Süddeutsche Zeitung

Hoffenheims 2:0-Sieg:Der Zweitbeste schlägt den Besten

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Domenico Tedesco kennt sich aus bei der TSG Hoffenheim. Knapp zwei Jahre trainierte er den Nachwuchs der TSG, bevor er letzten Februar das Risiko einging, und lieber Aue den Klassenverbleib in der zweiten Liga sichern wollte, als weiter Talente in Nordbaden auszubilden. Das Debüt im Profifußball im Erzgebirge gelang dem erst 32 Jahren jungen Mann so überzeugend, dass ihn im Sommer der FC Schalke verpflichtete. An diesem Samstag kehrte Tedesco nun erstmals als Bundesligatrainer zurück nach Hoffenheim - und musste hinterher eine 0:2-Niederlage seiner Schalker erklären.

Auf dem Podium des Pressekonferenzraums in der Sinsheimer Arena hatte er zuvor noch nie gesessen und war dann vor Beginn seiner Analyse doch ein wenig überrascht über die Scheinwerfer, die auf ihn gerichtet waren. "Oh, die sind aber hell", sagte Tedesco. Dann konzentrierte er sich und begann seine Rede, wie man eigentlich einen Brief beginnt. "Lieber Julian", sagte Tedesco und blickte kurz hinüber zum Mann der rechts neben ihm saß, und den er gut kennt.

So gut wie in diesem Jahr ist die TSG Hoffenheim noch nie gestartet

Julian Nagelsmann ist noch zwei Jahre jünger als Tedesco, aber die grellen Schweinwerfer der Bundesliga schon länger gewohnt. Seit 19 Monaten trainiert Nagelsmann die erste Mannschaft der TSG Hoffenheim, zusammen mit Tedesco absolvierte der ehemalige Nachwuchstrainer den Lehrgang zum Fußballlehrer. Tedesco schnitt als Bester ab, Nagelsmann als Zweitbester. Das erste Spiel der beiden einstigen Weggefährten gegeneinander in der Bundesliga gewann nun Nagelsmann. "Nicht verdient", wie er nach den höflichen Glückwünschen Tedescos zugab. Aber mit 14 Punkten aus sechs Spielen darf Nagelsmann nach dem 21. Heimspiel ohne Niederlage in Serie einen weiteren Rekord feiern: So gut ist die TSG noch nie in eine Saison gestartet.

Der Sieg gegen Schalke war allerdings ein Kraftakt, der auch deshalb zustande kam, weil Schalke in der zweiten Halbzeit mehrfach klare Chancen zum möglichen 1:1-Ausgleich vergab: Flügelstürmer Jewgen Konopljanka traf nur die Latte (49.), und der eingewechselte Guido Burgstaller schoss zwei Mal knapp am Tor vorbei (56., 82.). Die Partie war erst entschieden, als Lukas Rupp in der Nachspielzeit dem Führungstreffer von Dennis Geiger (13.) das 2:0 folgen ließ; Schalkes Torwart Ralph Fährmann hatte den Ball nach einem langen Pass von TSG-Stürmer Mark Uth nicht getroffen.

Die Hoffenheimer feierten sich für ihre "außergewöhnliche Mentalität" (Kapitän Kevin Vogt), mit der sie den Vorsprung über die Zeit gerettet hatten. Es stimmt: Seit dem Amtsantritt von Nagelsmann gewinnt die TSG Punkte eher in engen Spielen, zuvor hatte sie Zähler in umkämpften Partien eher regelmäßig verloren. Erst vergangenen Mittwoch gelang den Hoffenheimern nach einem 0:2-Rückstand in der Nachspielzeit der 3:2-Siegtreffer in Mainz. Und auch in Leverkusen schafften sie jüngst nach Rückstand noch ein 2:2. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Hoffenheim in all diesen Spielen von der Abschlussschwäche der Gegner profitierte.

Nagelsmann glaubt, dass es sicher Phasen in dieser Saison geben werde, in denen seine Elf solche Spiele nicht gewinnen wird: "Aber wir nehmen die Punkte gerne mit, die kann uns keiner mehr nehmen." Mit dem Sieg gegen Schalke setzten sich die Hoffenheimer erst einmal in der Spitzengruppe der Bundesliga fest und verschafften sich angesichts der Dreifachbelastung in Liga, Pokal und Europapokal eine hervorragende Ausgangsposition vor den vielen englischen Wochen auf tiefen Böden im Herbst.

Die Terminhatz ist groß, und die hohe Belastung fordert auch schon Tribut. Abwehrspieler Ermin Bicakcic fällt mit einer Teilruptur des rechten Kreuzbandes im Knie in der Vorrunde aus. Kreativspieler Kerem Demirbay fehlt mit einem Muskelfaserriss sicher in den beiden kommenden Spielen vor der Länderspielpause am Donnerstag in der Europa-League bei Ludogorez Razgrad und in der Liga drei Tage später in Freiburg. Gegen Schalke humpelte zudem Achter Nadiem Amiri mit einer Fußprellung vom Platz.

Man könne in Phasen von hoher Belastung Spiele nicht nur mit fußballerischen Mitteln gewinnen, sagt Nagelsmann. Das Spiel gegen Schalke nannte er "kompliziert". Vielleicht auch, weil sich die beiden Trainer so gut kannten. Tedesco war übrigens gar nicht so missmutig. Viele Dinge würden in der Schalker Mannschaft nach sechs Spielen schon gut funktionieren, sagte er. Tedesco gab aber auch zu: "Ich hätte natürlich auch lieber 14 Punkte oder mehr." Dann drückten sich Tedesco und Nagelsmann noch einmal zum Abschied, bevor die Scheinwerfer ausgingen.

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SZ vom 24.09.2017/chge
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