Julian Nagelsmann ballte einmal die Faust, da hatte er sich in der Coaching Zone der Sinsheimer Arena nicht mal richtig warmgelaufen. Zerrungen beim Fäusteballen gehören zu den eher seltenen Sportverletzungen, insofern hatte der Trainer der TSG Hoffenheim wenig zu befürchten, er jubelte so in sich hinein, um ihn herum waren die Auswechselspieler aufgesprungen, gut 30 Meter weiter lag der Ball im Tor von Manchester City: Führungstor nach 47 Sekunden. Da konnte man sich schon wundern. Doch ein Julian Nagelsmann weiß natürlich, dass man gegen ein Team von Pep Guadiola ein 1:0 nicht einfach so die restlichen 89 Minuten und 13 Sekunden plus Nachspielzeit verwalten kann. Also saß er bald wieder.
Nagelsmann und Guardiola, das war ein Zusammentreffen zweier besonderer Fußball-Versteher, die ihren Auftrag eher darin sehen, als Philosophen des schönen Spiels zu gelten, als bloße Erfolgsgeschichten ohne Ästhetik zu fabrizieren. Ein schönes Spiel wurde es dann auch tatsächlich, das am Ende 2:1 (1:1) für Manchester City endete: Belfodil traf in der ersten Minute, Agüero gelang in der 8. der Ausgleich, in der 87. rettete dann David Silva die Engländer. Mit einem Weiterkommen in der Champions League wird es für Hoffenheim nun eng, was weniger an der Taktik Nagelsmanns lag als an einem individuellen Fehler kurz vor Schluss.
Und vielleicht auch daran, dass bei der TSG alle Stammkräfte in der Abwehr verletzungsbedingt ausgefallen waren. So viele hochkarätige Alternativen hat der Klub dann doch nicht zur Verfügung.
Nicht nur deswegen durfte man sich vorab darauf einstellen, dass die Hoffenheimer eher im eigenen Strafraum anzutreffen sein würden, Nagelsmann hatte das angekündigt: "ManCity hat oft so 75 Prozent Ballbesitz, wenn wir auf mehr als 25 Prozent kommen, werden wir auch Chancen bekommen, Tore zu erzielen", hatte der 31-Jährige aus seiner Analyse des Premier-League-Führenden geschlossen. Dass er sein Team auf das Prinzip gezielte Attacke eingeschworen hatte, sah man wenige Sekunden nach dem Anpfiff: Da hatte Kerem Demirbay den Ball mittig auf den einlaufenden Belfodil durchgesteckt, der furchtlos zum 1:0 verwandelte. Nagelsmann stand, Guardiola saß auf der Bank.
Wenig später stand auch Guardiola bei seiner Rückkehr in eine deutsche Arena, da war gerade das 1:1 gefallen: Silva hatte mit einem hohen Ball aus der Mitte auf Leroy Sané auf der linken Seite geflankt, der den Ball auf Agüero zurückspielte, dieser netzte schließlich ein. Und dann folgte bis zum Halbzeitpfiff eine Partie, wie sie Nagelsmann prophezeit hatte: ManCity hatte den Ball, Hoffenheim lauerte auf Überfälle, vor allem über die rechte Seite in Form von Demirbay und Belfodil.
Hoffenheim kommt wenig an den Ball
Sechs Eckbälle hatten sich die Gäste allein in der ersten Hälfte erspielt und da wurde es naturgemäß brenzlig im Hoffenheimer Strafraum. Doch die TSG-Abwehr blieb wachsam und Torwart Oliver Baumann nutze diverse Gelegenheiten, sich auszeichnen. Zur Halbzeit kam Hoffenheim auf 32 Prozent Ballbesitz, was nach Nagelsmann-Interpretation ein Grund zur Zufriedenheit sein konnte - und der Druck lag ohnehin bei Guardiola.
Am ersten Spieltag der Champions-League-Gruppenphase hatte Hoffenheim 2:2 gegen Schachtjor Donezk gespielt, City hingegen verlor daheim überraschend mit 1:2 gegen Lyon. Und brauchte nun dringend ein Erfolgserlebnis, um sich weiter berechtigte Hoffnungen auf ein Weiterkommen zu machen. Auch in der zweiten Hälfte hielt die Guardiola-Auswahl den Ball, was allerdings so verhalten aussah wie es klingt: Plötzlich kam der Ball immer seltener in den Hoffenheimer Strafraum, die Abwehr des Bundesligsten schien Manchester City mürbe zu machen. Baumann leitete in der 59. Minute mit weitem Abstoß einen Konter ein, der Ball flog am hinausgelaufenen ManCity-Keeper Ederson vorbei, doch dann war Sané zur Stelle und klärte.
Der Nationalspieler war neben David Silva ohnehin der auffälligste Spieler der Engländer, in der 72. Minute tauchte er gefährlich im Strafraum auf, wurde von Baumann elfmeter-würdig von den Beinen geholt - Schiedsrichter Damir Skomina entschied sich allerdings gegen einen Strafstoß. Ilkay Gündogan war unauffällig geblieben und wurde in der 68. Minute ausgewechselt - bei seiner Vorstellung vor dem Anpfiff hatte er deutliche Pfiffe zu hören bekommen. Später stellten die Betreuer bei ihm eine Oberschenkel-Verletzung fest, weshalb ein Einsatz in den Länderspielen der DFB-Elf gegen Holland und Frankreich eventuell gefährdet ist.
Was dann folgte, war vor allem für Stefan Posch bitter: 87 Minuten hatte er gegen ManCity durchgestanden und dann bekam er den Ball einfach nicht aus dem Strafraum - nach einer Flanke von der linken Seite netzte schließlich David Silva zum 2:1 ein. Ein individueller Fehler, der Posch sichtlich wehtat, er fiel zu Boden, schlug sich die Hände auf den Kopf. In den restlichen Minuten kam Hoffenheim auf so viel Ballbesitz wie die ganze Partie nicht - genützt hat es nichts mehr.
