Holger Badstuber beim VfB:Der kurioseste Spieler der Bundesliga

VfB Stuttgart - RB Leipzig

Immer noch leidenschaftlicher Zweikämpfer: VfB-Verteidiger Holger Badstuber (l.) gegen Leipzigs Yussuf Poulsen.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
  • Holger Badstuber zeigt beim VfB Stuttgart immer wieder, dass er noch Weltklasseaktionen beherrscht.
  • Doch Badstubers Spiel sieht man auch an, dass er eine fürchterliche Krankenakte mit sich trägt.
  • Eine Saison hat der frühere Münchner in Stuttgart ordentlich gespielt - jetzt könnte er ins Ausland wechseln.

Von Christof Kneer

Wer Holger Badstuber im Trikot des VfB Stuttgart verfolgt, darf sich auf ein exquisites Seherlebnis freuen: Zum selben Preis gibt es mehrere Fußballspieler auf einmal zu sehen. Wenn Badstuber zum Beispiel den Ball und etwas Raum hat, darf man immer noch eine Weltklasseaktion erwarten, einen Diagonalball etwa, der exakt an der Stelle runterkommt, an der er runterkommen soll.

Muss Badstuber ins Kopfballduell, gibt es ebenfalls Top-Qualität zu sehen, man erlebt einen Spieler mit gutem Timing und robusten Ellenbogen. Wagt es aber ein Spieler, auf Badstuber zuzudribbeln, dann könnte es sein, dass man es bis auf die Tribüne knirschen hört, weil Badstuber, der alte Ritter, erst mal wenden muss in seiner schweren Rüstung. Und falls irgendwer in der Liga ein Sprintduell gegen den 39-jährigen Claudio Pizarro verlieren sollte, dann könnte es sein, dass es sich dabei um Holger Badstuber handelt.

Badstuber, 29, ist der kurioseste Spieler der Bundesliga. Man weiß nie, welche Version von ihm gerade am Ball ist. In Badstubers Spiel ist in Spurenelementen immer noch jener Badstuber enthalten, der bei der EM 2012 ein größeres Versprechen zu sein schien als Mats Hummels, sein Nachbar in der Innenverteidigung der Nationalelf. Badstuber sei "auf dem Weg zu Piqué", schwärmte Bundestrainer Jogi Löw damals in Anlehnung an den (damals) großen spanischen Verteidiger.

Aber gleichzeitig sieht man Badstubers Spiel eben auch diese fürchterliche Krankenakte an: Kreuzbandrisse, Muskelsehnenriss, Muskelriss, Bruch des Sprunggelenks - kein Wunder, dass Badstubers Körper inzwischen hin- und hergerissen ist. Der Körper zickt manchmal, wenn er über- oder fehlbelastet wird, die Adduktoren kriegen dann schlechte Laune und zwingen den Besitzer des Körpers zu einer Pause; gleichzeitig weiß der Körper aber auch, dass er nichts besser kann als Fußball spielen, und das will er dann auch, immer und mit allen Ansprüchen, die dazugehören.

Es ist nicht leicht, über die Zukunft zu entscheiden, wenn man Holger Badstuber ist. Und genauso schwer fällt die Entscheidung, wenn man Badstubers Verein ist. Welchen Badstuber soll man bewerten, soll man sich an den immer noch vorhandenen Höhen orientieren oder eher an den neuen Ebenen? Im Sommer endet der Einjahresvertrag beim VfB Stuttgart, noch haben Verein und Spieler nicht konkret über eine Weiterbeschäftigung verhandelt, aktuell deutet sich eher eine Trennung an. Es wäre das Ende einer ungewöhnlichen, weil gegenseitigen Erste-Hilfe-Aktion.

Rom könnte ein Ziel für Badstuber sein

"Für beide Parteien war das bisher eine Win-win-Saison", sagt Stuttgarts Sportchef Michael Reschke, der anfangs ausgesprochen skeptisch war wegen dieser Personalie, die noch sein Vorgänger Jan Schindelmeiser abgewickelt hatte. Heute räumt Reschke gerne ein, "dass das gemeinsame Jahr beiden unglaublich gut getan hat, dem Spieler und dem VfB". Badstuber hat dem VfB seine Routine und seine Wettkampfhärte zur Verfügung gestellt, und seine Mitspieler haben manchmal gestaunt, mit welch nicht zu kränkendem Selbstbewusstsein dieser Typ auch nach einem Fehler einfach weitergespielt hat.

Und der VfB hat Badstuber eine Bühne hingestellt, auf der er sich stabilisieren und wieder ins Rampenlicht spielen konnte. Badstuber habe durchaus wieder einen Markt, hat Reschke festgestellt, als Interessent gilt vor allem Lazio Rom, ein Klub, der auf ablösefreie Profis spezialisiert ist.

Wer einmal so weit oben war wie Badstuber, der kann vermutlich nicht mehr anders: Badstuber sieht und fühlt sich trotz gelegentlichen Rüstungsknirschens als Champions-League-Spieler, und er kann dann schon auch ungemütlich werden, wenn ein VfB-Trainer ihn mal auf die Bank setzt (wie Hannes Wolf) oder auf eine falsche Position schiebt (wie Tayfun Korkut).

So gesehen, könnte die Win-win-Saison nun auch ihr Win-Win-Ende finden: Badstuber darf dann nächstes Jahr in Rom oder anderswo Europacup spielen, und kein VfB-Trainer muss sich mehr ums Betriebsklima sorgen, wenn er die Innenverteidigung den 22-jährigen Benjamin Pavard und Timo Baumgartl anvertraut. Oder wenn er diesen Pavard zum Abwehrchef ernennt, der ein mindestens so großes Versprechen ist, wie es Holger Badstuber einmal war.

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