Hoeneß-Prozess:Wider seine Natur

FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat deutlich mehr Geld hinterzogen als bislang bekannt.

FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat deutlich mehr Geld hinterzogen als bislang bekannt.

(Foto: dpa)

Die Summen, um die es geht, sind weit gewaltiger als gedacht: Mindestens 18,5 anstatt der bisher bekannten 3,5 Millionen Euro Steuern soll Uli Hoeneß hinterzogen haben. Der Bayern-Präsident sagt, er wolle reinen Tisch machen, doch der Richter hegt Zweifel an der Ehrlichkeit des Angeklagten. Es wird eng für Hoeneß.

Von Annette Ramelsberger

Seine Anwälte haben ihm Demut angeraten vor Gericht. Aber Demut, das ist nichts für ihn. Selbst wenn er demütig sein will, greift Hoeneß an. Und deshalb geht es gleich los mit einem Coup. Uli Hoeneß hat nicht 3,5 Millionen Steuern hinterzogen, wie das in der Anklage steht. Er hat viel mehr hinterzogen: noch 15 Millionen dazu. Insgesamt also 18,5 Millionen Euro. Und dazu kommen noch 5,5 Millionen Verlustvorträge, die er zu Unrecht angegeben hat.

Wenn der Präsident des FC Bayern Steuern hinterzieht, dann richtig. Das, was am Montag gleich zu Anfang des Prozesses bekannt wird, macht deutlich: Wenn das Gericht die Selbstanzeige von Uli Hoeneß nicht noch sehr stark entlastend für ihn wertet, dann muss Hoeneß ins Gefängnis. Die Summen, um die es geht, lassen sich nicht mehr herunterrechnen.

Ob er geschlafen hat, diese Nacht? Man weiß ja, dass er nachts aufwacht und sich herumwälzt im kalten Schweiß, voller Sorge, was dieser Prozess aus ihm macht: einen freien Mann, einen Vorbestraften oder gar einen Häftling. Einen, der auf der Höhe des Triumphs sein Lebenswerk verliert. Aber Uli Hoeneß sieht an diesem Tag fast ein wenig erleichtert aus, dass es nun endlich losgeht. Dass er nun alles auf den Tisch packen kann. Und das ist mehr, viel mehr als gedacht.

Unterlagen wurden bröckchenweise nachgeliefert

Denn erst vor einer Woche, sagt Richter Rupert Heindl, sind die gesamten Unterlagen der Schweizer Bank Vontobel bei Staatsanwaltschaft und Gericht eingegangen. 70 000 Blatt, in elektronischer Form. Bis 28. Februar hatte das Finanzamt Rosenheim Hoeneß eine Frist für die Abgabe aller Unterlagen gesetzt. Ein ganzes Jahr lang hat es gedauert, bis er alles von seiner Bank zusammenhatte. Das ist ein Punkt, auf den Richter und Staatsanwalt sofort zu sprechen kommen.

"Warum kamen diese Unterlagen erst vor zwei Wochen?", fragt der Richter. "Weil die Bemühungen darum nach der Anklage nachgelassen haben", sagt Hoeneß. "Warum haben Ihre Bemühungen nach der Anklage nachgelassen?", entgegnet der Richter entgeistert, "das stand brettlbreit drin in der Anklage. Die Staatsanwaltschaft hat die ganze Zeit die Akten angefordert." - Und der Staatsanwalt stöhnt auf: "Es kam ja gar nichts."

Es ist vor diesem Prozess viel geredet worden darüber, ob die Selbstanzeige von Hoeneß rechtzeitig einging und vollständig war. Heute sieht man: Vollständig war sie ganz sicher nicht. Die Unterlagen wurden ein ganzes Jahr lang nachgeliefert, bröckchenweise. Und die Staatsanwaltschaft ist sichtlich genervt.

Jetzt geht es eigentlich nur noch darum, ob Hoeneß diese Selbstanzeige wenigstens aus freien Stücken machen wollte oder unter dem Druck, demnächst entdeckt zu werden. Am 15. Januar 2013 hatte ihn ja seine Schweizer Bank alarmiert, dass ein Journalist vom Stern angerufen hatte und - ohne Hoeneß' Namen zu nennen - nach seinem Nummernkonto gefragt hatte. Hoeneß hatte sofort seinen Sohn, seinen Steuerberater und einen ehemaligen Steuerfahnder zusammengerufen, um eine Selbstanzeige zu formulieren. Machte er in dieser Situation die Selbstanzeige wirklich aus freien Stücken?

Prozessauftakt gegen Uli Hoeneß

Hoeneß (r.) mit seinem Anwalt Feigen im Münchner Landgericht II

(Foto: dpa)

Und da kommt sie auch schon, die entscheidende Frage. "Wann haben Sie sich entschieden, vor dem 17. Januar 2013, wieder steuerehrlich zu werden", fragt der Richter. Er habe das schon im Herbst 2012 machen wollen, antwortet Hoeneß und sagt dann: "Die Stern-Recherchen haben keine besondere Rolle gespielt." Das wirkt nicht gerade überzeugend, sein eigener Anwalt Hanns Feigen fällt ihm ins Wort: "Erzählen Sie nichts vom Pferd! Da gingen Ihnen doch die Gäule durch." Und der Richter schüttelt den Kopf und sagt einen Satz, den er gern mag und oft benutzt: "Das kann man glauben, aber man muss es nicht glauben."

Hoeneß versucht sich in Demut

Hoeneß kennt hier die Spielregeln nicht. Das spürt man. Er, der Präsident eines der reichsten und erfolgreichsten Fußballklubs der Welt, des FC Bayern. Noch am Samstag hat seine Mannschaft 6:1 gegen Wolfsburg gesiegt. Doch nun geht es um ein anderes Spiel. Man merkt, wie ihn das irritiert.

