Süddeutsche Zeitung

Homosexualität im Frauenfußball:"Eine Festlegung ist total albern"

Bei den Männern undenkbar, bei den Frauen fast Normalität: Ein paar Monate vor der Heim-WM outen sich deutsche Fußball-Nationalspielerinnen als homo- oder bisexuell. Zuletzt die beiden Torhüterinnen.

Was bei den Männern derzeit noch unmöglich scheint, ist bei den deutschen Fußball-Frauen fast schon Normalität: Im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Deutschland (26. Juni bis 17. Juli) brechen immer mehr Nationalspielerinnen eines der letzten Tabus und outen sich als homo- oder bisexuell.

Zuletzt gingen die beiden Torhüterinnen in die Offensive. Nadine Angerer bekannte sich offen zu ihrer Bisexualität, Ursula Holl machte die Heirat mit ihrer Lebensgefährtin öffentlich. "Ich gehe vollkommen entspannt mit dem Thema um. Ich persönlich bin da offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette Männer und nette Frauen gibt, und weil ich eine Festlegung generell total albern finde", sagte Angerer dem Zeit-Magazin.

Für Holl war allerdings erst ihre Heirat der Anlass zum Outing. "Wenn ich nicht geheiratet hätte, wäre ich mit meiner Homosexualität nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Das ist ja meine Privatsache. Aber der Schritt in die Ehe war bewusst gewählt. Darum habe ich auch kein Problem damit, wenn alle Welt davon erfährt", erklärte die 28-Jährige der Bild-Zeitung.

Durch den offenen Umgang mit diesem sensiblen Thema haben Angerer und Holl dazu beigetragen, dass das Getuschel hinter vorgehaltener Hand über das Thema Sexualität langsam verstummt. Dafür sorgt auch der liberale Standpunkt von Nationaltrainerin Silvia Neid. "In dieser Hinsicht kann jede Spielerin machen, was sie will", sagte die DFB-Trainerin über die Outings ihrer Schützlinge. Für Neid steht das persönliche Glück ihrer Spielerinnen im Vordergrund. "Ob Mann oder Frau, das ist völlig egal", sagte die 46-Jährige, die ohnehin genug von den Vorurteilen der Vergangenheit hat. "Früher hieß es immer, dass die Fußballerinnen lesbische, dicke Weiber sind", erklärte Neid: "Aber jetzt sind wir 30 Jahre weiter."

Die Frauen sind mittlerweile so weit, dass sie den Männern hinsichtlich des offenen Umgangs mit der Sexualität um Lichtjahre voraus sind. "Dass sich schwule Fußballer outen sollen, halte ich immer noch für problematisch", sagte Holl: "Der Fan im Stadion kann grausam sein. Diese öffentlichen Anfeindungen wären nur schwer auszuhalten. Ich würde keinem Fußballer raten, sich zu outen." Ähnlich sieht es Neid: "Wenn man sich im Männerfußball outen würde, wäre das nicht witzig. Bei den Fans bei den Männern geht es anders zu."

Solche Probleme haben die Frauen nicht. Für Manager Siegfried Dietrich vom siebenmaligen Meister 1. FFC Frankfurt ist die Sexualität der Spielerinnen unwichtig. "Wie jemand orientiert ist, spielt in meinen Beurteilungen in keinster Weise eine Rolle", sagte Dietrich: "Mir sind die Fußballerinnen sympathisch, weil sie selbstbewusst und offen sind. Wer darüber reden möchte, soll das doch tun. Ich finde, man kann mit diesem Thema entspannt umgehen."

Von Spekulationen über einen höheren Anteil homosexueller Fußballerinnen im Vergleich mit anderen Sportarten hält Dietrich nichts. "Diese Frage stellt sich für mich nicht. Beim Fußball ist das wie in jeder anderen Mannschaftssportart auch", erklärte der Funktionär: "Ich glaube, man hat da in den Anfängen des Frauenfußballs das eine oder andere hineininterpretiert, weil am Anfang der Frauenfußball unter dem Stichwort der Emanzipation geführt wurde und die Entwicklung sportlich etwas holprig war."

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