Hoffenheim:Komplimente vom Stradivari-Dirigenten

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Stark ersatzgeschwächte Hoffenheimer werden erst spät von ManCity bezwungen - Pep Guardiola lobt den Kollegen Nagelsmann.

Von Saskia Aleythe, Sinsheim

Als die Mikrofone ausgeschaltet und die Journalisten außer Hörweite waren, wurde es interessant zwischen Julian Nagelsmann und Pep Guardiola. Gerade hatten beide ihre Ansichten zum Spiel kundgetan, in getrennten Pressekonferenzen, einer nach dem anderen, 15 Minuten, letzte Frage bitte, schönen Abend noch! Nun begegneten sie sich ein paar Meter weiter im nicht-öffentlichen Bereich der Sinsheimer Fußball-Arena, und weil die Tür offen stand, sah man dann halt: einen Trainer, der mit dem anderen ins Gespräch kam - zwei Trainer, von denen man sagen konnte: Sie spürten, dass sie sich mehr mitzuteilen haben, als es die gebotene Höflichkeit vorsieht. Die Szene sah dann fast so aus wie zwei Dirigenten, die sich gegenseitig mal zeigen, welche Instrumente und Kompositionen sie so zusammenwerfen, um ein schönes Orchester zu formen.

Mal wackelte Pep Guardiola zackig mit den Handgelenken, wie es nur Pep Guardiola kann, um dann vermutlich eine Erklärung über Halbräume folgen zu lassen, da lauschte Nagelsmann gebannt. Mal setzte der 31-Jährige selber zum Händewackeln an, Guardiola - zweimaliger Champions-League-Sieger - nickte interessiert. Es war eine Szene, die für die Beobachter die naheliegende Vermutung zuließ, dass die beiden die selbe Leidenschaft und vielleicht sogar ähnliche Besessenheit verbindet.

Zwei Virtuosen im Konzert der Besten also - mit dem relevanten Unterschied, dass einer mit soliden Konzert-Geigen auftritt und der andere mit Stradivaris. Wobei beide wissen, dass Luxus-Instrumente allein noch keine Spitzenkonzerte ergeben - das hatte Guardiola am Dienstagabend gemerkt: Beim spät erzielten 2:1 (1:1) gegen die ersatzgeschwächte TSG Hoffenheim war seine Milliardentruppe von Manchester City nicht so viel besser, wie es der Marktwert hätte erahnen lassen.

Natürlich mag es da mehrere Lesarten dieses Spiels geben: Liebhaber des Ballbesitzfußballs von Guardiola werden anmerken, dass City das Spielgerät zu 66 Prozent in den eigenen Reihen halten konnte (Zauberwort: Dominanz!), dass durch allein sechs gefährliche Ecken in der ersten Halbzeit auch reichlich Glück für Hoffenheim dabei war, dass nicht mehr Gegentore gefallen sind - und dass ein doch recht eindeutiges Foul von TSG-Torwart Oliver Baumann an Leroy Sané (76. Minute) nicht mit Elfmeter geahndet wurde. Allerdings hatte Nagelsmann gar nicht vorgehabt, mit seinem Team den Ball zu besitzen, sondern Konterfußball als Mittel auserkoren.

"Das Tempo von ManCity hat jeder gesehen", sagte Nagelsmann später, "wenn du da extrem hoch verteidigst, gehst du ein zu großes Risiko ein." Also ließ er kontern - und nach nur 44 Sekunden stand es plötzlich 1:0 durch Ishak Belfodil, nach schönem Steilpass von Demirbay - in eine Schnittstelle der durchaus verwundbaren Abwehr aus Manchester.

Guardiolas Spiel hatte Nagelsmann nicht überrascht: 4-1-4-1, "dann haben sie umgestellt, klar auf einer Doppelsechs gespielt, wie sie es häufig machen", sagte er, und zwischendurch sah Nagelsmann aber auch im Offensivspiel seiner Hoffenheimer "sechs oder sieben Situationen, die brandgefährlich hätten werden können. Wir hatten genug Chancen, um gegen ein Weltklasseteam weitere Tore zu erzielen".

Die besten Konter wurden bei der TSG auf der rechten Flügelseite kreiert. Bei City verteilte David Silva die Bälle rechts wie links gefährlich in die Spitze, und das führte zügig zum 1:1 durch Agüero (8.). Der Unterhaltungswert der Partie war hoch.

Und wer bis zur 87. Minute als Außenseiter ein 1:1 hält, könnte ja auch einen Punkt mitnehmen - nicht wahr, Herr Nagelsmann? "Sie wissen schon, gegen wen wir gespielt haben?", gab Nagelsmann da dem Reporter säuerlich zurück, pikiert von der Nachfrage, ob seine soliden Geigen die Stradivaris nicht bis zum Schluss hätten ärgern können. Erst kurz vor Ende hatte Hoffenheim das 1:2 kassiert, nach einem Fehler des jungen Stefan Posch, der eine Flanke von der linken Seite nicht wegschlug, sondern den Ball abtropfen ließ, was David Silva mit der Erfahrung eines Welt- und Europameisters zum entscheidenden Tor nutzte. "Er ist ein junger Kerl, er kann noch lernen", nahm Nagelsmann den 21-Jährigen in Schutz - und betonte: "Taktisch haben wir das gut gemacht. Wir haben uns teuer verkauft."

Das brachte ihm auch die Anerkennung von Guardiola ein: "Ich muss ein großes Kompliment machen", sagte der ehemalige Bayern-Trainer, "sie hatten so viele Ausfälle und haben es so gut gemacht. Ich habe viel gelernt von ihnen." Nagelsmann sei für ihn ein Trainer mit "besonderen Visionen" und "mit großer Kreativität".

Kreativ werden muss man auch, wenn sich so viele Verletzte ansammeln wie derzeit in Hoffenheim, insgesamt gibt es zehn Krankschreibungen. Beschweren will sich Nagelsmann nicht, aber natürlich macht das die Aufgabe nicht einfacher. Zumal sein Team stets über die eigenen Grenzen gehen müsse, um Spiele zu gewinnen: so Nagelsmann: "Wir sind ein Team, da reicht es nicht wie bei Bayern oder Dortmund, ein Spiel auch mal nur mit 70 Prozent zu machen", erklärte der Trainer.

Die interessanteste Formulierung kam dann kurz vor seinem Privatgespräch mit Guardiola. Nagelsmann sagte: "Wir sind immer noch - in Anführungsstrichen - nur Hoffenheim." Man konnte davon ausgehen, dass ihm wohl bewusst war, dass er sein Orchester am Rande der Möglichkeiten dirigiert hatte, vielleicht sogar schon darüber hinaus.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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