Süddeutsche Zeitung

Hollands spätes 2:0 gegen Chile:Robben rennt den Chilenen davon

Vorsicht vor diesen sagenhaften Holländern: 77 Minuten lang mühen sich Arjen Robben und seine Kollegen, dann knacken sie Chiles Beton-Abwehr. Nach dem 2:0 und dem dritten Sieg in Serie schließt die Elftal die Gruppe B verdient auf Platz eins ab.

Von Peter Burghardt, São Paulo

Brasilien musste erst noch spielen am Montag in Brasília gegen Kamerun und sich um den Sieg in Gruppe A bemühen - es war nicht klar, gegen wen die Seleção letztlich im Achtelfinale antreten muss. Chile oder Holland, diese beiden Vorrunden-Größen blühten dem WM-Gastgeber, doch welcher war nun eigentlich der stärkere? Die Antwort: Holland. Die Elftal gewann zur brasilianischen Mittagszeit in São Paulo durch Tore der Reservisten Leroy Fer und Memphis Depay 2:0 (0:0) gegen die Südamerikaner.

Die Niederländer wussten, dass schon etwas Außergewöhnliches passieren musste, damit es zu einem frühen Duell mit dem WM-Gastgeber kommen. Das dürfte auch den Brasilianern recht sein, sie waren 2010 in Südafrika gegen Holland ausgeschieden. Gegen Chile dagegen hatten sie bei der WM meistens gewonnen. "Wir haben unseren Job gemacht", sagt Arjen Robben, der beste Holländer. Und Chiles Jorge Valdívia glaubt: "Ein Spiel gegen Brasilien würde sehr kompliziert für uns - und für Brasilien."

Jedenfalls waren die Brasilianer informiert, wer ihnen als Erster oder Zweiter begegnen würde, das ärgerte Louis van Gaal schon vorher. "Das ist kein Fairplay", schimpfte Hollands Trainer, "das ist nicht gut, das ist lächerlich." Lächerlich fand Brasiliens Trainer Luiz Felipe Scolari die Meinung seines Kollegen und vieler anderer. Seiner Ansicht nach müsse "dumm sein oder bösartig", wer einen Verdacht habe. Ebenfalls unrecht war van Gaal die Gelbsperre seiner Stürmers und Wortführers Robin van Persie, den der bald 34-jährige Dirk Kuyt von Fenerbahce Istanbul vertreten durfte.

Dennoch wollte Van Gaal "Gruppenerster sein, um einen theoretisch leichteren Weg zu haben. Das hat nichts mit Brasilien zu tun, sondern mit allem, was danach ansteht". Das sahen die Chilenen ähnlich, für den diesmal pausierenden Arturo Vidal war dies "ein Finale".

Das klang vielversprechender als sonst vor einem Match zweier qualifizierter Teams. Obendrein schien bei diesem ersten Mittagsspiel in der Arena Corinthians die Sonne aus dem Himmel über São Paulo auf Teile des ramponierten Rasens und der Tribüne, darauf leuchteten orange gekleidete Spieler und Fans aus Holland und weiß gekleidete Spieler und eine enorme Menge rot gekleideter Fans aus Chile.

Wie ein rauschendes Duell begann die Partie allerdings nicht, da waren beide Teams bei ihren ersten beiden Einsätzen zielstrebiger gewesen. Die erste Gelegenheit ließ bis zur 21. Minute auf sich warten, Felipe Gutiérrez verpasste sie und köpfte auch kurz vor der Pause zu hoch, was sicher nichts mit seinem Vertrag beim niederländischen Ehrendivisionär FC Twente zu tun hatte.

Alexis Sánchez, beim FC Barcelona hochbegabter Mitstreiter der Wunderkinder Neymar und Messi, ließ sich nur zweimal im Strafraum fallen, das interessierte den souveränen Schiedsrichter Bakary Gassama aus Gambia vernünftigerweise nicht. Weniger klar lag der Fall, als Sánchez im Strafraumreck in vollem Lauf über Hollands Jasper Cillessen flog (63.), aber vielleicht hatte Gassama auch da recht.

In der Nachspielzeit stürmt Robben auf und davon

Wenn es beim Gegner stürmisch wurde, dann war meistens Arjen Robben im Ball, er durfte van Persies Binde übernehmen, was ihm gut stand. Nach einer guten halben Stunde flankte der Münchner von Rechts, Verteidiger Stefan de Vrij köpfelte über das Ziel hinaus. Dann nahm sich Robben die Kugel am Mittelkreis und rannte damit wie so oft bei dieser WM über den halben Platz, zog wie üblich nach links und schoss knapp rechts vorbei. Müde wird dieser dribbelnde, flankende und schießende Dauerläufer anscheinend kaum, trotz dieser umfangreichen Saison.

Es fiel dennoch auf, dass van Persie fehlte, der dreimalige Torschütze. Kuyt spielte eine andere Rolle, Sneijder war ein Schatten. Leroy Fer ersetzte ihn kurz vor Schluss, und Memphis Depay kam für Jeremain Lens. Beides sollte sich bald lohnen. Eine holländische Hereingabe stieß der Mittelfeldmann Fer von Norwich City nach kraftvollem Sprung ins Netz, es war sein erster Ballkontakt. 1:0, 77. Minute, da hatten der Schütze und sein Trainer van Gaal alles richtig gemacht.

Die Chilenen gingen mehr in die Offensive als ihr Rivale, aber sie kamen nicht so in Fahrt wie gegen Australien und vor allem Spanien - ihr argentinischer Trainer Jorge Sampaoli verbesserte immerhin die Stimmung unter den brasilianischen Zuschauern, in dem er Jorge Valdívia einwechselte, Idol des Klubs Palmeiras São Paulo. Der sagenhafte Robben spurtete dann nach einem Konter links Richtung Grundlinie und passte scharf in die Mitte, wo der eingewechselte Depay stand, zum 2:0 vollendete - und endgültig die Gefahr eines zu schnellen Treffens mit Brasilien bannte.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2014/jbe
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