Hoeneß-Rückzug beim FC Bayern:"Zwistigkeiten mit Kalle"

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Ministerpräsident Söder zeigefingert, während Hoeneß und Rummenigge in der Kulisse harmonieren. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Beim Empfang des FC Bayern in der Staatskanzlei feiern die Fans Uli Hoeneß, der an diesem Donnerstag den Aufsichtsrat des Klubs über seine Zukunft informieren will.
  • Seit Wochen ist es ein offenes Geheimnis, dass Hoeneß nicht mehr im Vordergrund stehen will.
  • Aufsichtsratsmitglied Edmund Stoiber bestätigt in gewohnt beiläufiger Art alle Pläne und spricht über Gründe für Hoeneß' Rückzug.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Uli Hoeneß steht auf einem roten Teppich, die Hände lässt er hängen, er blickt nach vorne, unbewegt steht er da. Er rührt sich nicht, nicht einmal ein Gesichtsmuskel zuckt, und doch ist nicht zu übersehen, dass er den Augenblick genießt. Er wirkt in sich versunken, wie einer, der gerade den Klängen seiner Lieblingsarie folgt. Ein paar Stufen unter ihm auf der Treppe der Bayerischen Staatskanzlei steht Markus Söder, der Ministerpräsident. Neben Hoeneß, schon nicht mehr auf dem roten Teppich, steht Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss des FC Bayern. Aber Söder und Rummenigge sind Nebenfiguren an diesem Mittwochmittag. All die Menschen im Hofgarten schauen nur auf Hoeneß. Und sie singen. "Ul-li Hoe-neß, du bist der bes-te Mann!" Unbewegt hört sich das Hoeneß an. Dann hebt er die Hände, beschwichtigend wippt er sie vor der Hüfte auf und ab.

Doch das Volk, sein Volk, macht das, was es in den vergangenen Monaten immer wieder gemacht hat, teilweise zum Ärger des Präsidenten Hoeneß, der ja immer auch Patriarch und Volkstribun sein wollte: Es hört nicht auf ihn. Die Leute singen weiter das Lied vom besten Mann.

Ein "sehr emotionaler Moment" sei das gewesen, sagt Hoeneß knapp eineinhalb Stunden später, als der Empfang des FC Bayern in der Staatskanzlei zu Ende geht. Die Spieler, die für den Gewinn von Meisterschaft und Pokal geehrt worden sind, sind bereits verschwunden, auch Trainer Niko Kovac, der ja ohnehin nur ungern im Vordergrund steht. (Als Söder den Trainer in seiner Rede hervorhebt, ist zunächst nur eine winkende Hand hinter all den Fußballerköpfen zu sehen, erst dann tritt Kovac vor seine Spieler.) Alle also sind weg. Nur Hoeneß nicht.

Uli Hoeneß
:Weltmeister, Anpacker, Steuerhinterzieher

Erst war Uli Hoeneß ein begnadeter Fußballer, später wurde er zum Gesicht des FC Bayern. Er war im Gefängnis, kam wieder - und hört nun als Präsident auf. Seine Karriere in Bildern.

Geduldig schreibt der Präsident Autogramme, er lächelt in Handykameras, er genießt die Zuneigung der Anhänger. An diesem Mittag, sagt er selbst, seien ja die Rückmeldungen auch durchgehend "positiv".

Der Empfang am Mittwoch ist für den FC Bayern ein Routinetermin, das siebte Jahr in Serie ehrt ein Ministerpräsident die Bayern für die Meisterschaft, zum zweiten Mal Söder, der es an diesem Mittag auch schafft, das ihm überreichte Trikot richtig herum anzuziehen - im vergangenen Jahr war der Spott groß, nachdem er die Rückennummer über dem Bauch getragen hatte. Für Hoeneß ist es dennoch ein besonderer Empfang. Es ist sein letzter vor der Aufsichtsratssitzung an diesem Donnerstag, auf der er erklären will, wie er seine Zukunft plant. Seine acht Kollegen aus dem Gremium dürften dabei jedoch kaum überrascht werden. Seit Wochen ist es ein offenes Geheimnis, dass Hoeneß nicht mehr im Vordergrund stehen will. "Ich bleibe im Aufsichtsrat", hatte Hoeneß vor zehn Tagen der Bild am Rande eines Golfturniers gesagt, "den Vorsitz gebe ich aber mit dem Amt des Präsidenten zurück, wenn es so weit ist." Anzunehmen ist, dass er diesen Zeitpunkt Ende November gekommen sieht, bei der nächsten Jahreshauptversammlung, bei der auch eine Präsidentenwahl ansteht.

