Hoffenheim:Mit Tarnkappe

Sandro Wagner erzielt um 13:36 Uhr das früheste Tor in der Bundesliga-Geschichte - trotzdem schafft die TSG nur ein 1:1 gegen Hertha.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Sinsheim Deutschland 17 09 2017 1 Bundesliga 4 Spieltag TSG 1899 Hoffenheim Hertha BSC Alex

Fast noch ein zweites Erfolgserlebnis für Alexander Esswein: Berlins Torschütze (im roten Trikot) schaut ebenso angespannt wie die Hoffenheimer Kontrahenten Pavel Kaderabek (hinten), Havard Nordtveit und Torwart Oliver Baumann. Foto: DeFodi/Imago

(Foto: imago/DeFodi)

"Alles Frühaufsteher" - die neckische Bemerkung angesichts von 27 243 Menschen in der Arena von Sinsheim hörte man am Sonntag seltsam oft vor dem Anpfiff der Partie der TSG Hoffenheim gegen Hertha BSC. Am vergangenen Donnerstag waren nur knapp 16 000 Zuschauer zum ersten Europa-League-Spiel der Hoffenheimer Vereinsgeschichte gegen Sporting Braga aus Portugal gekommen. Anpfiff war da allerdings um 19 Uhr, also zu fast nachtschlafender Zeit. Gegen Berlin feierte die TSG dagegen eine Bundesligapremiere: Anpfiff war am Sonntagmittag zum ersten Mal in der Ligageschichte um 13.30 Uhr. TSG-Torwart Oliver Baumann fühlte sich an seine A-Jugendzeit erinnert: "Frühstück und raus auf den Platz." Frühaufsteherfußball eben, aber ohne Sieger: 1:1 (1:0) hieß es am Ende. Als "gerecht" bezeichnete Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann das Ergebnis und teilte diese Meinung mit wohl jedem im Stadion.

Hertha-Torschütze Esswein gibt zu: "Im Nachhinein hat der Trainer Recht gehabt."

Für die Hoffenheimer passiert derzeit ja vieles in ihrer ersten Europapokal-Saison zum ersten Mal. Die zwei Niederlagen gegen den FC Liverpool waren die beiden ersten in der Champions-League-Qualifikation, das 1:2 gegen Braga bedeutete die erste Niederlage bei der Europa-League-Premiere. Am Sonntag verpasste die TSG es, mit einem Sieg zum ersten Mal in dieser Saison die Tabellenführung in der Liga zu erobern. Im insgesamt müden Spiel gegen die Hertha vermieden die in Halbzeit zwei abbauenden Badener immerhin die erste Niederlage. Das Remis im Rotationsgipfel der beiden Europa-League-Teilnehmer war für die Berliner verdient, sie nutzten die Schwächephase der Hoffenheimer zu Beginn der zweiten Halbzeit, Alexander Esswein erzielte den Endstand (55.).

Hertha-Trainer Pal Dardai hatte im Vergleich zum 0:0 gegen Bilbao am Donnerstag Vladimir Darida, Salomon Kalou und Vedad Ibisevic sowie Torwart Thomas Kraft zunächst auf die Bank beordert. Auch Nagelsmann hatte gegenüber der Startelf gegen Braga drei neue Feldspieler aufgeboten: Benjamin Hübner, Nadiem Amiri und Dennis Geiger. Den Glanzpunkt im ersten Durchgang setzte aber Sandro Wagner, der schon am Donnerstag gegen Braga getroffen hatte: Nach einer Flanke von Andrej Kramaric köpftelte er den Ball freistehend - als sei er durch eine Tarnkappe unsichtbar - ins Netz, in der sechsten Minute, um 13.36 Uhr. Weil noch nie ein Spiel so früh am Tag stattgefunden hat, darf sich Wagner nun als frühesten Torschütze der Ligageschichte bezeichnen.

Tore gegen Berlin bedeuten für den hünenhaften Mittelstürmer eine besondere Genugtuung. Vor zwei Jahren bei der Hertha ausgemustert und zum alleinigen Trainieren verdammt, schien seine Laufbahn in der Sackgasse zu sein. Aber der kampfstarke Spieler restaurierte seine Karriere zunächst in Darmstadt und im vergangenen Jahr in Hoffenheim, wo er zum Nationalspieler und Confed-Cup-Sieger aufstieg. Seine schlechten Erinnerungen an sein Ende in Berlin hinderten ihn aber nicht daran, am Sonntag ein fairer Sportsmann zu sein: Er machte Schiedsrichter Markus Schmidt drauf aufmerksam, dass er und nicht ein Berliner bei einem Kopfballduell in der Anfangsphase zuletzt am Ball gewesen sei: Statt Eckball für Hoffenheim gab es Abstoß für Berlin.

Nach einer Stunde nahm Nagelsmann den ausgelaugten Wagner von Platz und brachte Mark Uth, der am Wochenende zuvor mit zwei Toren der Matchwinner beim 2:0 gegen den FC Bayern gewesen war. Da stand es aber bereits 1:1 durch den Treffer von Esswein mit der Schulter nach Flanke von Marvin Plattenhardt (55.). Esswein hatte gegen Bilbao im Aufgebot gefehlt - sein Tor in Hoffenheim war also beste Werbung in eigener Sache. "Im Nachhinein hat der Trainer recht gehabt, auch wenn ich gegen Bilbao gern gespielt hätte", gab Esswein zu. Hertha-Coach Dardai konnte für sich reklamieren: "Die Rotation funktioniert."

Im Hoffenheimer Spiel kam es wie gegen Braga zu Beginn der zweiten Hälfte zu einem Bruch. Und war die Stimmung nach dem Sieg gegen den FC Bayern noch euphorisch, erlebten die Badener nun zwei Mal innerhalb von vier Tagen Tristesse im eigenen Stadion. Ob Spätschicht- oder Frühaufsteherfußball - die Hoffenheimer wirkten zuletzt nicht ausgeschlafen.

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