Hoffenheim: Rangnicks Abschied:Bruchstelle im Musterdorf

Ralf Rangnick verlässt 1899 Hoffenheim, weil er andere Ziele hat als die Klubführung. Während der Trainer nach Höherem strebte, möchte Geldgeber Dietmar Hopp den Verein lieber solide und klein halten.

Moritz Kielbassa

"Mittelmaß ist kein Schimpfwort", sagte Ralf Rangnick Anfang 2010. Es klang fast so, als wollte sich der Trainer selbst davon überzeugen, dass mittlere Tabellenplätze für Hoffenheim keine Schande sind. Dort war die TSG gelandet, nach ihrem Raketenflug aus der Regionalliga bis auf Platz eins der Bundesliga. Die Erwartungen wuchsen in den Himmel, der Herbstmeisterschaft 2008 folgten harte Zeiten mit Orientierungsproblemen, auf dem Platz und in der Geschäftsstelle.

File picture shows Hoffenheim coach Rangnick leaving pitch following his team's German Bundesliga soccer match against Werder Bremen in Bremen

Abschied aus dem Dorf: Ralf Rangnick verlässt 1899 Hoffenheim - deutlich im Unfrieden.

(Foto: REUTERS)

Dass der Trainer jetzt traurig aufhört, nach viereinhalb bewegten Jahren, wirkt daher ironisch bis absurd, denn in der Hinrunde machte Hoffenheim dank eines Hausputzes im Sommer wieder vieles richtig und schuf für 2011 gute sportliche Grundlagen.

In Rangnicks Vita ist es der zweite ungewöhnliche Abschied nach jenem von Schalke 2005, mit einer kurios anmutenden Arena-Ehrenrunde. Viele kleine, nebulöse Dissonanzen führten im früheren Musterdorf zum Riss, letzter Tropfen ins Fass war jetzt der Verkauf Luiz Gustavos - nach einem Gespräch, zu dem Mäzen, Manager und Spielerberater nach München reisten, ohne den Trainer zu informieren.

Auf diesen rüden Vertrauensbruch reagierte der leitende Angestellte so konsequent, wie es den Handelnden eigentlich klar sein musste. Denn Rangnick mag im Arbeitsalltag oft unbequem sein. Er ist aber auch: immer emotional und ehrlich, bis zur Schmerzgrenze.

Bereits im Frühjahr dachte er an Rücktritt, doch die Verpflichtung eines Managers gegen seinen Willen (Thomas von Heesen) wurde verhindert. Anfangs war Rangnick bei der TSG ein sportlicher Generaldirektor mit weiten Befugnissen, es lief. Dann entstanden im wachsenden Klub viele kleine Kaiserreiche, Kompetenzen verschoben sich.

Der Trainer eckte intern oft an, auch beim anderen Charakterkopf im Dorf, Mäzen Dietmar Hopp. Der - ebenfalls ohne Absprache mit Rangnick - zum Geschäftsführer beförderte Manager Jan Schindelmeiser ging zwar, aber auch mit neuer Crew flammten zuletzt alte Meinungsverschiedenheiten auf. Rangnicks Kritiker, auch einige unzufriedene Spieler, lagen Hopp in den Ohren. Nun beschloss man die Trennung - in solider Gesamtlage.

Zur Bruchstelle wurde die ungeklärte Frage, was Hoffenheim eigentlich vorhat: Von einem gehoben mittelmäßigen Erstligisten zu einem guten zu werden? Mit dem Ziel Europa, das Trainer und Team längst hatten, um den Standort auch für Topspieler attraktiver zu machen?

Oder bleibt man bei allem Erfolgsstreben, wie Hopp sagt, ein eher "kleiner Verein", der mit seinem Talentkonzept auch Transferüberschüsse erzielen will? Hopp möchte nicht ewig private Millionen zuschießen, Rangnicks Expansions-Ehrgeiz erschien ihm daher immer einen Tick zu unbescheiden. Dabei darf sich der Trainer zu Gute halten, dass der Marktwert des Kaders in seiner Ära vervielfacht wurde und zwei verkaufte Brasilianer 2010 fast 40 Millionen in die Kasse spülten.

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