Süddeutsche Zeitung

Hoffenheim:Triumph mit Torklau

Die TSG Hoffenheim gewinnt in einem spektakulären Duell 4:1 gegen Leverkusen. Die Hoffenheimer dürfen wieder auf die Teilnahme am Europapokal hoffen.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Es ging auf Mitternacht zu, als Andrej Kramaric in den Katakomben der Arena der TSG Hoffenheim Ishak Belfodil im Vorbeigehen auf die Schulter klopfte. Er grinste wie ein Schüler, dem ein toller Streich gelungen war, auch Belfodil grinste. Die beiden Stürmer hatten nach dem 4:1 gegen Leverkusen allen Grund zur Freude. Hoffenheim kann wieder auf die Europapokal-Teilnahme hoffen, sieben Spieltage vor Saisonende beträgt der Rückstand auf Leverkusen nur noch einen Punkt.

Eine Niederlage hätte wohl das Ende des Traums von der dritten Europatour in Serie bedeutet. Die Erleichterung war riesig, TSG-Gesellschafter Dietmar Hopp schwärmte beim Gratulations-Gang in die Kabine von einem "sensationellen Spiel". Er übertrieb nicht: Hoffenheim gegen Leverkusen war eines der besten Duelle dieser Spielzeit. Die Erleichterung war vor allem groß bei Kramaric, denn Belfodil war ihm nicht böse - obwohl der Kroate dem Algerier ein Tor geklaut hatte. Zwei Treffer hatte Belfodil schon erzielt, als der Ball sich von seinem Fuß aus erneut unaufhaltsam auf den Weg ins Leverkusener Gehäuse machte. Doch kurz vor Überschreiten der Linie spitzelte Kramaric die Kugel mit den Zehennägeln zum vierten Hoffenheimer Treffer ins Netz. "Macht nichts", erklärte Belfodil generös: "Ich habe ihm ein Tor aufgelegt, er mir eins: Wir sind quitt."

Mit 47 Treffern ist Kramaric jetzt der beste Hoffenheimer Torschütze in der Bundesliga

Kramarics kesser Torklau hätte eine Randnotiz sein können, hätte er dadurch nicht Klubgeschichte geschrieben: Mit 47 Toren ist der fintenreiche Stürmer nun Rekordtorschütze der TSG in der Bundesliga, er löste den einstigen Freistoß-Experten Sejad Salihovic ab. Kramaric versprach, er lade nicht nur Belfodil zum Essen ein, sondern die gesamte Mannschaft. Er freute sich über Rekord und Sieg, aber ein bisschen haderte der 27-Jährige auch. Es sei zwar die Europa League noch drin, aber eigentlich müsse eine Mannschaft mit dem Potenzial der TSG doch wie im Vorjahr in die Champions League einziehen.

Es war für die Badener bislang tatsächlich eine Saison der verpassten Chancen. Sie haben so viele Punkte im Verlauf der Spielzeit verschenkt, dass sie diese gar nicht mehr zählen wollen. Gegen Leverkusen zeigten sie endlich jene Effizienz, die sie vorne wie hinten so oft haben vermissen lassen. Und das in einem Schlagabtausch, der die Zuschauer von Anfang an mitnahm. Kramaric meinte, solch erste zehn Minuten habe er in noch keinem Spiel zuvor erlebt. Es stimmte: Die Partie begann wie die Schlussphase eines umkämpften Knockout-Spiels. Bevor Kramaric Belfodil das 1:0 auflegte (9.), hätte Leverkusen eigentlich 2:0 führen müssen.

Doch TSG-Verteidiger Benjamin Hübner spitzelte Kevin Volland den Ball kurz vor dem Einschuss noch vom Fuß (2.); und der schnelle Leon Bailey vertändelte drei Minuten später eine große Chance. Fortan folgte das Duell einem rasanten Motto: Wer ist denn jetzt besser: ihr oder wir? Was garantiert die Hoheit: die Erhabenheit der Leverkusener Ausnahmetalente Kai Havertz und Julian Brandt - oder die Schlitzohrigkeit von Kramaric und Belfodil?

Ein wichtiger Einschnitt war die 26. Minute, als Leverkusens Rechtsaußen Karim Bellarabi, der nach einer Muskel-Sehnen-Verletzung für den Rest der Saison ausfällt, verletzt vom Platz humpelte. Durch die Einwechslung des zentralen Mittelfeldspielers Charles Aranguiz verschob sich die komplette Statik des Leverkusener Spiels. Havertz spielte fortan statt im Zentrum weiter rechts und verlor die Hoheit über das Geschehen. Zuvor hatte der 19-Jährige mit viel Ballbesitz und tollen Einlagen geglänzt. Dass der FC Bayern angeblich um diesen jungen Könner wirbt, wurde wieder einmal verständlich. Und nachdem auch Kapitän Lars Bender schon in Halbzeit eins der Rasanz der Partie Tribut zollen musste und verletzungsbedingt Mitchell Weiser wich (36.), war die Dominanz der Gäste Geschichte.

"Hoffenheim hat uns ausgekontert, wir sind etwas auseinandergedriftet", stellte Kevin Volland fest, der Torschütze des 1:1 (17.). Sein Trainer, der Niederländer Peter Bosz, zog frustriert sein Fazit: "Ich habe den Spielern nicht gesagt, schlecht zu verteidigen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4390657
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.04.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.