Horrorstart der Ski-WM:Lindsey Vonns Fahrt endet im Hubschrauber

Tina Maze of Slovenia reacts after learning that her competitor Lindsey Vonn of the U.S. did not complete the race, during the women's Super G race at the World Alpine Skiing Championships in Schladming

Schreckensmoment: Die Slowenin Tina Maze, Siegerin des ersten WM-Rennens, beobachtet den schweren Sturz ihrer Rivalin Lindsey Vonn.

(Foto: REUTERS)

Kreuzbandriss, Innenbandriss, Bruch des Schienbeinkopfes: Lindsey Vonn, Favoritin auf den WM-Sieg im Super-G, stürzt schwer und erleidet eine schlimme Knieverletzung. Siegerin wird ihre große Konkurrentin Tina Maze.

Von Jonas Beckenkamp

Am Anfang war der Nebel. Eine graue Wand hing tief über der Strecke am Berg Planai in Schladming, dabei hätte hier doch ein bedeutendes Skirennen stattfinden sollen. Der Start der 42. alpinen Ski-WM musste verschoben werden - wieder und wieder. Epische 13 Mal. Bald ist es so weit, hieß es dauernd, ehe dann erneut nichts pasierte. Der Super-G der Frauen drohte im Nebel zu versinken. Klare Sicht war vor allem im Mittelteil des Hanges nicht gewährleistet, weshalb die Veranstalter zunächst im Viertelstundentakt neue Anfangszeiten vermeldeten: 11.15 Uhr, 11.30 Uhr, 11.35 Uhr - es ging immer so weiter.

Mit über 100 Stundenkilometern jagen die Athletinnen den Berg hinunter - wer sich das beim Betrachten der Piste am Dienstag vorstellte, dem musste zwangsläufig schwindelig werden. Zu sehen war auf einigen hundert Metern: nichts. Und so warteten oben im Starthäusschen gespannt die beiden deutschen Medaillenhoffnungen Maria Höfl-Riesch und Viktoria Rebensburg auf ihren Auftritt. Sie harrten aus, bis es schließlich doch noch los ging. In einer Disziplin hatten sich beide in diesen Tagen auf jeden Fall medaillenverdächtig präsentiert: im Tiefstapeln.

Für die beiden Olympiasiegerinnen ist die Weltcup-Saison nur mäßig verlaufen - gemessen an den Erfolgen der Vergangenheit könnten Miesepeter sogar von einem verhunzten Jahr sprechen. Favoritinnen im Super G seien sie nicht, versicherten Höfl-Riesch und Rebensburg - mit gedämpften Erwartungen lässt es sich eben leichter überraschen. Und so wanderte der Favoritenkelch weiter in Richtung Lindsey Vonn und Tina Maze, den beiden dominantesten Skifahrerinnen dieses Winters. Und zu Anna Fenninger, jener kleinen Österreicherin, die in ihrer Heimat längst als "Stockerl"-Kandidatin in den Skihimmel geschrieben wurde.

Es wurde dann ein höchst seltsamer Wettbewerb, der von Unterbrechungen und Ausfällen geprägt war - am schlimmsten erwischte es Lindsay Vonn, die nach einem üblen Sturz schwer verletzt ins Krankenhaus musste, während Tina Maze mit einem der wenigen gelungenen Läufe des Tages den Titel gewann. Die Schweizerin Lara Gut und die Amerikanerin Julia Manucso landeten dahinter auf dem Podest.

Und die Deutschen? Mussten ihre Ambitionen vorerst begraben: Rebensburg wurde Siebte, Höfl-Riesch schied nach einem Fahrfehler aus. "Ich war heute ruhig bis zum Ende. Das ist unglaublich. Mir fehlen die Worte," sagte eine überglückliche Maze. "Auch wenn die Bedingungen nicht optimal waren, aber ich fand das Rennen regulär." Weniger erfreut war Höfl-Riesch: "Ich weiß selbst nicht genau, wie das passiert ist", sagte die 28-Jährige, sie bekannte aber: "Das war eher ein Problem von mir." Ihr sei es nicht gelungen, "die Konzentration zu halten und bei der Sache zu bleiben", vor allem auch nach dem Unfall von Vonn. Enttäuscht sei sie trotzdem, sagte Höfl-Riesch, sie betonte allerdings mit einem Lächeln: "Ich bin erst mal froh, dass ich an einem so verrückten Tag heil unten angekommen bin."

Als mit der Österreicherin Nicole Schmidhofer die erste Läuferin des Tages ins Tal sauste, dürften sich einige Zuschauer im Zielbereich erst einmal die Augen gerieben haben - es kamen nach der ewigen Warterei also tatsächlich Skifahrerinnen den Hang hinunter. Wer hätte das noch gedacht? Die Bedingungen schienen trotz etwas Nieselregen zu passen, den günstigen Augenblick vor dem angekündigten Schneefall wollte die Rennleitung nutzen und so ergab sich die Möglichkeit für einen Blick auf den Rest der Konkurrenz.

