Holger Stanislawski beim 1. FC Köln:Melodramatik verschleiert Gründe für den Abschied

"Nicht ansatzweise Gedanken, irgendeinen Klub im Sommer zu übernehmen": Holger Stanislawskis Rücktritt als Trainer des 1. FC Köln scheint nicht zum gängigen Karrierestreben im Profifußball zu passen. Er hat mit dem Klub trotz wenig Geld einen sportlichen Umbruch bewältigt und war bei den Fans beliebt - die wahren Beweggründe für seinen Abschied bleiben unverständlich.

Von Philipp Selldorf, Köln

Holger Stanislawski wird jetzt wieder in den Norden gehen, zurück "zu den Fischgesichtern", wie Werner Spinner, der Präsident des 1. FC Köln, scherzhaft bemerkte, was immerhin anzeigt, dass sich Trainer und Klub nicht in Bitternis und Zwietracht trennen.

Aber er kehrt nicht in die Heimat zurück, um Werder Bremen zu trainieren oder einen anderen Klub, der ihm etwas Besseres bietet als der rheinische Zweitligist. Solcherlei Absichten wurden natürlich reflexhaft vermutet, nachdem am Wochenende die überraschende Mitteilung kam, dass Stanislawski seinen Posten als Trainer in Köln aufgibt. Dieser Rücktritt scheint jedoch nicht ins gängige Schema des Karrierestrebens im Profifußball zu passen. Vorerst hat der 43-jährige Coach keine anderen Pläne gefasst, als den FC "aus der Ferne zu beobachten und ihm wahnsinnig die Daumen zu drücken". Er mache sich "nicht ansatzweise Gedanken, irgendeinen neuen Klub im Sommer zu übernehmen", versicherte Stanislawski, und das sollte man ihm auch glauben.

Warum also ist der beim Publikum beliebte und respektierte Trainer zurückgetreten? Die Verantwortlichen im Geißbockheim rätseln ebenfalls darüber. Der FC hat die meisten der Ziele erreicht, die er sich vor der Saison gesteckt hatte, und diese Reformvorhaben waren nach den fortgesetzten Störfällen und Peinlichkeiten im Abstiegsjahr wahrhaftig groß genug: Es ging darum, mit deutlich reduzierten Mitteln einen heftigen sportlichen Umbruch zu bewältigen; den zerstrittenen Verein zu einen; die Geldgeber zu versöhnen; die frustrierten Fans zurückzugewinnen und eine Verbindung zu den Fundamentalisten in der Kurve herzustellen, um die in den vergangenen Jahren übliche Randale einzudämmen.

Scheitern in himmlischem Frieden

All das ist gelungen. Zwar verliefen die vergangenen Wochen enttäuschend, weil die Mannschaft es nicht schaffte, ihre Chancen zu nutzen und den 1. FC Kaiserslautern vom dritten Platz zu vertreiben. Aber niemand hatte ernsthaft mit dem Aufstieg in die erste Liga gerechnet, das Verpassen der Relegationsspiele hat keinen Schock und vergleichsweise bescheidene Kritik ausgelöst. Gemessen an den üblichen Kölner Verhältnissen war es ein Scheitern in himmlischem Frieden. 4000 Fans begleiteten die Mannschaft zum bedeutungslosen letzten Saisonspiel nach Ingolstadt, es herrschte nicht nur wegen des 3:0-Siegs eine ansteckend ausgelassene Stimmung.

"Eine Schonfrist gibt es nicht mehr im kommenden Jahr"

Stanislawski wurde trotzdem zuletzt von der dunklen Ahnung ergriffen, dass am Wegesrand Gefahren lauern, die sich nicht beherrschen ließen. Der Verein hat die Rückkehr in die erste Liga zum Ziel gesetzt, eine Schonfrist gibt es nicht mehr im kommenden Jahr. "Ich will nicht durch meine Person dieses wichtige zweite Jahr gefährden. Weil ich weiß: Wenn es nicht rund läuft, dann wird direkt wieder durchgeladen und dann geht's direkt wieder los. Diese Mannschaft braucht Ruhe und positiven Rückhalt, sie muss sich von Anfang an auf dieses wichtige Ziel konzentrieren", sagte er im Laufe seiner Abschiedsrede in Ingolstadt. Dass sein Team den dritten Platz verpasste, dafür müsse er die Verantwortung tragen, betonte er: "Das ist ein Fakt. Punkt. Wir hätten die Spiele für uns entscheiden können, aber wir waren nicht in der Lage dazu."

Außer der verletzten Offiziersehre gab es allerdings auch andere Empfindsamkeiten. So fand es Stanislawski "schockierend, wie unter der Gürtellinie gegen meine Person vorgegangen wurde, das war schon heftig". Wem er diese Schläge unter die Gürtellinie anlastete, erläuterte er nicht, und womöglich wäre es sinnvoll gewesen, wenn er vor seinem Rücktrittsbeschluss mit einem seiner vielen Amtsvorgänger gesprochen hätte, die weit größeren Zumutungen durch die öffentliche Meinung ausgesetzt waren.

Bei Büskens gibt es offenbar Konkurrenten

Alles in allem wirkte das, was Stanislawski vortrug, etwas zu melodramatisch und wehleidig, um seine Beweggründe zu verstehen, und das war dann wohl auch der Grund dafür, warum sein Rücktritt keine lähmende Wehmut in der Klubführung auslöste. "Wir müssen das respektieren, da hilft auch keine Vertragsverlängerung oder Geld oder was auch immer. Stani ist ein Mensch mit Werten, diese Entscheidung hat er getroffen", sagte Präsident Spinner.

Man hat dem Trainer seine ehrbaren Motive abgenommen und hochachtungsvoll konstatiert, dass er ohne die Erwartung an eine Abfindung das Haus verlässt, aber man ist auch zügig darangegangen, eine Nachfolgeregelung zu treffen. Am liebsten würden die Kölner ihre Mannschaft (die durch den Mainzer Ivanschitz verstärkt werden soll) und das Projekt Aufstieg Mike Büskens überantworten, aber es gibt offenbar Konkurrenten. Nicht bei den Fischgesichtern in Bremen, wie oft spekuliert wird, sondern wohl in Düsseldorf, wo Büskens geboren wurde.

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