Süddeutsche Zeitung

Hoffenheim gegen Gladbach:Lektion vom Leitbild

Lesezeit: 3 min

Hoffenheim wäre gerne da, wo die Borussia ist. Gladbach aber zeigt 1899 deutlich die Grenzen auf.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Egal mit welchem Gestalter bei der TSG Hoffenheim man spricht, ob mit Manager Alexander Rosen oder Trainer Markus Gisdol - alle nennen Borussia Mönchengladbach als Vorbild für das eigene Schaffen. Aus einem Kader, der sich 2011 nur über die Relegation in der ersten Liga halten konnte, entwickelte die Borussia unter Trainer Lucien Favre eine Spitzenelf. Auf dem Weg, einen ähnlichen Aufschwung zu nehmen, befinden sich auch die Hoffenheimer, nachdem ihnen der Klassenerhalt 2013 soeben noch über die Relegation gelungen war. Doch zu einer Spitzenelf der Bundesliga fehlt der Mannschaft von Markus Gisdol einiges. Das mussten die Badener beim bitteren 1:4 (1:3) daheim gegen Gladbach schmerzhaft akzeptieren - die TSG erhielt eine Lehrstunde vom Vorbild.

Nach dem 2:0 bei den Bayern feierten die Gladbacher in Hoffenheim den zweiten Auswärtssieg in Serie - und den ersten Erfolg bei der TSG überhaupt. Der beeindruckende Auftritt schürt die Hoffnung, dass die Borussia erstmals seit 1977 wieder direkt in die Champions League (damals noch Europacup der Landesmeister) einziehen könnte. Nationalspieler Max Kruse erklärte: "Das heute war ein ganz deutliches Signal, dass wir uns da oben nicht mehr verdrängen lassen wollen." Allerdings sitzt den Gladbachern in Bayer Leverkusen ein Konkurrent für die direkte Qualifikation mit nur zwei Punkten Rückstand im Nacken. Doch auch Patrick Herrmann glaubt: "Das Ziel rückt immer näher."

Zwei Tore, zwei Vorlagen - Herrmann ist der Spieler des Tages

Der Offensivspieler war nur wenige Tage nach seiner Vertragsverlängerung bis Sommer 2019 der überragende Spieler auf dem Platz, der 24-Jährige war an allen Toren beteiligt und erzielte zwei Treffer selbst. "Die Vertragsverlängerung tut gut. Ich habe den Kopf frei, es könnte nicht viel besser laufen als im Moment."

Und Lucien Favre? Der Perfektionist aus der Schweiz warnte lieber schon einmal vor dem Drittligisten Arminia Bielefeld, bei dem die Gladbacher am kommenden Mittwoch versuchen, ins Halbfinale des DFB-Pokals zu kommen.

Bereits am Dienstag wollen das auch die Hoffenheimer bei Borussia Dortmund schaffen. Torschütze Sven Schipplock wusste aber gleich nach dem Duschen, dass seine Mannschaft erst einmal "einen herben Dämpfer" wegzustecken hat. Immer wenn diese Mannschaft die Chance hat, sich auf den sechsten Platz vorzuspielen, kassiert sie einen Rückschlag. Trainer Gisdol musste eingestehen: "Das war eine verdiente Niederlage."

Vor den Augen der Mannheimer Eishockey-Cracks

Den Hoffenheimern nutzte auch die moralische Unterstützung der Eishockey-Profis von den Mannheimer Adlern nichts. Die Cracks der Adler hatten am Donnerstag den Einzug ins Finale der Deutschen Meisterschaft geschafft (das sie jetzt gegen Ingolstadt bestreiten werden), sie verfolgten das Spiel - besser gesagt: die Demontage der TSG - von der Tribüne aus.

Dabei hatte die Partie für die Badener hoffnungsvoll begonnen, einem vermeintlichen Abseitstor von Steven Zuber versagte Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer zu Unrecht die Anerkennung (6.). Die Führung nach 17 Minuten durch Sven Schipplock war dann das Ergebnis eines perfekten Konters über Kevin Volland und Roberto Firmino. Anschließend jedoch dominierte die ballsichere Borussia die Partie wie im Training. Sehenswerte Stafetten über viele Stationen mit nur einem oder zwei Ballkontakten demonstrierten die hohe Kunst des Fußballs. Bis zur Halbzeit spielten die Borussen ein 3:1 heraus, die Torschützen hießen Max Kruse per Elfmeter (16.), Patrick Herrmann (31.) und Raffael (36.). Und als Herrmann nur sechs Minuten nach dem Wiederanpfiff das 4:1 erzielte - wieder nach herrlicher Kombination - war die Partie endgültig entschieden.

Im Mittelfeld fehlt ein Wellenbrecher

Für die TSG machte sich das Fehlen aller Haudegen in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld (Süle, Bicakcic, Polanski, Schwegler) negativ bemerkbar. In der defensiven Zentrale war Sebastian Rudy überfordert, es fehlten die Wellenbrecher, um die furios kombinierenden Gladbacher zu stoppen. Dass Trainer Gisdol Juniorenspieler Nadiem Amiri neben Rudy aufbot, darf man je nach Perspektive mutig oder übermütig nennen.

Gisdol bedauerte das Fehlen vor allem von Polanski und Schwegler. "Gegen so einen Gegner musst du idealerweise mit der Idealbesetzung antreten, sonst wird es schwer", konstatierte er. Am Dienstag im Pokal hofft Gisdol auf die Rückkehr der beiden. Der gegen Gladbach gesperrte Bicakcic ist beim BVB sicher wieder dabei. Doch auch mit diesen Darstellern hat die TSG früher schon Schlüsselspiele verloren.

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