Nach dem überaus ereignisreichen 4:3 seiner Hoffenheimer gegen RB Leipzig wartete Mittelfeldspieler Tom Bischof, 19, mit einer interessanten Einlassung auf. Der neue Coach Christian Ilzer habe das Team vorher ermuntert, unbekümmert aufzutreten. „Wie Kinder, einfach Spielspaß haben und alles reinhauen. Ohne viele Gedanken.“ Und, na klar, „einen klaren Plan“ habe der Neue eben auch vermittelt. „Jeder wusste, was er zu tun hatte.“
Das trifft sich immer gut, zumal, wenn man es mit einem Gegner wie RB Leipzig zu tun bekommt, der am Samstag nicht zum ersten Mal genug Angriffsfläche bot, um einer neu motivierten und von Natur aus nicht unbegabten Mannschaft wie Hoffenheim ein Erfolgserlebnis zu verschaffen. Gleich drei Mal führten die Leipziger nach Toren von Willi Orban, Antonio Nusa und einem von Loïs Openda erzwungenen Eigentor von Stanley Nsoki – um dann doch noch 3:4 zu verlieren. Hoffenheims Siegtreffer kann als Blaupause herangezogen werden für die erstaunliche Schlampigkeit, mit der Leipzig an diesem Nachmittag agierte: Vor dem Kopfballtreffer von Jakob Bruun-Larsen war die Flanke von Anton Stach über 30 Meter in der Luft, ohne dass sich in der RB-Innenverteidigung die nötige Alarmbereitschaft eingestellt hätte.
Die Leipziger Defizite waren allerdings nur einer von vielen Faktoren beim viel umjubelten Hoffenheimer Sieg. Die im bisherigen Saisonverlauf oft so seltsam gehemmt wirkende Elf spielte unbekümmert und zielstrebig nach vorne. Und genau das hatte Ilzer mit seiner Aufforderung („wie die Kinder“) vorgeben wollen, wie er nach der Partie ausführte: „Ein Team, das länger nicht gewonnen hat, das eine schwierige Phase hinter sich hat, das muss man befreien. Ein schweres Herz leicht machen. Das Kind in sich wecken.“
Zu einer solchen Herangehensweise gehört Mut, am Samstag wurde der belohnt. Zumal auch Ilzers personelle Maßnahmen griffen, der nach eigener Auskunft stark „intuitiv“ arbeitet. Auf vier Positionen hatte der Mann, der zusammen mit dem Sportdirektor Andreas Schicker und seinem fast kompletten Staff zuletzt vom österreichischen Meister Sturm Graz abgeworben worden war, sein Team verändert. Und prompt traf in Adam Hlozek einer der Neuen sogar doppelt. Den vierten Treffer zum zwischenzeitlichen 2:2 steuerte Bischof mit einem tollen Freistoßtor bei.
Leipzig nährt gegen Hoffenheim den Verdacht, dass Erfolg und Schlendrian enge Nachbarn sind
Dass auch bei der TSG noch viel zu tun ist, dürfte Ilzer indes aufgefallen sein. Nicht nur beim ersten Leipziger Tor durch Orban, bei dem Nsoki nicht gut aussah, wäre mehr Konsequenz im Zweikampf kein Schaden gewesen. Doch das war am Ende auch den Zuschauern egal, die mit guter Laune nach Hause gingen. Mehr als 28 000 waren gekommen. Für Hoffenheimer Verhältnisse ist das viel – und ein Zeichen der Neugierde auf den neuen Trainer. Am Sonntag wurde derweil eine weitere Personalie verkündet. Tim Jost wird künftig die vierköpfige Geschäftsführung um Schicker, Frank Briel und Markus Schütz komplettieren. Der neue Marketingleiter kommt allerdings nicht aus Graz, sondern aus Bochum.
Auf der anderen Seite der Begegnung zwischen zwei massiv österreichisch geprägten Teams war die Stimmung derweil miserabel. Gleich dreimal hatte RB eine Führung aus der Hand gegeben und damit erneut einen Verdacht genährt, den das Team in dieser Saison noch nicht zerstreuen konnte. Auffallend oft schleicht sich bei den Hochbegabten der Schlendrian ein, wenn es gerade gut zu laufen scheint. Nach Führungstreffern also, oder nach dominanten Phasen. Dann fehlt, wie nun auch wieder in Sinsheim, die Konzentration im Zweikampf, die taktische Konsequenz und ganz allgemein die „Schärfe“, die Marco Rose in den kommenden Tagen wiederherstellen will. Der hatte nach eigener Aussage „das ganze Spiel über das Gefühl, dass wir nicht so im Spiel sind, wie wir das müssen und wollen“. Aus dem Mund eines Trainers ist das keine kritische Bemerkung mehr. Sondern Fundamentalkritik.
Hinweis der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Textes war ein falscher Torschütze genannt. Dies haben wir korrigiert.