Süddeutsche Zeitung

Uli Hoeneß:Eine schmerzhafte und zähe Zäsur

Der langjährige Vereinspräsident zieht sich zurück. Aber wann und wie? Über die Frage, wie das Erbe des FC Bayern geordnet wird, ist zwischen den Bossen Hoeneß und Rummenigge viel in die Brüche gegangen.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Wie weit Uli Hoeneß sich schon längst aus dem Alltag des FC Bayern zurückgezogen hat, zeigt sich daran, wo die Nachricht von seinem bevorstehenden Rückzug die Meistermannschaft, das wirtschaftliche Kernstück des Vereins, überraschte. Diese bereitete sich Dienstagnacht im fernen Kansas auf ein später 1:0 gewonnenes Testspiel gegen den AC Mailand vor. Derweil saß Hoeneß im fernen Europa und staunte über die Bild-Schlagzeile des Tages: "Hoeneß macht Schluss bei den Bayern." Von ihm sei die Botschaft nicht lanciert, erklärte Hoeneß am Morgen danach, weder bestätige noch dementiere er. Am 29. August tage der Verwaltungsbeirat des Rekordmeisters, diesem werde er von seinen Plänen berichten. Anschließend gäbe es vielleicht Definitives.

Wo Rauch ist, da ist meist auch Feuer. Es dürfte also durchaus so sein, dass sich in der Führung der Münchner einiges ändert, dass Hoeneß also im November bei der Mitgliederversammlung nicht wieder als Präsident kandidiert (und auch nicht fürs daran gekoppelte Amt des Aufsichtsratschefs). Ob er sich auf den Thron eines Ehrenpräsidenten zurückzieht oder ein neues Modell vorschlägt, ist derzeit völlig offen. Denkbar wäre zum Beispiel auch: Verzicht aufs Präsidentenamt, Verbleib im Aufsichtsrat.

Erwartet wird von Hoeneß ein Signal nach außen, mehr aber noch nach innen: Wir machen hier jetzt etwas anders! Wir ziehen das wirklich durch! Die Zeit des demonstrativen Dualismus, mit Karl-Heinz Rummenigge, 63, als Sportvorstand im operativen Geschäft, also jetzt in Kansas, und Hoeneß, 67, im repräsentativen Beritt, also jetzt daheim am Tegernsee, ist endgültig Geschichte. Parallel zum Ende der sportlichen Ribrob-Ära - des erfolgreichen Jahrzehnts mit Franck Ribéry und Arjen Robben und dem Höhepunkt des Gewinns der Champions League im Jahr 2013 - vollzöge sich damit auch das Ende des Zyklus des prominenten Führungsduos.

Herbert Hainer ist bereits 65 Jahre alt

Es ist eine zähe, offenbar zunehmend schmerzhafte Zäsur. Sie entwickelt sich in unzähligen Etappen. Die Nachfolge Rummenigges ist zwar längst fixiert, aber so recht, hat man den Eindruck, hat sich der Vorstandschef mit dem Datum noch nicht anfreunden können. Im Dezember 2021 werden die Vorstandsgeschäfte an die bereits in wenigen Monaten einrückende Klubikone Oliver Kahn offiziell übergeben. Und sollte Herbert Hainer, der einstige Adidas-Chef, sich im November zum Hoeneß-Nachfolger wählen lassen wollen, so scheint auch er nur ein Präsident auf Zeit zu sein. Hainer ist bereits 65, er wäre vermutlich Platzhalter für einen Jüngeren, vielleicht so einen Bastian-Schweinsteiger-Typus.

Über die Frage, wie nun das Erbe des FC Bayern geordnet wird, ist zwischen Hoeneß und Rummenigge viel in die Brüche gegangen. Sie sitzen zwar Samstag für Samstag nebeneinander auf der Tribüne, doch dies wirkte zunehmend wie ein schockgefrostetes Standbild aus der Bundesliga. Denn in den Grundsatzfragen liegen sie weit auseinander: Rummenigge bevorzugte Philipp Lahm als seinen Nachfolger - er muss sich mit Kahn arrangieren. Rummenigge wollte Thomas Tuchel als Trainer - er muss sich im Augenblick mit Niko Kovac befassen. Und Rummenigge schien nicht einverstanden zu sein mit dem Zeitpunkt seines Abschieds, den Hoeneß in den Gremien des FC Bayern für ihn ausverhandelte.

Hoeneß versucht, sein Erbe zu ordnen. Doch weil die zwei in Kernfragen immer weiter auseinanderdriften und der Dissens auch noch öffentlich ausgetragen wird, sorgen sie selbst dafür, dass der Glanz ihrer Trophäen verblasst. Auch deshalb registriert die Öffentlichkeit dieses ewige Grundrauschen vom angeblichen Chaosclub FC Bayern - derweil die Münchner Fußballer und Basketballer eine Meisterschaft nach der anderen einsammeln.

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Sz.de/schm
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