Süddeutsche Zeitung

Uli Hoeneß:"Sonst ist das nicht mehr mein FC Bayern"

  • Die Mitgliederversammlung vom Freitagabend hat Uli Hoeneß nachdenklich gemacht.
  • Der Bayern-Präsident hat ungewöhnlich viel Kritik und Häme einstecken müssen.
  • "Ich war schockiert", sagte Hoeneß am Sonntag, "ich hoffe, dass es sich wieder ändert."

Von Christof Kneer

Der Oberschenkel von Uli Hoeneß war von der Zuschauertribüne aus nicht zu erkennen. Das war schade, denn jetzt wäre der Moment gewesen, an dem man die Bayern an ihren großen Worten hätte messen können. Das ist bei solchen Veranstaltungen ja immer die Frage: Tun die Herren auf dem Podium nur so transparent und ehrlich, oder sind sie's wirklich?

Er werde "Uli in Zukunft hin und wieder die Hand auf den Oberschenkel drücken, wenn ich merke, du wirst unruhig - damit du nicht irgendwann explodierst": Das hatte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, im Verlauf dieser Mitgliederversammlung leichtsinnig angekündigt, nicht ahnend vermutlich, dass der Oberschenkel-Alarmfall so schnell eintreten würde. Beim sehr berüchtigten Tagesordnungspunkt "Wortmeldungen" stand gerade das Bayern-Mitglied Johannes Bachmayr auf dem Podium und erklärte, dass er früher als Bub immer "Uli Hoeneß" als Berufswunsch gehabt habe, jetzt aber eher nicht mehr.

Ein Ehrenspielführer sei nicht zu verbannen, sagte der Mann auf dem Podium

Bei seiner Suche nach Vorwürfen hatte sich der ehemalige Bub offenbar viel Zeit genommen, er ließ jedenfalls nichts aus: Hoeneß' Wortwahl, sein "Nachtreten" gegen ehemalige Familienangehörige wie den Ex-Spieler Juan Bernat, Spezlwirtschaft hier, Spezlwirtschaft da - ein wilder Ritt war das, stramm zugaloppierend auf den Höhepunkt, wonach Hoeneß es "nicht im Kreuz gehabt" habe, den sehr früheren Kumpel Paul Breitner persönlich von seiner Entfernung aus dem Ehrengastbereich in Kenntnis zu setzen; Hoeneß habe den Finanzvorstand Dreesen "zum Telefonlakaien degradiert".

Ein Ehrenspielführer sei nicht zu verbannen, sagte der Mann auf dem Podium dann noch, "es ist nicht Ihr Stadion, der Verein ist nicht Ihr Eigentum".

Wie jetzt, der FC Bayern München ist nicht Uli Hoeneß' Eigentum? Seit wann? Und wirklich: Hoeneß' Oberschenkel hätte man jetzt schon gerne gesehen.

Man wird wohl nie erfahren, ob es nun Rummenigges Einfluss war, der Hoeneß antworten ließ. Jedenfalls sagte der Präsident: In diesem Vortrag seien so viele Unwahrheiten drin gewesen, da brauche er drei Stunden, um zu antworten - und überhaupt, "eine Diskussion auf diesem Niveau lehne ich total ab". Es folgten Buh- und auch noch ein paar schlimmere Rufe.

Es ist bei solchen Jahreshauptversammlungen nie leicht, vom Kleinen aufs Große zu schließen, und noch schwieriger ist es, die Einzelmeinungen auf ihre Mehrheitsfähigkeit zu untersuchen. Solche Bühnen ziehen ja grundsätzlich auch wissenschaftlich interessante Exemplare an, und auch bei einem Verein wie dem FC Bayern muss der Folklorefaktor immer mitberechnet werden. Auch diesmal ist ja der Mann mit dem Bilderbuchbart und dem Bilderbuchhut wieder in die Bütt gestiegen und hat auf Bilderbuchbairisch gesagt, dass das gegen Düsseldorf übrigens Abseits war.

Oder ging's drum, dass es gegen Düsseldorf kein Abseits war? Kann sein. Aber ist ja wahrscheinlich auch wurscht.

Ein anderes Vereinsmitglied ging dann übrigens auf die Bühne, um all "den fleißigen Bienchen" zu danken, wobei man nicht ganz genau wusste, welchen. Und dass Bienchen rein optisch eher aussehen, als stünden sie beim BVB unter Vertrag? Auch das: vielleicht gar nicht mal so wichtig.

Im Gegensatz dazu war es die offensichtliche Reaktion in der Halle, die die scharfe Predigt des Hoeneß-Kritikers Bachmayr von anderen Einzelmeinungen unterschied. Die Leute im Saal lachten nicht, sie schlugen sich auf eine Seite. Sie gaben entweder dem Kritiker lautstark recht (hinten auf den Rängen) oder sie gaben ihm etwas vornehmer unrecht (die Stuhlreihen vorne, in Nachbarschaft von Edmund Stoiber). Die Familie war sich hörbar uneinig: Und das ist doch sehr neu beim FC Bayern - auch wenn es, wie Hoeneß bei einem Fanklubtreffen am Sonntag sagte, "nur ein ganz kleiner Teil der Mitglieder war, die den Versuch unternommen haben, meinen tadellosen Ruf als Manager, Vorstand und jetzt Präsident zu beschädigen".

Man muss sagen: Für einen ganz kleinen Teil waren sie doch ganz schön laut.

