Honda:Schämen in Tokio

Der japanische Motor von McLaren genügt den Ansprüchen der Rennserie nicht. Die Fahrer sind die Leidtragenden - und die Entschuldigungen aus Japan beruhigen niemanden mehr.

Von Elmar Brümmer, Sotschi/München

Stoffel Vandoorne ist ein talentierter Rennfahrer, das muss man in den Geschichten über ihn derzeit vorwegnehmen. Schaut man nur auf die Startaufstellung des vierten Saisonrennens in Sotschi, steht dort eine 20 hinter dem Namen des Belgiers, der seine erste Saison in der Formel 1 absolviert: Er startet als Letzter. Doch das ist nicht seine Schuld. Sondern der nächste Beweis für ein Debakel.

Vandoorne, 25, wurde im Qualifying Siebzehnter. Doch er wird in Sotschi mit einer Rückversetzung um 15 Startplätze bestraft, weil er schon den fünften Turbo-Motor benötigt. Vier Motoren darf jeder Formel-1-Rennfahrer in 20 Rennen einsetzen; verbraucht er mehr Einheiten des Antriebsstrangs, dann kassiert er Strafen. Honda bekommt die Probleme mit seinem Fabrikat nicht in den Griff. Der Saisonstart des McLaren-Teams und seines Motorenlieferanten ist ein Debakel. Und der Belgier ist ein Leidtragender.

"Unglaublich", sagt sein Teamkollege Fernando Alonso, der in vier Rennen nicht einmal ins Ziel gekommen ist und in Sotschi als Fünfzehnter startet. So einen schweren Karrierestart wie nun Vandoorne habe selten ein junger Rennfahrer durchmachen müssen. Das Branchenblatt autosport kommentierte: "Verschwendetes Talent". Vandoorne selbst sagt tapfer, er glaube nicht, dass er bisher besonders zu leiden hatte. Doch das ändert nichts daran, dass der japanische Motor weder von seiner Leistung noch von seiner Zuverlässigkeit her den Ansprüchen in der Königsklasse genügt. Das Vertrauensverhältnis ist nicht bloß erschüttert, es scheint nachhaltig gestört.

Sochi Autodrom Sochi Russia Sunday 30 April 2017 Fernando Alonso McLaren walks away from his

Frühes Ende eines Arbeitstages: Honda-Pilot Fernando Alonso kehrt noch vor dem Start des Grand Prix in Sotschi ohne sein Auto an die Box zurück.

(Foto: imago)

"Sie sind doch keine Anfänger mehr", mault Fernando Alonso

Ein Leistungssprung beim Harakiri-Motor scheint nicht in Sicht, auch wenn Neuerungen für den Europastart in zwei Wochen in Barcelona und für Anfang Juni in Montréal versprochen wurden. Doch die 82 Runden bei den letzten Testfahrten, bei anderen Teams Normalität, bei Honda gefeiert, scheinen nicht mehr als ein Strohfeuer zu sein. "Sie sind doch keine Anfänger mehr", mault Alonso, der eigentlich zu McLaren gewechselt war, um in der Kombination mit Honda endlich zum dritten Mal Weltmeister zu werden: "Wir können nicht noch zwei oder drei Jahre warten, es braucht eine Lösung binnen der nächsten Monate. Unser Auto wäre gut genug, um in die Top Ten zu fahren." In Bahrain hatte der 35-Jährige getobt: "Ich bin noch nie in meinem Leben mit so wenig Power gefahren..."

Projektleiter Yusuke Hasegawa kann jeden Satz in den Medienrunden nur mit einer Entschuldigung beginnen, die Scham ist ihm anzusehen. Über den Winter hatte man in Tokio einen komplett neuen Sechszylinder konzipiert: "Wir haben keinen kompletten Fehler gemacht, das Konzept stimmt, die Richtung ist die richtige." Zur Saisonmitte werde man Besserung sehen. Um das Versprechen halten zu können, hat man bereits den Schweizer Motorenguru Mario Illien als Berater verpflichtet, offenbar wurde auch beim Rivalen Mercedes um Nachhilfe in den Bereichen Elektronik und Hybrid angefragt. Die Formel 1 inszeniert sich momentan als Schicksalsgemeinschaft, da fällt das ungewöhnliche Hilfeersuchen vielleicht sogar auf fruchtbaren Boden. Im Vorjahr hatte der Branchenprimus schon Renault mit seiner Expertise geholfen, und sogar Personal nach Paris abgestellt.

Least McLaren bald wieder Stuttgarter Motoren?

F1 Grand Prix of Russia - Previews

Das Nachwuchstalent Vandoorne gibt sich stoisch: Er glaube nicht, dass er bisher besonders zu leiden hatte, sagt der Belgier.

(Foto: Dan Istitene/Getty Images)

McLaren seinerseits hat bereits Gespräche mit Mercedes geführt, ob man nicht in Zukunft wieder Stuttgarter Motoren leasen könne. Diese Paarung hatte es schon von 1996 an gegeben, sie war mit WM-Titeln von Mika Häkkinen und Lewis Hamilton gekrönt worden - dann allerdings zerbrochen. Die Frage eines Partnerwechsels hängt auch davon ab, wie dieser finanziert werden kann. Rechtlich ist es so, dass McLaren für dieses Jahr noch einen Exklusivvertrag mit den Japanern besitzt. Genau darin liegt ein Teil des PS-Mankos begründet. Denn Honda ist nicht nur als Spätstarter ins Hybridzeitalter der Königklasse gekommen, als Solo-Ausrüster fehlten auch wichtige Anhaltspunkte und Vergleichswerte zur Weiterentwicklung, die andere Hersteller von ihren Kundenteams erhalten.

In der kommenden Woche müssen die Motorenlieferanten der Formel 1 ihre Partner-Rennställe für 2018 benennen. Es wird erwartet, dass das Schweizer Sauber-Team mit Honda-Power an den Start geht, falls McLaren wieder auf Mercedes etwas werden sollte. Tapfer verbittet sich Projektleiter Yusuke Hasegawa den Vergleich mit dem Honda-Werksteam von 2008, das wegen jahrelanger Erfolgslosigkeit dichtgemacht und an Ross Brawn verschenkt wurde, der mit Mercedes-Leihaggregaten im Jahr drauf gleich Weltmeister wurde: "Dass wir damals aus der Formel 1 ausgestiegen sind, hat Honda bei der technologischen Aufholjagd massiv geschadet. Deshalb müssen wir länger dabeibleiben."

Und McLaren? Die Briten behelfen sich inzwischen mit sarkastischen Überschriften bei den eigenen Bulletins: "Mal sehen, was wir morgen wieder lernen werden", stand über der ersten Nachricht aus Sotschi. Und nach dem Qualifying, das die Chancenlosigkeit bestätigte, lautete die Überschrift: "Wir werden versuchen, das Beste aus jeder Gelegenheit im Rennen zu machen." Etwas anderes bleibt ihnen ja gerade auch nicht übrig.

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