FC Bayern:Hoeneß' Rat wird für Kovac zur Herausforderung

FC Augsburg - Bayern München

Präsident Uli Hoeneß würde ihn gern auf der Sechser-Position spielen sehen: Bayern-Profi Javi Martínez (2.v.r.).

(Foto: dpa)
  • Bayern-Trainer Niko Kovac steht nach dem Ausfall von Innenverteidiger Niklas Süle vor schwierigen Überlegungen.
  • Präsident Uli Hoeneß prophezeit: "Die Abwehrproblematik wird sich sowieso aus meiner Sicht demnächst erledigen, wenn der Martínez auf der Sechs spielt."
  • Die Empfehlung erschwert die Arbeit des unter Druck geratenen Trainers zusätzlich.

Von Martin Schneider und Benedikt Warmbrunn, Athen

Es ist gerade einmal viereinhalb Monate her, da hatte Uli Hoeneß eine sehr deutliche öffentliche Empfehlung ausgesprochen. Der FC Bayern hatte nach der Meisterschaft auch den Pokal gewonnen, eine turbulente Saison war versöhnlich zu Ende gegangen, es stand noch die Feier auf dem Münchner Rathausbalkon an. Hoeneß aber war nicht versöhnt, er sagte: "Als Freund würde ich ihm empfehlen, sich einen neuen Verein zu suchen." Hoeneß gilt nach wie vor als mächtigster Mann des deutschen Fußballs, aber diese Empfehlung ist nicht gut gealtert. Jérôme Boateng, den dessen vermeintlicher Freund Hoeneß loswerden wollte, gehört immer noch zum Kader des FC Bayern. Und er ist auf einmal so wichtig wie noch nie in diesem Kalenderjahr.

Am Montag hat Hoeneß wieder eine sehr deutliche Empfehlung ausgesprochen. Und daran, wie diese Empfehlung in den nächsten Wochen altern wird, wird auch zu erkennen sein, wie es um die Macht von Niko Kovac im Verein steht.

Der FC Bayern ist am Montag nach Athen geflogen, an diesem Dienstagabend wird er bei Olympiakos Piräus das dritte Gruppenspiel dieser Champions-League-Saison bestreiten. Es ist ein Spiel, das in einer turbulenten Phase der Saison stattfindet, der FC Bayern ist in der Liga so schlecht gestartet wie seit neun Jahren nicht mehr, zudem hat sich Niklas Süle am Kreuzband verletzt, der wichtigste Mann in der Innenverteidigung der Münchner. Mit der Mannschaft ist auch Präsident Hoeneß nach Athen geflogen, er hat nebenbei ein paar Sätze zur aktuellen Lage des Klubs gesagt. Und wie so oft, wenn dieser mächtige Mann sich äußert, haben seine Sätze eine gewaltige Wucht entwickelt.

"Wir sind einen Punkt hinter dem Ersten. Wollen Sie uns eine Krise einreden?"

Über Süle hat Hoeneß gesagt: "Die Saison ist vorbei." Sogar die Europameisterschaft im Sommer könne man "vergessen". Eine bittere Prognose, für Süle, langfristig auch für Bundestrainer Joachim Löw, kurz- und mittelfristig zudem für Kovac, der kurz-, mittel- und auch langfristig gerne Trainer des FC Bayern bleiben würde. Hoeneß gilt - zumindest mehr als bei Boateng - als Freund von Kovac, er hat ihn zum FC Bayern geholt, er hat ihn in den turbulenten Phasen der vergangenen Saison geschützt. Vermutlich wollte der Präsident seinen Trainer auch am Montag stützen, immerhin leugnete er alle Turbulenzen. Am Flughafen rief er einem Reporter zu: "Wir sind einen Punkt hinter dem Ersten. Wollen Sie uns eine Krise einreden?"

Dann aber sprach Hoeneß eine Empfehlung aus, die die ohnehin komplizierte Arbeit von Kovac weiter erschwert hat.

Süle war für den Bayern-Trainer der oberste Innenverteidiger, im Januar ernannte er ihn zum Abwehrchef, vor Mats Hummels und Boateng. Der robuste, zweikampfstarke, schnelle Süle entspricht genau dem körperlichen Spiel, wie es sich Kovac und sein Bruderassistent Robert (der einst ein intensiv und körperlich agierender Innenverteidiger war) wünschen. Ohne Süle und den im Sommer nach Dortmund zurückgekehrten Hummels fehlt Kovac nun die Innenverteidigung, die entscheidend war auf dem Weg zu Meisterschaft und Pokal in der vergangenen Saison. Sie fehlt ihm in einer Phase, in der er wieder unter Druck geraten ist, unter anderem, weil derzeit die Statik im gesamten Spiel der Bayern nicht stimmt. Er muss nun auf einer Position eine Lösung finden, wo er sich so klar für einen Spieler eingesetzt hat wie sonst nirgendwo auf dem Spielfeld.