Auf die Mitglieder des Vereins, von dem man ja schon irgendwie dachte, dass er ihm gehört, hat sich Hoeneß immer verlassen können, die Mitgliederversammlung war stets seine Machtbasis. Solche Abende haben ihn legitimiert, den FC Bayern quasi in einen inhabergeführten Fußballverein zu verwandeln - der Verein wirkte wie ein superedler, supertraditioneller Herrenausstatter, der seit 118 Jahren am selben und selbstverständlich besten Platz der Stadt seinen Sitz hat. In diesem Familienbetrieb war Hoeneß Gründer, Inhaber, Geschäftsführer, Einkäufer und dann später und bis zum heutigen Tag der unfassbar verdienstvolle Seniorchef, den alle verehrten und dessen Gespür für den Markt und dessen Bauchgefühl fürs Personal alle vertrauten.

Und natürlich wusste der Inhaber auch immer genau, was zu tun ist, wenn die Stimmung im Familienbetrieb mal etwas angespannter war. Drei Dinge helfen/halfen dann immer: Attacken gegen den BVB, den TSV 1860 und natürlich die Medien, und auch das war doch sehr neu an diesem Abend - dass ausgerechnet die Medien im Moment nicht mehr als Feindbild taugen.

Die Pressekonferenz kürzlich sei "verbesserungswürdig" gewesen, sagte Hoeneß am Ende seiner 27-minütigen, sehr um Sachlichkeit bemühten Rede und kassierte spöttisches Gelächter.

Das heißt natürlich nicht, dass die Medien so toll sind und Hoeneß nicht mehr so toll ist. Es heißt aber, dass die Angestellten ihrem Seniorchef nicht mehr bedingungslos auf jedem Weg folgen, auch weil sie das Gefühl haben, dass der Senior zurzeit vielleicht ein bisschen arg emotional ist.

Es habe an diesem Abend "Ansätze gegeben, wie ich mir den FC Bayern nicht vorstelle", sagte Hoeneß später und dass ihn manches "sehr" getroffen habe. Und am Sonntag sagte er: "Ich war schockiert. Ich hoffe, dass es sich wieder ändert, sonst ist das nicht mehr mein FC Bayern."

Tatsächlich muss sich Hoeneß gerade komische Sachen sagen hören. Schon während der Versammlung räumte er ein, dass er seine Wortwahl in Zukunft "überprüfen" werde, und in einer kleinen Presserunde im Anschluss meinte er, "dass ich in meiner Zeit vor dem heutigen Tag jetzt vielleicht das eine oder andere gesagt hätte, was ich morgen bedauert hätte". Künftig wolle er "eine Nacht drüber schlafen".

Das klang doch erstaunlich klein für diesen schon immer noch sehr großen Mann, der bisher stets zu eigenen Bedingungen gegeben und genommen hat. Aber offenbar hat Hoeneß das Gefühl, dass die Leute solche Sätze jetzt von ihm hören wollen.

Paul Breitner sei "nicht Opfer, sondern Täter"

So hat er dann auch noch mal Stellung genommen zu jenem Paul-Breitner-Konflikt , dessen Ursprünge in die Achtzigerjahre zurückreichen. "Ich habe mit Paul Breitner gebrochen, als ich aus dem Gefängnis kam", sagte Hoeneß am Freitagabend, und am Sonntag - nachdem er sogar zweimal drüber geschlafen hatte - ergänzte er beim Fanklubtreffen, das Verhältnis sei "nicht mehr zu kitten". Breitner werde "zum Märtyrer gemacht", sei aber "nicht Opfer, sondern Täter".

Laut Hoeneß habe Breitner vom FC Bayern in den letzten acht Jahren "fast zwei Millionen Euro Honorar bekommen für 15 bis 20 Vorträge vor Sponsoren" und 2017 "nach einer Auseinandersetzung mit Karl-Heinz Rummenigge diesen Vertrag hingeschmissen". Und zuletzt hatte sich Breitner den Zorn des Klubs zugezogen, als er die schon jetzt auf Jahre hinaus unschlagbare Pressebeschimpfungskonferenz schärfstens kritisierte. Klubinsider flüstern derweil von einem viel tieferen Grund für das Zerwürfnis: Hoeneß habe angeblich den Eindruck gewonnen, dass Breitner die Hoeneß'sche Gefängniszeit nutzen wollte, um einen prägenden Posten im Klub abzubekommen. Bestätigt wird diese Theorie natürlich von niemandem.

So steht am Ende auch Breitner für den Konflikt, den dieser Familienbetrieb gerade mit sich selbst austrägt. Immerhin hat Hoeneß bestätigt, dass Oliver Kahn, ein doch recht charakteristisches Familienmitglied, in den Zukunftsplanungen "eine Rolle" spiele. Wobei sich wohl weniger die Frage stellt, welche Rolle er spielen soll, sondern wann er sie spielt - als Sportvorstand komme Kahn nicht infrage, so Hoeneß, für diese Upgrade-Version eines Sportdirektoren-Jobs fehlen Kahn wohl Erfahrung und Netzwerk. Kahn soll Rummenigge als Vorstandschef ersetzen, allerdings ließ Hoeneß keinen Zweifel daran, dass Rummenigge seinen am 31.12.2019 auslaufenden Vertrag um zwei Jahre verlängern solle. Bis dahin müsse man sich Kahn "warmhalten".

Und Hoeneß, der Präsident? Er müsste sich in einem Jahr, bei der nächsten Mitgliederversammlung, zur Wiederwahl stellen. Wie dringend er das möchte in seinem inhabergeführten Familienbetrieb, der zurzeit manchmal so komisch drauf ist: Das hat Uli Hoeneß übrigens nicht gesagt, weder am Freitagabend noch danach, mit ein oder auch zwei Nächten Schlaf.

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Quelle:
SZ vom 03.12.2018/jbe/ebc
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