Demut soll helfen, wie gesagt, das haben ihm seine Anwälte offenkundig eingetrichtert. Doch was fängt einer wie Hoeneß mit so einem Rat an? Es widerstrebt seiner Natur.

Er sitzt nun, in schwarzem Anzug und weißem Hemd, vor dem Richter. Seine Frau hat ihn begleitet, sie lächelt ihm aufmunternd zu. Der Saal 134 im Münchner Justizpalast ist ein heller, sonnendurchfluteter Raum mit fünf Meter hohen Bogenfenstern. Von seinem Platz aus kann Hoeneß gerade noch die weiß-blaue bayerische Fahne sehen, die draußen im Frühlingswind weht.

Er, der so lange selbst ein weiß-blauer Held war, der gute Mann von München, ein Wohltäter. Noch vor zwei Jahren erklärten 88 Prozent der Bürger in einer Umfrage, sie wollten "mehr Hoeneß in der Politik". Was bedeutet: mehr Klarheit, mehr Wahrheit, mehr Menschlichkeit. Das mit der Wahrheit hat nicht so geklappt.

Und dann versucht sich Hoeneß wirklich in Demut. "Ich bin froh, dass jetzt alles transparent auf dem Tisch liegt", sagt er, "mein Fehlverhalten bedaure ich zutiefst. Sämtliche Steuern werde ich natürlich zahlen. Ich werde alles dafür tun, dass dieses für mich bedrückende Kapitel abgeschlossen werden kann." Sagt, er sei kein Sozialschmarotzer, sagt, er habe in den letzten Jahren fünf Millionen Euro für Vereine gespendet und 50 Millionen Euro Steuern gezahlt. "Ich will hier nicht jammern, wäre ich von vornherein steuerehrlich gewesen oder hätte in aller Ruhe die Selbstanzeige vorbereitet, wäre das alles nicht passiert."

Alles telefonisch gemacht - "hundertprozentig vertraut"

Was passiert ist, trägt der Staatsanwalt vor. Es sind vor allem Zahlen. Und sie summieren sich. Hoeneß verschwieg laut Anklage Kapitalerträge, Spekulationsgewinne und sonstige Einkünfte in Höhe von 33 526 614 Euro. Dadurch hat er sich Steuern in Höhe von 3 545 939,70 Euro erspart.

Zusätzlich hat er zu Unrecht Verlustvorträge in Höhe von 5 519 739,20 Euro geltend gemacht. Das sind Summen, die eine Grenze des Bundesgerichtshofs weit überschreiten. Der hatte 2008 festgelegt, dass von einer Million Euro hinterzogener Steuern an eine Bewährungsstrafe nur noch sehr schwer möglich ist.

Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl: "Das kann man glauben, aber man muss es nicht glauben."

Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl: "Das kann man glauben, aber man muss es nicht glauben."

(Foto: dpa)

Nach diesem Geständnis kommen Richter Heindl und Uli Hoeneß miteinander ins Gespräch. Es ist ein Gespräch über Anlagen, Strategien, Futures, Spekulationen. Der Angeklagte merkt schnell: Der Richter versteht offenkundig viel mehr von den Geschäften als er. "Sie können mit Ihrem Geld machen, was Sie wollen", sagt Richter Heindl. "Ich verstehe es nur nicht." Denn Hoeneß erzählt ihm von der "Spirale der Unglückseligkeit", in die er hineingezogen worden sei, dass er Gewinne habe erzwingen wollen, dass er immer mehr gezockt habe, dass er nie auch nur einen Kontoauszug angesehen habe.

Er habe alles telefonisch über einen Bankmitarbeiter in der Schweiz gemacht. Einem Mann, "dem ich hundertprozentig vertraue". Das ist typisch Hoeneß. Sehr vernünftig klingt es nicht. "Erklären Sie mir", sagt der Richter, "da kommt 2007 die Steuer-CD aus der Schweiz nach Deutschland. Warum machen Sie nichts?" "Ich habe den Zeitpunkt verpasst", sagt Hoeneß. "Ich hatte das Gefühl, dass ich steuerlich kein Problem habe." Weil er so viel Verluste mit seinem Konto in der Schweiz gemacht habe. Nur muss man aber auch dann Steuern auf die Gewinne zahlen.

Das sieht Hoeneß nun ein. In seiner Erklärung hat er sich zerknirscht gegeben. "Hohes Gericht, die mir in der Anklage zur Last gelegten Steuerstraftaten habe ich begangen. Mit anderen Worten: Ich habe Steuern hinterzogen." Unterm Strich habe sich sein Konto in der Schweiz nicht gelohnt, er habe mit einem Millionenverlust abgeschlossen.

Und dann kommen schon die ersten Zeugen. Ein Steuerfahnder aus Stuttgart, an den sich ein Stern-Reporter gewandt hatte, der Hinweise auf das Konto in der Schweiz hatte. Der Stuttgarter hat die Münchner Kollegen informiert.

Obwohl von Hoeneß oder dem FC Bayern nicht die Rede war, war den Experten schnell klar: Solche Summen konnte nur der FC Bayern stemmen. Der Münchner Steuerfahnder wollte für den 18. Januar 2013 deswegen ein Gespräch mit seinen Vorgesetzten. Am Morgen bekam er den Hinweis: Er brauche sich nicht mehr darum kümmern, man habe die Informationen jetzt von anderer Stelle. Am Tag vorher war die Selbstanzeige von Hoeneß eingegangen. Die Verteidigung wertet die Zeugenaussagen so, dass Hoeneß noch nicht entdeckt war. Der Staatsanwalt lächelt.

Es wird eng für Uli Hoeneß.

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