1899 Hoffenheim gegen Liverpool:Schnell wie einst bei den Beatles

1899 Hoffenheim - Bayern München

1899-Trainer Julian Nagelsmann.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

1899 Hoffenheim wächst und will sich erstmals für die Champions League qualifizieren. Das Play-off-Duell mit Liverpool ist auch das Duell der Trainer: Nagelsmann gegen Klopp.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Anfang August, erzählt Peter Hofmann, habe die TSG Hoffenheim den Karlsruher SC überholt. Hofmann ist seit 31 Jahren Funktionär in Hoffenheim, und als der Elektromeister vor mehr als zwei Jahrzehnten dort das Präsidentenamt übernahm, spielte die TSG aus dem 3000- Einwohner-Dorf im Kraichgau noch in der A-Klasse. Mit damals 700 Mitgliedern. Heute sind es über 9000 und damit mehr als beim einstigen Bundesligisten Karlsruher SC. Hofmann sagt: "Unser nächstes Ziel ist es, den SC Freiburg mit etwas mehr als 10 000 Mitgliedern zu überbieten."

Vor 23 Jahren feierte der KSC im Europacup ein legendäres 7:0 gegen den FC Valencia, heute kickt der KSC drittklassig - derweil die TSG Hoffenheim an diesem Dienstag den FC Liverpool empfängt. Im Hinspiel der Qualifikations-Playoffs für die Champions-League! Wenn Hoffenheim nun erstmals in Europa kickt, überträgt das ZDF zur besten Sendezeit live. Da ist das fade 1:0 vom Samstag im DFB-Pokal gegen Drittligist Erfurt nur eine Fußnote der Vorbereitung aufs große Spiel. Gegen Liverpool! Einer Chiffre für so viele Fußballromantiker auf dem Planenten.

Das Duell Nagelsmann gegen Klopp

Zwar wurde die TSG bereits 1899 gegründet, doch ohne die finanzielle Hilfe eines ehemaligen Mittelstürmers wäre der Aufstieg aus der A-Klasse nicht gelungen. Dietmar Hopp, der Milliardär und SAP-Mitgründer, investierte mindestens 350 Millionen Euro in Personal, eines der modernsten Trainingszentren Europas und eine Arena im nahen Sinsheim. Die 25 568 Tickets für den Champions-League-Start waren so schnell ausverkauft wie einst Karten für ein Beatles-Konzert in Liverpool. Schließlich ist es nicht nur ein Vereinsduell, es ist auch ein Duell der deutschen Trainer: von Julian Nagelsmann, 30, dem Senkrechtstarter der Zunft, und Jürgen Klopp, 50, seinem Vorgänger in dieser Rolle.

Peter Hofmann aber kennt auch die Gefahren eines solchen Hypes um blitzartig beschleunigte Personalien. Als die TSG in ihrer ersten Bundesligasaison 2008 als Tabellenführer beim FC Bayern antrat, saß der damalige Trainer Ralf Rangnick bei einer Pressekonferenz Reportern aus aller Welt gegenüber. Manchem schien es damals so, als wachse da ein Herausforderer für den FC Bayern heran. Doch ein Richtungsstreit zwischen Rangnick und Hopp führte zum Zerwürfnis: Hopp wollte, dass sich die TSG irgendwann selbst finanziert, Rangnick so schnell wie möglich in den Europacup. Die Trennung war laut. Das Geschäftsmodell aber, die häufig selbst ausgebildeten Spieler gewinnbringend zu veräußern, funktioniert mittlerweile: 2015 verkaufte der Klub den Brasilianer Roberto Firmino für 41 Millionen Euro nach Liverpool, der Deutsche Kevin Volland ging für 20 Millionen nach Leverkusen.

Champions League Playoff-Hinspiele

Dienstag, 15. August

TSG Hoffenheim - FC Liverpool ZDF / 20.45

Qarabag Agdam - FC Kopenhagen 18.00

Sporting Lissabon - Steaua Bukarest 20.45

Young Boys Bern - ZSKA Moskau 20.45

Apoel Nikosia - Slavia Prag 20.45

Mittwoch, 16. August

SSC Neapel - OGC Nizza 20.45

Istanbul Basaksehir - FC Sevilla 20.45

Hapoel Be'er Sheva - NK Maribor 20.45

Celtic Glasgow - FK Astana 20.45

Olympiakos Piräus - HNK Rijeka 20.45

Die Rückspiele finden am 22. und 23. August statt. Die Auslosung der Gruppenphase (mit Bayern München, RB Leipzig und Borussia Dortmund) findet am 24. August in Monaco statt.

Dass Hoffenheim trotzdem erstmals in Europa mitmischt, verdankt es in erster Linie Nagelsmann, dem weiterhin jüngsten Cheftrainer der Bundesliga. Vor 18 Monaten gekommen, um einen Abstieg zu verhindern, katapultierte er die TSG auf Platz vier, hinter Bayern, Leipzig, Dortmund.

Wie ersetzt Hoffenheim Rudy und Süle?

Nun werden die Parallelen entwickelt zwischen dem Herausforderer und Klopp, dem Etablierten im Ring, der sich über Mainz und zwei Meisterschaften mit Dortmund (2011, 2012) für die Insel empfahl. Beide Männer sind von imposanter Statur, sie gelten als durchsetzungsfähig, da sie in der Lage sind, ihr Tun mit einer rhetorischen Wucht zu stärken. Beide können Teams entwickeln, sie neigen dazu, eher wagemutig als reserviert spielen zu lassen. Ihr Versprechen lautet: Spektakelfußball!

Mit allen Risiken: Hoffenheim, der Außenseiter, gewann für seine ohnehin gut besetzte Offensive in dem vom FC Bayern ausgeliehenen Serge Gnabry Qualität hinzu. Allerdings schwächelt die TSG im Umschalten nach Ballverlust - gerade aber der Blitzkonter gilt als Liverpools Stärke. Die Engländer hingegen sind anfällig bei Ecken und Freistößen, beim 3:3 am Samstag bei Watford kassierten sie erneut zwei Gegentore nach Standards.

Offen ist, wie Nagelsmann Sebastian Rudy ersetzt, der wie sein Teamkollege Niklas Süle zum FC Bayern wechselte. Für Süle (20 Millionen Ablöse) soll Havard Nordtveit (West Ham United, sieben Millionen) verteidigen. Nagelsmann sagt, er sei "nicht todtraurig", wenn kein Ersatz für Rudy komme, er könne die Position in der Schaltstelle im Mittelfeld auch intern besetzen, Kandidaten gibt es viele. Auch solche Details sind es, die dieses innerdeutsche Duell so spannend erscheinen lassen: Nagelsmann und Klopp - beide sind für Überraschungen gut.

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