Hoffenheim verliert 2:4:Achtung, Führung

1. FSV Mainz 05 v TSG 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Zu gerne hätte Trainer Julian Nagelsmann Hoffenheim zum dritten Mal in Serie in den Europapokal geführt, aber die Unfähigkeit der Mannschaft, Führungen in Siege umzumünzen, kostete den Erfolg.

(Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Ein Spiel wie die ganze Saison: Hoffenheim verliert nach 2:0 noch in Mainz und verspielt zum Abschied von Julian Nagelsmann einen Europapokalplatz. "Unerklärlich", sagt der Trainer - und wird trotzdem gefeiert.

Von Tobias Schächter, Mainz

Die Mainzer fuhren zur großen Abschiedsfeier alles auf, was Rang und Namen hat: Jürgen Klopp schickte via Video-Einblendung Abschiedsgrüße aus Liverpool für Stadionsprecher Klaus Hafner, der nach 30 Jahren zum letzten Mal die Fans des FSV zur "emotionalen Fettverbrennung" aufrief. Als Niko Bungert nach dem Spiel mit Tränen vor der Kurve nach elf Jahren als Profi "Adieu" sagte, sprach auch Thomas Tuchel aus Paris via Einspieler auf der Stadionleinwand dem Mainzer Kapitän seinen Respekt aus, genau wie Manuel Neuer, der mit Bungert beim FC Schalke in der Jugend zusammengespielt hatte. "Danke Niko, Danke Klaus", stand auf den T-Shirts, die alle Mainzer Spieler und Verantwortlichen trugen. Und auch das Spiel, ein 4:2 gegen Hoffenheim, passte zum Thema.

Die Gäste aus Hoffenheim führten bis zur 83. Minute und waren damit Tabellensiebter. Aber dann verabschiedeten sie sich von ihren Europapokalambitionen. Nach einem Fehler von Kerem Demirbay erzielte Jean-Paul Boetius den 2:2- Ausgleich für Mainz. In der Nachspielzeit trafen noch einmal Boetius (90.) und Jean-Philipp Mateta (90+3) zum Endstand. Am Ende dieser kuriosen Runde landet die TSG also auf Platz neun. Ein Hohn angesichts der Chancen, die diese Mannschaft während dieser Saison vergab. Zu gerne hätte Trainer Julian Nagelsmann die Badener zum dritten Mal in Serie in den Europapokal geführt, aber die zu oft zu bestaunende Unfähigkeit der Mannschaft, begeisternd herausgespielte Führungen in Siege umzumünzen, kostete den Erfolg. "In dieser Hinsicht war das Spiel heute ein Sinnbild für die ganze Saison", klagte Nagelsmann.

Es war seine Partie als TSG-Trainer. Am Sonntag räumt er sein Büro im Trainingszentrum in Zuzenhausen. Dann bereitet er sich mit Gesprächen mit Spielern auf seinen Wechsel zu RB Leipzig vor, bevor er in den Urlaub fährt. Nachdem er den Klub vor drei Jahren vor dem Abstieg gerettet hatte, schloss die TSG unter seiner Leitung die vergangenen Spielzeiten als Vierter und Dritter ab. Auch dafür wurde er von Hoffenheims Fans in Mainz nach dem Spiel mit lauten Sprechchören gefeiert, ebenso wie Kerem Demirbay und Nico Schulz, die unter Nagelsmann zu Nationalspielern wurden und nun zu größeren Klubs wechseln: Demirbay für 32 Millionen Euro nach Leverkusen, Schulz für 27 Millionen nach Dortmund.

"Julian hat den Verein und die Spieler auf ein höheres Niveau gebracht"

Noch viel mehr als die beiden Europapokal-Teilnahmen sei sein Vermächtnis, einen Kader hinterlassen zu haben, der 200 Millionen Euro Ablösesummen generieren kann und somit Arbeitsplätze und Bundesligazugehörigkeit garantiere, sagte Nagelsmann. "Julian hat den Verein und die Spieler auf ein höheres Niveau gebracht, er hätte es verdient gehabt, noch einmal in den Europapokal einzuziehen", ärgerte sich Torwart Oliver Baumann. Doch von Entschuldigungen der Spieler an ihn wollte Nagelsmann nichts wissen. Alle hätten die Chancen verspielt, nicht nur die Spieler - auch der Trainer. Und das habe nicht nur damit zu tun, dass Hoffenheim in den letzten vier Spielen nur einen Punkt holte: "Wir hätten die fehlenden Punkte auch in der Vorrunde holen können", sagte er.

Hoffenheim ist die Mannschaft der Liga, die die meisten Führungen verspielte und mit 27 Latten- oder Pfostentreffern den Ligarekord in dieser Kategorie aufstellte. "Es ist unerklärlich, wie wir manchmal nach Führungen aus dem Tritt kommen", kritisierte Nagelsmann. Das war auch in Mainz so, wo die TSG nach den Toren von Belfodil (12.) und Kramaric (34.) schon früh wie der sichere Sieger aussah. Doch nach der gelb-roten Karte nach zwei "dämlichen Fouls" (Nagelsmann) für den jungen Christoph Baumgartner (41.) nutzten die hochmotivierten Mainzer ihre Chance, dem Spiel in Überzahl eine Wende zu geben. Für Hoffenheim geht diese Saison unter der Überschrift "Verpasste Chance" in die Vereinshistorie ein. Leichtfertig hat diese Elf die Möglichkeit zur erneuten Champions-League-Teilnahme verspielt - und muss nun mit der Enttäuschung leben.

Am Ende sei Platz neun vielleicht aber auch eine normale Entwicklung für einen Klub wie Hoffenheim, meinte Nagelsmann, der ja unter anderem deswegen nach Leipzig wechselt, weil er sich dort bessere Chancen auf Titelgewinne verspricht. "Manchmal ist es ja auch nicht schlecht, wenn man wieder Hunger bekommt, als Spieler und als Verein", sagte Nagelsmann und fügte im Hinblick auf seinen Nachfolger Alfred Schreuder, derzeit noch Assistenzcoach bei Ajax Amsterdam, hinzu: "Für den neuen Trainer bietet das auch vielleicht die bessere Chance, etwas aufzubauen." Nagelsmanns Erbe ist groß in Hoffenheim, Rang neun nun aber keine zu große Belastung für Schreuder. In Leipzig hingegen legte Ralf Rangnick mit dem dritten Platz und dem Einzug ins Pokalfinale die Messlatte für Nachfolger Nagelsmann sehr hoch. Aber vor Herausforderungen hat der bekanntlich eher wenig Angst.

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