Bundesliga:Weiter geht's!

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Gegen Stuttgart wieder dabei: Hoffenheims Andrej Kramaric. (Foto: dpa)

Die von Corona gebeutelte TSG Hoffenheim muss wie geplant gegen Stuttgart antreten. Doch die hohen Infektionszahlen werfen gerenelle Fragen für den Bundesliga-Betrieb auf.

Von Christoph Ruf

Immer dann, wenn es beim Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim besondere Vorfälle gibt, ist Sportdirektor Alexander Rosen zu Gast bei der Spieltags-Pressekonferenz. Und außergewöhnlich waren die vergangenen Tage im Kraichgau zweifellos. Nicht weniger als sieben Hoffenheimer Spieler haben einen positiven Corona-Befund erhalten: Kevin Vogt, Sebastian Rudy, Ishak Belfodil, Robert Skov, Munas Dabbur, Jacob Bruun Larsen - und zuletzt Sargis Adamyan, der sich wohl bei der armenischen Nationalmannschaft angesteckt hat. Bei den TSG-Kollegen Ihlas Bebou (Togo), Diadie Samassekou (Mali), Kevin Akpoguma (Nigeria) und Mijat Gacinovic (Serbien) standen die Testergebnisse noch aus.

"Beim dritten, vierten (Spieler) denkt man: Das ist doch jetzt wohl ein schlechter Witz", seufzte Alexander Rosen, der sich die Häufung der positiven Testergebnisse nicht erklären kann: "Die Rückverfolgung ist, wie überall, sehr kompliziert. Vielleicht wurde es von zwei Seiten zu uns hereingetragen. Vielleicht gab es für einen Moment auch einen sogenannten Superspreader", mutmaßte der Sportchef.

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Dieses Thema allein hätte diesmal also schon Rosens Anwesenheit auf dem Pressepodium gerechtfertigt. Doch er war auch gekommen, um eigens zu betonen, dass bei Virusübertragungen das Prinzip von Ursache und Wirkung gelte.

Genau deshalb erneuerte der Hoffenheimer Manager mit überraschend deutlicher Wortwahl seine Kritik an den Länderspielen der vergangenen zehn Tage. Bereits Mitte Oktober hatte sich Rosen dazu mahnend geäußert, als TSG-Torjäger Andrej Kramaric (Kroatien) und der Teamkollege Kasim Adams (Ghana) mit Corona-Infektionen von ihren Länderspielreisen zurückgekehrt waren. Damals, vor dem Hoffenheimer Heimspiel gegen Borussia Dortmund (0:1), war das Duell der Top-Torschützen Kramaric und Erling Haaland (BVB) heraufbeschworen worden, doch es fiel dann aus - wegen deren Länderspiel-Tourneen: "Der eine konnte nicht von Beginn an spielen, weil er vorher dreimal 90 Minuten gespielt hatte", erinnert sich Rosen an die Startelf-Absenz des Norwegers Haaland, "und der andere saß mit einer Covid-19-Infektion auf der Couch." Der kaum zu ersetzende Kramaric fehlte auch in den Spielen danach, Hoffenheim hat seit dem furiosen 4:1 gegen die Bayern (mit zwei Kramaric-Toren) in der Bundesliga nicht mehr gewonnen.

Bedauerlicherweise, sagt Alexander Rosen, sei seit diesen Problemen im Oktober bei den nationalen Verbänden "nichts passiert". Auch jetzt, in der November-Länderspiel-Kampagne, gab es neben den zwei Pflichtterminen in der Nations League wieder für alle ein zusätzliches Testspiel: "Ich habe auch immer auf dieses dritte Spiel hingewiesen, das in diesen Zeiten ein absoluter Blödsinn ist", betont Rosen.

Für seine Hoffenheimer, die bisher fraglos der am härtesten durch die Pandemiefolgen getroffene Bundesligaverein sind, sieht die konkrete Lage so aus: Im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart könnten selbst dann noch ein halbes Dutzend Spieler daheim auf der Couch sitzen, wenn zwei oder drei der positiv Getesteten bis Samstag, 15.30 Uhr, aus der Corona-Quarantäne entlassen werden.