Es führte zunächst die Slowenin Ilka Stuhec, der auf der feuchten Piste ein energischer Lauf gelungen war, als plötzlich wieder alles still stand. Ein Streckenhelfer war beim Reparieren der Piste gestürzt und musste abtransportiert werden. Es war alles einigermaßen kurios, aber an Zeitverzögerungen hatten sich zu diesem Zeitpunkt ja bereits alle gewöhnt. Als die Dinge endlich weiterliefen, fegte Lara Gut furios den Berg Planai herunter und setzte überlegen eine neue Bestzeit - sollte auch die Schweizerin bei der Medaillenvergabe mitreden? Es sah so aus, auch wenn oben noch die geballte Weltspitze mit den Skiern scharrte.

Vonns schlimme Fahrt

Dann folgte die Fahrt von Rebensburg: Sie hatte in dieser Saison immerhin schon einmal im Super G gewonnen, so dass ihr durchaus etwas zuzutrauen war. Doch die junge Kreutherin kämpfte mit der klebrigen Piste und ein paar übriggebliebenen Nebelschwaden - sie landete trotz passabler Fahrt zunächst nur auf Platz drei, den sie jedoch postwendend verlor, denn mit Fabienne Suter fuhr die zweite Schweizerin weit nach vorne. Nun kam die Zeit für die große Show von Tina Maze. Die Weltcup-Führende ließ sich von den Schwierigkeiten nicht beirren und legte eine Klassefahrt hin. Als die Topfavoritin auf Gold ihm Ziel war, lag sie vor Gut und Suter.

Ernsthafte Konkurrenz drohte jetzt nur noch von Höfl-Riesch, Fenninger und Vonn. Die Amerikanerin war als nächste dran - und sie ereilte ein schlimmer Sturz. Etwa in der Mitte des Hanges verlor sie nach dem sogenannten Posersprung das Gleichgewicht und rauschte mitten durch ein Streckentor. Ihr Außenski war verkantet, das Knie hatte sich tückisch verdreht und die 28-Jährige schied schreiend vor Schmerzen aus.

Wieder einmal hatte es Lindsey Vonn erwischt, die gerade erst vier Wochen wegen einer Magen-Darm-Erkrankung pausiert hatte. Davor hatte es Wirbel gegeben um ein Interview Vonns, in dem sie mitteilte, über Jahre unter Depressionen gelitten zu haben. Nun verband sich das Unglück Vonns mit dem Unglück dieser Veranstaltung. Vonn musste ins Krankenhaus, zuerst wollte niemand sagen, was wirklich passiert war. Doch gegen 19 Uhr kam die Bestätigung vom amerikanischen Mannschaftsarzt Kyle Wilkens: Kreuzband gerissen, Innenband gerissen, Schienbeinkopf gebrochen. Diese Saison ist für Vonn beendet, doch sie woll im kommenden Winter wieder dabei sein und auch bei den Olympischen Spielen in Sotschi.

Das Rennen war mit Maria Höfl-Riesch weitergegangen, doch die lange Unterbrechung zeigte Wirkung: Nach gutem Start verlor sie die Kontrolle und fuhr an einem Tor vorbei - alle heimlichen Hoffnungen hatten sich zerschlagen, die Garmischerin schied verägert aus. Und Fenninger? Die Lieblingsfrau vieler Österreicher startete nach Höfl-Riesch und war vielleicht auch abgelenkt durch Vonns Maleur: Erst verhakte sie sich auf der Piste, dann geriet sie in dichten Nebel (inzwischen auch wieder da) und schließlich verfehlte auch sie ein Tor.

Es war das Aus für die dritte Topfahrerin hintereinander bei diesem schwierigen Rennen - schon längst schienen die wechselhaften Bedingungen Einfluss auf den Ausgang genommen zu haben. Julia Mancuso, die zweitbeste Amerikanerin, schaffte es noch, ein kleines Highlight zu setzen, sie fuhr mutig und fehlerfrei - und landete auf Platz drei.

Und weil so viele Athletinnen bereits ausgeschieden waren, reihte sich auch Veronique Hronek nahtlos ein. Die junge Deutsche hatte fulminant begonnen und lag glänzend auf Kurs, als auch sie an einem Tor vorbeizischte - Lena Dürr immerhin schaffte es in Ziel, sie wurde 30. Richtig gefährlich wurde es vorne nicht mehr, so dass Tina Maze letztlich überlegen Gold gewann. In einem Rennen, das unter ziemlich fragwürdigen Konditionen stattfand.

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