Hoffenheim:Mal Trickser, mal Giftzwerg

GES/ Fussball/ 1899 Hoffenheim - Schalke 04, 23.09.2017

Bühne frei für den 19-Jährigen: Dennis Geiger (Mitte) war gegen Schalke Hoffenheims Bester.

(Foto: GES/Helge Prang)

Dennis Geiger schießt sein erstes Bundesligator - und könnte in Hoffenheim bald zum Schlüsselspieler werden. Sein Trainer, Julian Nagelsmann, hält große Stücke auf ihn.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Wie Dennis Geiger sein erstes Bundesligator erzielte, sagt mehr über dieses große Talent aus als tausend Worte. Der 19 Jahre junge Mittelfeldspieler der TSG Hoffenheim täuschte 18 Meter vor dem Schalker Tor aus halblinker Position einen Schuss ins lange Eck an - um den Ball schließlich mit kalter Präzession und flach ins kurz Eck zu schießen. Es war die 1:0-Führung für die TSG nach 13 Minuten, und die Basis eines hart erkämpften Sieges, der erst mit dem 2:0 durch den eingewechselten Lukas Rupp in der Nachspielzeit feststand.

So gut wie noch nie ist die TSG mit nun 14 Punkten aus sechs Begegnungen in diese Bundesligasaison gestartet, seit 21 Heimspielen ist die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann ungeschlagen. Und auch das laut Nagelsmann "komplizierte Spiel" gegen Schalke führte die Elf zu einem guten Ende.

Milan Badelj aus Florenz war als Rudy-Ersatz zu teuer - doch in Panik verfiel deshalb niemand

Vielleicht war die Partie ja deshalb so anstrengend für Spieler und Zuschauer, weil sich die beiden jüngsten Trainer der Liga so gut kennen. Nagelsmann, 30, und Schalkes Coach Domenico Tedesco, 32, sind bekanntlich ehemalige Weggefährten, die sich einst im Hoffenheimer Nachwuchs kennenlernten und gemeinsam den Lehrgang zum Fußballlehrer absolvierten; Tedesco schloss damals als Bester ab, Nagelsmann als Zweitbester. Das erste Aufeinandertreffen der beiden in der Bundesliga ging nun auch deshalb an Nagelsmanns Hoffenheimer, weil Tedescos Schalker in der zweiten Halbzeit mehrere Großchancen zum Ausgleich vergaben. "Einen richtig guten Plan" attestierte Nagelsmann dem Kollegen: "Aber die Punkte nehmen wir natürlich gerne mit."

Die TSG spielt ja außer in der Bundesliga auch im DFB-Pokal und in der Europa-League, in der am Donnerstag der erste Sieg beim bulgarischen Vertreter Ludogorez Razgrad gelingen soll. Bei der Terminhatz der nächsten Wochen werden bislang eher unbekannte Spieler wie Geiger wohl noch mehr in den Fokus rücken, denn in Innenverteidiger Ermin Bicakcic (Teilruptur des Kreuzbandes) und Kreativspieler Kerem Demirbay (Muskelfaserriss) fallen zwei wichtige Akteure aus. Gegen Schalke humpelte zudem Nadiem Amiri mit einer Fußprellung verletzt vom Platz. Aber Nagelsmann vertraut seinen Spielern, schon 22 Profis kamen in den rotationsreichen letzten Wochen zu einem Startelfeinsatz. Geiger spielte in sechs Bundesligabegegnungen fünfmal.

Die Karriere des U 19-Nationalspielers begleitet Nagelsmann schon lange. Fast irritiert reagierte er vor Saisonbeginn auf die Frage, ob der junge Geiger denn ein vollwertiger Bewerber um die Sechserposition im Mittelfeld sei, wo nach dem Weggang von Sebastian Rudy zum FC Bayern eine Lücke herrschte. "Natürlich", antwortete Nagelsmann so kurz angebunden wie selten. Es ist nämlich so: Die Hoffenheimer trauen dem schmächtigen, nur 1, 72 Meter kleinen Techniker eine ähnliche Laufbahn zu, wie sie Niklas Süle und Amiri aus dem eigenen Nachwuchs eingeschlagen haben. Süle wechselte mit Rudy im Sommer nach München und ist A-Nationalspieler, Amiri wurde U 21-Europameister und hat bereits 70 Bundesligaspiele absolviert.

Die angedachte Verpflichtung des kroatischen Sechsers Milan Badelj vom AC Florenz als Nachfolger Rudys war den Badenern am Ende zu kostspielig. Dass sie anschließend nicht in Panik verfielen, hängt auch mit der Einschätzung von Geigers Fähigkeiten zusammen. Der gebürtige Mosbacher spielt seit der U 12 für die TSG. Noch steht der Junge in der Öffentlichkeit unter Welpenschutz, er soll Taten statt Worte sprechen lassen. Und das tut er beeindruckend. Wie bei seinem Tor ist er selten um eine überraschende Lösung verlegen, er agiert ball- und passsicher. Gegen Schalke standen nur drei Fehlpässe in Geigers Statistik. "Dennis hat nie Angst, einen Fehler zu machen", lobt Nagelsmann, der ja selbst das Risiko nicht scheut, und das Talent auch in Liverpool oder gegen den FC Bayern in der Startformation aufbot. Geiger scheint mit jedem Auftritt zu wachsen, gegen Schalke war er bester Hoffenheimer. Eigentlich ein Zehner, lernt er auf der Sechs aber nicht nur das schlaue Ballverteilen aus der Abwehr heraus. An Sechsern schätzt Nagelsmann besonders die Qualität, Konter des Gegners zu unterbinden. Und Geiger kann auch ein Giftzwerg sein.

Gegen Schalke grätschte, rempelte, ja, foulte er einige Male seine Gegenspieler, um gefährliche Überzahlsituationen für den Gast in der Hoffenheimer Hälfte zu verhindern. Geiger lässt sich nichts gefallen. Er spielt so, wie die TSG seit der Amtsübernahme von Nagelsmann im Frühjahr 2016 fast immer spielt: frech.

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