Dass es in der Sinsheimer Arena im Normalbetrieb lauter ist, als es manches Klischee suggeriert, wurde am Samstag überdeutlich. Beim dank dreier Treffer von Andrej Kramaric zustande gekommenen 3:2-Sieg gegen Kiel herrschte in der mit 18 500 Zuschauern gerade einmal halb vollen Arena eine Atmosphäre, die an den Sonderspielbetrieb zu Corona-Zeiten erinnerte. Doch dass die etwa 1500 Fans des Aufsteigers atmosphärisch ein Heimspiel hatten und jeder „Schauspieler“-Ruf von der Gegentribüne von den gegenüberliegenden Sitzplätzen aus glockenklar zu hören war, lag nicht am insgesamt geringen Zuschauerzuspruch.
Vielmehr machten die Hoffenheimer Ultras ihre Drohung wahr, aus Protest gegen die Klubpolitik für eine „tote Kurve“ zu sorgen und „auf unbestimmte Zeit auf Support, Choreos und sämtliche optische Unterstützung zu verzichten“ – eine darüber hinausgehende Eskalation blieb indes aus. Dass es eine solche geben könnte, hatte überraschenderweise die Klubseite gestreut, die ein paar Tage zuvor explizit vor einem von den eigenen Fans verursachten Spielabbruch gewarnt hatte. An diesem Samstag kam es nicht so weit. Und das hatte sich schon nach wenigen Minuten angekündigt, als hinter dem Tor eines von grob geschätzt vier Dutzend Transparenten hochgehalten wurde: „Den Spielabbruch wollt nur ihr allein, um nicht selbst der Depp zu sein.“
Hintergrund des kollektiven Schweigegelübdes ist die Kritik der aktiven Fans an der Entlassung von gleich drei Geschäftsführern, darunter Alexander Rosen, Leiter des Sport-Ressorts, der seit elf Jahren im Verein war und nicht nur den Ultras als Gegengewicht zu manchem Einflüsterer des Mäzens Dietmar Hopp galt. Das Transparent mit der Aufschrift „Disteln sind dem Esel lieber als Rosen“ durfte man so interpretieren.
Die Befürchtung, dass bei der TSG künftig Menschen ans Ruder kommen, deren Loyalität zu Hopp sehr weit oben im Anforderungsprofil steht, haben die Ultras im Übrigen nicht exklusiv. Auch ihre Einschätzung, dass Hopps Rückgabe der Stimmrechtemehrheit an den Verein die internen Machtverhältnisse nur vordergründig geändert hat, ist nicht aus der Luft gegriffen.
Vor dem Anpfiff defilieren Polizisten vor den Fans – deren Materiallager wird geräumt
Umso überraschender ist es, wie vehement Klub und Fanszene derzeit aufeinander eindreschen. Vor dem Anpfiff defilierten Polizisten vor dem Fanblock, das Materiallager der Fans wurde geräumt – auch als Reaktion auf niveaulose Transparente („Hopp, verpiss dich“), die sich gewiss merkwürdig lesen bei einem Klub, der ohne Hopp wohl in der Landesliga spielen würde. Zumindest das Statement der Gruppierung „Young Boyz 07“ klang allerdings etwas differenzierter. Man wisse um die Verdienste Hopps und sei sich bewusst, „was wir ihm zu verdanken haben“, liest man dort. Allerdings sei seine „Zeit um“. Der Verein, so heißt es politisch-zeitgeistig weiter, dürfe nicht „zu einem Marionettenspiel von alten weißen Männern verkommen“. Die Frage, ob das je anders war, könnten sich, nebenbei bemerkt, alle 18 Bundesligisten stellen.
Einem davon, Holstein Kiel, kann man nach dem ersten Bundesligaspiel der Vereinsgeschichte noch keine klare Prognose ausstellen. Nimmt man die ersten beiden Gegentore als Maßstab, fällt sie negativer aus als nach dem ansprechenden zweiten Durchgang. Vor dem ersten Hoffenheimer Treffer, einem von Andrej Kramaric verwandelten Elfmeter, hatte Kiels Keeper Timon Weiner einen kürzeren Weg zum Ball als Angreifer Marius Bülter, den er im Strafraum dann regelwidrig attackierte (6.).

Dem zweiten Kramaric-Treffer ging ein eher gemächlicher Hoffenheimer Angriff voraus, an dessen Ende der Kroate dennoch überraschend unbedrängt den Ball per Kopf ins Tor drücken konnte (37.). Künftig soll übrigens Haris Tabakovic, zusammen mit Robert Glatzel und Christos Tzolis mit 22 Treffern erfolgreichster Zweitligaschütze der abgelaufenen Saison, noch ein paar Tore mehr schießen. Der 30-Jährige, seit Freitagabend offiziell von der Berliner Hertha zur TSG gewechselt, saß beim Kiel-Spiel noch in Zivil auf der Tribüne. Am Sonntag gab Hoffenheim gleich noch eine Verpflichtung bekannt, von Viktoria Pilsen kommt Innenverteidiger Robin Hranac, er spielte zuletzt für Tschechien bei der EM.
Kiel agiert zunächst unbeholfen – hätte aber noch ein Unentschieden erreichen können
In den ersten 45 Minuten stellte sich Kiel nicht sonderlich clever an, steigerte sich aber im zweiten Durchgang in dem Maße, wie Hoffenheim sich der Akustik im Stadion anpasste. Wäre Keeper Oliver Baumann nicht mehrfach prima zur Stelle gewesen, wäre den Kielern wohl noch ein Unentschieden als Einstieg in die Premierensaison gelungen. Die Tore von Alexander Bernhardsson (73.) und Shuto Machino (89.) blieben so allerdings wertlos, weil Kramaric vor dem zweiten Kieler Tor seinen dritten Treffer erzielt hatte.
Immerhin geht der Schwede Bernhardsson als erster Bundesligatorschütze des KSV in die Geschichte ein – und somit in die Geschichte von Schleswig-Holstein, das einzige Bundesland, das bis zur Saison 2024/2025 noch nie einen Erstligisten gestellt hatte.