Wenn es allerdings um diesen großen Problemkomplex geht, dann gibt es im deutschen Fußball ja nicht nur den DFB, sondern auch den deutlich mächtigeren Ligaverband DFL. Dessen Geschäftsführer Christian Seifert goss soeben Wasser auf die Mühlen all jener Vereine, die verletzte, übermüdete oder Corona-infizierte Spieler von den Nationalteams zurückbekommen haben. Wolfsburg meldete soeben die Infektion des kroatischen Abwehrchefs Marin Pongracic, bei Südkorea wurden Hee-chan Hwang (RB Leipzig) und Chang-hoon Kwon (SC Freiburg) positiv getestet. Seifert hielt in einem Kicker-Gastbeitrag fest: "Die derzeitige Situation ist aus Sicht der nationalen Ligen und ihrer Klubs nicht zu akzeptieren. Es sollte Einigkeit herrschen, dass Länderspiel-Reisen nicht den Spielbetrieb im gesamten Profifußball gefährden dürfen."

Alexander Rosen wird da natürlich nicht widersprechen, doch der Hoffenheimer Sportchef quittierte Seiferts Aussagen nicht nur mit ungeteilter Zustimmung. Denn sie erfolgten ihm schlicht zu spät: "Ich hätte mir, da will ich ehrlich sein, gewünscht, dass so ein Statement schon früher kommt", sagte er.

Tatsächlich wirkt die Kritik des anerkannten Ligabosses zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein bisschen wohlfeil. Hätte Seifert sie vor der Länderspielpause artikuliert, hätte er womöglich eine ernsthafte Debatte über Sinn und Unsinn globaler Nationalmannschafts-Reisen zu Pandemiezeiten angestoßen. Jetzt könnte sein Appell, in Hochinfektionszeiten klare Prioritäten zu Gunsten der wichtigen Wettbewerbe zu setzen (dabei schloss Seifert ausdrücklich die EM im nächsten Sommer mit ein), aber frühestens Mitte März einen Effekt haben. Erst dann gibt es die nächste Abstellungsperiode für Nationalmannschaften. Und dann dürften vermutlich längst andere Themen dominieren.

Schon jetzt aber wären ein paar Corona-Grundsatzfragen angebracht. So fällt auf, dass die aktuelle Diskussion, wie vertretbar der Profifußball-Zirkus in Zeiten ist, in denen fast alle Sportarten pausieren, ausschließlich im Kontext mit den Länderspielen geführt wird. Weder DFL- noch Vereinsvertreter thematisieren bisher die Frage, warum überhaupt noch Spiele stattfinden, wenn bei manchen Mannschaften jeder Vierte im Kader infiziert ist. Merkwürdig wenig wird in der Branche inzwischen auch darüber gesprochen, dass der Bundesliga-Betrieb nur mit einer Armada von Testreihen aufrechterhalten werden kann, während außerhalb der Vereinsgelände aktuell aufgrund knapper Kapazitäten selbst Risikopatienten kaum noch zügig getestet werden können.

Dass die Hoffenheimer Verantwortlichen ihren Ärger über die Abstellungen so deutlich formulieren, dürfte auch mit ihrer sportlichen Lage vor dem Baden-Württemberg-Derby gegen Stuttgart zusammenhängen. Zuletzt holte die TSG trotz oft ansprechender Leistungen nur einen Punkt aus den jüngsten fünf Bundesligaspielen. Dass gegen den VfB, der mit zehn Punkten gut dasteht, unter diesen Vorzeichen eine glorreiche Wende gelingt, ist eher unwahrscheinlich. Mehr als eine Rumpfelf wird Trainer Sebastian Hoeneß am Samstag kaum nominieren können, einziger Pluspunkt: Kramaric, der zu Saisonbeginn sechs Tore erzielt hatte, hat Corona bereits hinter sich und ist wieder fit.

Dennoch, so verriet Rosen bereits am Donnerstag, hatte Hoffenheim bei der DFL eine Verschiebung der Partie beantragt: "Wir wussten, dass es laut Satzung keine Möglichkeit gab, das Spiel abzusagen", aber zumindest habe man gehofft, das Spiel um einen Tag verschieben zu können: "Die Idee war, dass wir bis Sonntag vielleicht mehr Spieler aus der Quarantäne herausbekommen", so Rosen. Ergebnis: Der VfB gab als Gegner sein Einverständnis zur Verschiebung um 24 Stunden. Doch die DFL blieb hart. Gespielt werden muss am Samstag, alles nach Plan.

© SZ vom 21.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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