen im Baseball gehört eine Mülltonne. Sie stand, so schreibt es der Chef der Baseballliga MLB in einem neunseitigen Statement vom Montag, nahe der Bank der Houston Astros. Und sie hatte wohl einen sportlichen Zweck: Durch Auf-die-Tonne-Hauen oder Nicht-auf-die-Tonne-Hauen sollen Spieler neben dem Platz mit Spielern auf dem Platz kommuniziert haben. Sie gaben demnach nach Videoansicht an, was für einen Wurf ihr Schlagmann vom Gegner zu erwarten hatte. Kein Schlag auf die Tonne: hieß meist, dass ein harter Wurf kam. Ein oder zwei Schläge auf die Tonne: langsamere Würfe.

Sign stealing - so nennen sie im Baseball, wenn die Kommunikation zwischen Werfer und Fänger vom Gegner ausspioniert wird. Die Major League Baseball, die US-Liga, bestrafte am Montag die Houston Astros, die mit Hilfsmitteln Sign stealing betrieben haben sollen. Es geht um die Saison 2017 und Teile der Saison 2018. Nicht allein wegen des Vergehens an sich ist die Sache brisant, sondern auch, weil die Astros 2017 die World Series - also den Titel - gewannen. Es sei "unmöglich zu bestimmen, ob das Vorgehen die Ergebnisse auf dem Feld beeinflusste", schreibt Ligachef Robert D. Manfred in seinem Statement. Aber: "Die Annahme von manchen, dass es das tat, verursacht erheblichen Schaden für das Spiel."

Als Konsequenz suspendierte die Liga den General Manager der Astros, Jeff Luhnow, und Cheftrainer A.J. Hinch für ein Jahr - beide entließ der Klub am Montag. Zudem müssen die Astros fünf Millionen Dollar Strafe zahlen. Die Astros dürfen darüber hinaus bei den Drafts (also der jährlichen Talenteauswahl) 2020 und 2021 erst ab der dritten Runde mitmachen.

Um Sign stealing zu verstehen, muss man etwas über die Rolle des Werfers im Baseball wissen. Dieser kann den Ball ganz unterschiedlich schmeißen, sei es knallhart, sei es mit Effet. Seine Entscheidung für einen Wurf hängt auch davon ab, was ihm sein Fänger per Handzeichen signalisiert. Wer diese Handzeichen sieht, weiß also Bescheid über den kommenden Wurf.

Die Tradition des Zeichen-Ausspionierens ist lang im Baseball, und die Praxis ist grundsätzlich nicht verboten. Erkennt ein Spieler auf dem Platz die Signale mit dem bloßen Auge und gibt das weiter an seinen Schlagmann, dann ist das zum Beispiel okay. Nicht erlaubt aber ist, elektronische Hilfsmittel zu verwenden.

Die Astros sollen zwei Methoden verwendet haben

Anlass für die Untersuchung gegen die Astros war ein Medienbericht des Portals The Athletic vom November. Der Werfer Mike Fiers, früher bei den Astros, und anonyme Quellen berichteten darin von unerlaubten Vorgängen. Die Liga sprach daraufhin mit 68 Zeugen, wertete E-Mails und Textnachrichten aus, schaute sich Videos und Fotos an. Manfreds Statement zufolge hatten die Astros zwei Methoden. Einerseits das Auswerten per Kamera in einem Raum, in dem Klub-Mitarbeiter Schiedsrichterentscheidungen überprüfen konnten. Zunächst habe ein Spieler die Informationen Richtung Bank weitergetragen, später sei dies per Telefon erfolgt, manchmal auch per Nachricht auf Smartwatch oder -phone. Später in der Saison sei die zweite Methode dazugekommen: ein Monitor nahe der Bank samt Einsatz der Mülltonne.

Schon im Herbst 2017 waren die Boston Red Sox beim Zeichenlesen und -weitergeben per Hilfsmittel aufgeflogen - sie hatten Smartwatches genutzt. Die Folge: eine Geldstrafe. Den MLB-Klubs wurde laut Manfred seinerzeit nochmals mitgeteilt, dass elektronische Hilfsmittel nicht erlaubt sind. Man werde Regelverletzungen künftig "äußerst ernst" nehmen. Manager und Trainer würden bei Verfehlungen die Konsequenzen tragen. Die Astros aber sollen weiter den Video-Raum und den Monitor nahe der Bank genutzt haben, um Zeichen zu entschlüsseln. Trotz eines weitergehenden Hinweises der Liga an die Klubs hätten die Astros auch für einen Teil der Saison 2018 den Video-Raum fürs Dekodieren genutzt. Schließlich hätten die Spieler die Praxis nicht mehr für effektiv gehalten.

Ligachef Manfred bezeichnete die Vergehen zwar als getrieben und ausgeführt von Spielern. Nur Alex Cora (bei beiden Methoden) als Teil des Trainerteams und einfache Angestellte (bei der Methode mit dem Video-Raum) seien involviert gewesen. Jedoch seien General Manager und Cheftrainer dafür verantwortlich, dass die Spieler die Regeln verstehen und einhalten. General Manager Luhnow gab in einem Statement an, nichts von Regelverletzungen gewusst zu haben. Hätte er von Fehlverhalten gehört, hätte er es beendet. Laut Manfred soll er indes etwas gewusst, der Sache aber nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet haben. Trainer Hinch teilte mit, er habe - ohne beteiligt gewesen zu sein - die Praxis nicht unterbunden, was ihm sehr leid tue. Der Astros-Besitzer soll nichts von der Causa gewusst haben.

Ins Visier der Liga gerieten kürzlich auch die Boston Red Sox, die 2018 den Titel holten. Sie sollen 2018 erneut Handzeichen auf unerlaubte Weise abgefangen haben. Die Liga untersucht dies. Auch den Boston-Trainer könnten drastische Sanktionen treffen: Es ist der frühere Astros-Mitarbeiter Cora.

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SZ vom 15.01.2020
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