Durch Süles Verletzung stelle sich die Abwehr von allein auf, findet Hoeneß

Müssen nun die französischen Weltmeister Benjamin Pavard und Lucas Hernández, die im Sommer für zusammen 115 Millionen Euro gekommen sind, die Abwehrmitte bilden? Obwohl beide, Pavard und Hernández, mit Anpassungsschwierigkeiten und Wehwehchen kämpfen? Sollte der Trainer auf eine Dreierkette umstellen, obwohl er nur ungern sein System verändert? Und müsste er jetzt nicht auf den neben Süle bislang stabilsten Innenverteidiger dieser Saison setzen, also auf den im Mai vom Präsidenten wegempfohlenen Boateng - obwohl Kovac Boateng am Samstag demonstrativ nicht für Süle eingewechselt hat? Für Kovac sind das keine leichten Überlegungen. Er braucht jetzt schnell wieder Erfolg, am besten auch überzeugende Spiele, um seine Position zu stabilisieren.

Für Hoeneß aber ist die Sache einfach. "Durch die Verletzung von Süle", sagte der Präsident, "stellt sich die Abwehr von allein auf." Hoeneß prophezeit: "Die Abwehrproblematik wird sich sowieso aus meiner Sicht demnächst erledigen", dann folgt der Halbsatz, der für Kovac zur Herausforderung wird: "wenn der Martínez auf der Sechs spielt". Denn dann "kriegen wir sowieso in Zukunft weniger Gegentore".

Mit diesen Worten flog der FC Bayern Richtung Athen, und dort angekommen hatte Kovac - mal wieder - die Aufgabe, die Worte der Chefetage einzuordnen. "Der Präsident hat niemanden gefordert", war seine Deutung der Worte. Er tausche sich mit Uli Hoeneß aus, und er bat darum, die Aussage "nicht wieder zu interpretieren". Aber dass man mit Martínez automatisch weniger Gegentore kassieren würde, das stimme so nicht. Schließlich habe er in Augsburg gespielt, und das Ergebnis sei bekannt. Auch der Aussage, die Abwehr stelle sich alleine auf, widersprach Kovac. Er habe vier Optionen für die Innenverteidigung: Hernandez, Pavard, Boateng und auch Martínez. Welche davon er wählen wird? Mal schauen. Den eigentlich selbstverständlichen Satz: "Ich stelle die Mannschaft auf", musste er nach Hoeneß' Flughafen-Ratschlägen trotzdem noch mal sagen.

Dass Kovac sich als Münchner Trainer nie befreien konnte von all dem Druck, das lag auch daran, dass er nie die uneingeschränkte Unterstützung der Bosse gespürt hat. Hoeneß hat ihn zwar gestützt, lange aber schweigend. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss, hat gerne genüsslich daran erinnert, dass die Krise des vergangenen Jahres nur überwunden werden konnte, weil die Bosse Kovac von der Rotation hätten abbringen können. Inzwischen setzt der Trainer auf wenige Spieler, statt diese auszutauschen, lässt er sie lieber auf unterschiedlichen Positionen spielen. Hernández zum Beispiel mal als Linksverteidiger, mal in der Innenverteidigung.

Javier Martínez war einer der Spieler, die Kovac bisher kaum einsetzte. Gerade deshalb wird allein die Empfehlung von Hoeneß nun zur Herausforderung für den Trainer: Stellt er Martínez weiter auf, kann er sich nicht vom Einfluss seiner Bosse lösen. Spielt Martínez nicht, setzt Kovac nach Thomas Müller bereits den zweiten Publikums- und Vorstandsliebling dauerhaft auf die Bank.

Müller stand in Augsburg zum sechsten Mal in Serie nicht in der Startelf, vor Kurzem hatte er mit seinem Abschied gedroht hat - um dann von den Bossen viel Zuspruch zu erhalten. Dass die Medien sich so sehr für Müller interessieren, auch darüber hat sich Hoeneß aufgeregt: "Bei euch wird jede Woche die Geschichte weitergemacht. Man zwingt den Trainer, ihn aufzustellen. Das ist einfach eine Schweinerei."

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