Süddeutsche Zeitung

Hoffenheim - Düsseldorf:Gerumpel, garniert mit Grummeln

Das 1:1 zeigt: Düsseldorf spielt nicht wie ein Abstiegskandidat - und die TSG spielt nicht wie ein Kandidat für das internationale Geschäft.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Neil Diamond lief nicht mehr nach dem Abpfiff. Dabei hatte der Stadionsprecher der TSG Hoffenheim dessen alten Gute-Laune-Song knapp zwei Stunden zuvor mit den Fans extra eingeübt. Neil Diamond sang also via Lautsprecher "Sweet Caroline" - und die TSG-Anhänger stimmten lautstark ein ("oh, oh, oh"). Diese neue Choreinlage zum Einheizen vor dem Anpfiff der Partie gegen Fortuna Düsseldorf blieb aus Hoffenheimer Sicht dann allerdings die gelungenste Aufführung an diesem Bundesliga-Nachmittag. Der Vortrag der Hoffenheimer Spieler beim 1:1 geriet zu einem Gerumpel, wie man es selten von dieser Elf gesehen hat. Das Lob von Fortuna-Trainer Friedhelm Funkel für die Defensivleistung seiner Elf bündelte auch die Trostlosigkeit des Hoffenheimer Auftritts: "Ich glaube, Michael Rensing musste keinen einzigen schweren Ball halten."

Rensing ist der Düsseldorfer Torwart, und es passte ins Bild, dass die Führung der TSG aus einem verwandelten Elfmeter von Andrej Kramaric resultierte (16., Bodzek hatte Geiger gefoult). Düsseldorfs 1:1 durch einen Kopfball von Rouwen Hennings (46.) dokumentierte zudem erneut die notorische Abwehrschwäche der Gastgeber. Naiv hatte sich Verteidiger Stefan Posch bei einer Flanke verschätzt.

Es gehört aber auch zur Wahrheit dieser Partie, dass die Fortuna nicht wie ein Abstiegskandidat spielte. Eine Woche nach dem 0:4 gegen Leipzig traten die Rheinländer, die davor viermal in Serie gesiegt hatten, wieder kompakt und selbstbewusst auf, Rückschläge kann diese Truppe offenbar gut wegstecken. Mit nun 22 Punkten haben sich die Düsseldorfer eine gute Ausgangsposition im Abstiegskampf erspielt, Funkel sagt: "Die Leistung stimmt mich zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen, auch wenn es noch ein weiter Weg ist."

Die Hoffenheimer hingegen entfernen sich immer weiter von ihren Ambitionen. Der schläfrige Auftritt am Samstag zeigte, dass ihr ausgerufenes Ziel Champions-League-Teilnahme nicht mit der Leistung korrespondiert. Der hohe Selbstanspruch, unterfüttert durch die starken Platzierungen der jüngsten Spielzeiten (Rang vier und drei), scheint das Team zu lähmen. Trainer Julian Nagelsmann stellte ernüchtert klar: "Wir müssen die Champions-League aus den Köpfen bekommen und schauen, dass wir den Anschluss an die Europa-League-Plätze nicht verlieren."

Der Trend spricht gegen die TSG: Nur ein Sieg in neun Spielen ist nicht Ausdruck von verpassten Chancen, sondern Abbild der Wirklichkeit - und in der müssen manche Spieler wohl erst wieder ankommen. Die Festtage in Europas Königsklasse sind Geschichte, der schnöde Alltag in der Liga wird offenbar nicht von allen angenommen. Nagelsmann kritisierte: "Wir sind schlecht in die Woche gestartet. Wir sind einfach kein europäisches Spitzenteam, das drei Tage nicht richtig trainieren kann - und danach dennoch Spiele gewinnt."

Der Frust sitzt tief. Stürmer Andrej Kramaric klagte: "Wir hatten nicht so viele Lösungen in der Offensive, dennoch gehen wir in Führung. Aber dann kassieren wir zum gefühlt 150. Mal wieder einen Gegentreffer." Hoffenheims Abwehr ist schon die ganze Saison wacklig, Kapitän Kevin Vogt, zwei Jahre lang überragender Leistungsträger, nur noch Mitläufer mit hoher Fehlerrate. Und dass Nadiem Amiri die Enttäuschung über seine Auswechslung (60.) demonstrativ zum Ausdruck brachte, war auch kein gutes Zeichen. Der U 21-Europameister hatte fast die gesamte Vorrunde verletzt gefehlt, ihm fehlt noch die alte Frische. Nun aber polterte er, nachdem er das Feld hatte verlassen müssen: "Mir wird die Chance genommen, das Spiel zu entscheiden." Zwar fügte Amiri hinzu, dass er Nagelsmanns Entscheidung akzeptiere. Aber es blieb der Eindruck, dass da einer nur auf sich schaut. Noch am Samstagabend richtete der Trainer deutliche Worte an Amiri.

Nagelsmann muss Eitelkeiten bekämpfen und den Teamgeist wieder stärken - keine leichte Aufgabe, zumal sein Wechsel zu RB Leipzig im Sommer feststeht. Als nächstes tritt die TSG bei Tabellenführer Dortmund an.

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SZ vom 04.02.2019
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