Am Freitag, berichtet Sport1, werde Hoeneß eine Pressekonferenz geben, auf dieser wird er womöglich auch verraten, warum er nach knapp vier Jahrzehnten als wichtigster und wuchtigster Kopf und Bauch des FC Bayern künftig weniger in Erscheinung treten wird. Die Frage ist es auch, ob er darüber reden wird, wie sehr es ihn getroffen hat, dass das Volk, sein Volk in den vergangenen Monaten nicht mehr jedes Mal auf ihn gehört hat.

Auf der vergangenen Jahreshauptversammlung zum Beispiel hatte ein Mitglied minutenlang eine wenig schmeichelhafte Bilanz der vergangenen Jahre des FC Bayern gezogen - der Jahre, seit Hoeneß 2016 ins Präsidentenamt zurückgekehrt ist. Als Hoeneß anschließend dem Redner fehlendes Niveau vorwarf, wurde er von einem Großteil der Mitglieder ausgepfiffen. Dies sei "ein Schock" gewesen, sagt am Mittwoch Edmund Stoiber, der frühere Ministerpräsident ist seit Jahren ein enger Vertrauter des Präsidenten, dazu Mitglied im Aufsichtsrat. Stoiber, der in gewohnt beiläufiger Art alle Pläne bestätigt, spricht zudem von den "Zwistigkeiten mit Kalle", er meint die Reibereien zwischen dem Präsidenten und dem Vorstandsboss in Fragen, wie der FC Bayern in die Zukunft gehen soll. In den vergangenen Monaten war das die Frage, ob Kovac der beste Trainer für die Mannschaft ist (Hoeneß findet schon, er hat Kovac allerdings auch als Trainer in München durchgesetzt).

Hoeneß' aktuelle Posten, auch das bestätigt am Mittwoch Stoiber, soll Herbert Hainer übernehmen, der langjährige Vorstand des FC-Bayern-Anteilseigners Adidas, der zurzeit Hoeneß' Stellvertreter im Aufsichtsrat ist. Dazu passt, dass Hainer in der Staatskanzlei dabei ist. In seiner roten Krawatte sieht er präsidiabel aus, er hält sich aber im Hintergrund. Hainer gilt - mehr noch als Stoiber - als Vertrauter von Hoeneß, genauso wie Oliver Kahn, den der amtierende Präsident als neuen Vorstandsvorsitzenden auserkoren hat, also als Nachfolger seines Rivalen Rummenigge. Bis Ende 2021 läuft Rummenigges Vertrag, danach übernimmt Kahn. Dann wird der Verein voraussichtlich durchgehend von Hoeneß' Vertrauten gestaltet werden (zu denen auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic zählt, dessen Vertrag im Sommer 2020 endet). Aber auch noch von Hoeneß selbst?

Es sei "echt schwer zu sagen", sagt Kapitän Manuel Neuer am Mittwoch, was sich ohne den Präsidenten Hoeneß ändern werde. Neuer ist jedoch sicher, dass dieser den Klub "immer unterstützen" werde. Hoeneß, sagt auch Söder, werde dem FC Bayern bestimmt "in der einen oder anderen Form erhalten bleiben". Dann spricht der Ministerpräsident noch über Hoeneß' Erbe: Der FC Bayern, schwärmt der Nürnberg-Fan Söder, sei "eine der erfolgreichsten Marken des Landes" und "einer der besten Botschafter Deutschlands".

Oben auf der Treppe steht Hoeneß, noch immer singen die Fans ihr Lied. Ihr bester Mann isst ein paar Häppchen. Dann kommt er noch einmal zu dem Anhang des Vereins, der an diesem Mittag vor allem sein Anhang ist.

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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