Süddeutsche Zeitung

Hoeneß beim Spiel der Bayern:Platz an der Treppe

Keine Plakate, keine Sprechchöre: Uli Hoeneß erlebt einen ruhigen Abend in der Arena - weil viele Anhänger noch nicht wissen, wie sie mit ihrem Präsidenten umgehen sollen.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Der Fußball-Fan Uli Hoeneß und der Fußball-Fan Heinz aus Mannheim saßen schon oft gleichzeitig in einem Stadion, sie haben gemeinsam gelitten, gemeinsam geschimpft, gemeinsam getrauert. Meistens haben sie gemeinsam gejubelt. Seit zehn Jahren hat Heinz aus Mannheim eine Dauerkarte für die Arena in Fröttmaning, er reist zu fast allen Heimspielen des FC Bayern an. Noch nie hat sich der Fußball-Fan Heinz aus Mannheim dem Fußball-Fan Uli Hoeneß bei einem gleichzeitigen Stadion-Besuch so fern gefühlt wie an diesem Dienstagabend.

"Der Uli war für mich immer ein Vorbild", sagt Heinz aus Mannheim, "deswegen bin ich jetzt ja umso enttäuschter."

Es sind noch 80 Minuten bis zum Anpfiff des Rückspiels im Champions-League-Achtelfinale, die U-Bahn nach Fröttmaning ist gefüllt mit Fußball-Fans. Die des FC Arsenal singen, hüpfen, und dann singen sie noch ein bisschen lauter. Die Fans des FC Bayern singen nicht. Sie diskutieren. Nicht über die Partie gegen den FC Arsenal. Sondern über Uli Hoeneß, den Prozess gegen den Präsidenten wegen Steuerhinterziehung, und vor allem über diese Summen, um die es geht, und die immer größer werden. Erst waren es 3,5 Millionen Euro, dann 18,5 Millionen, am Dienstag geht es um 27,2 Millionen. "Das ist gravierend", sagt Heinz.

Der FC-Bayern-Fan aus Mannheim ist einer der wenigen Anhänger, der offen über den Prozess um den Präsidenten redet. Die meisten anderen Fans schweigen. Sie wissen nicht, was sie sagen sollen. Kaum einer wendet sich von Hoeneß ab. Doch es will auch fast niemand mehr uneingeschränkt zu ihm stehen.

Erst einmal das Urteil abwarten

Keine Plakate, keine Sprechchöre wie im vergangenen Frühling, als der Fall öffentlich wurde. Kein minutenlanger Applaus wie auf der Jahreshauptversammlung im Herbst, als Hoeneß weinte, im vertrauten Umfeld des Vereins, den er geprägt hat wie keiner zuvor. Man wolle erst einmal das Urteil abwarten, sagt ein Sprecher des Fanclub-Dachverbandes "Club Nr. 12", "dann können wir überlegen, ob wir reagieren. Und wie."

Jahrzehnte lang hatte sich Hoeneß vor den Verein gestellt, im vergangenen Jahr stellte sich der Verein mit vielen Mitgliedern vor Hoeneß. An diesem Abend jedoch stehen beide Seiten eher nebeneinander. Und wissen nicht so recht, wie sie sich wieder näher kommen sollen.

Franz Beckenbauer immerhin, der Ehrenpräsident, er spricht sich weiterhin zuversichtlich für Hoeneß aus. "Irgendwann muss die Verteidigung kommen. Spiele gewinnst du in der Verteidigung", sagt er dem Fernsehsender Sky, "ich hoffe, dass die Verteidigung stark genug ist, den Punkten der Anklage zu widersprechen."

Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff heißt es, dass Uli Hoeneß bereits früh in die Arena gekommen sei, so wie er das vormittags am Gericht angekündigt hatte. Später wird er sich neben den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge setzen, auf den Platz direkt an der Treppe. In der Halbzeit unterhält er sich mit Edmund Stoiber, dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten, ein Vertrauter. Der Präsident versteckt sich also nicht, so sehen das viele Fans, sie finden das auch richtig so. "Man will sich diesen Verein ja gar nicht ohne Uli Hoeneß vorstellen", sagt Heinz aus Mannheim.

Allein: Muss sich der FC-Bayern-Fan nicht genau das langsam vorstellen - den eigenen Verein ohne Uli Hoeneß? "Auf gar keinen Fall", sagt Heinz. Er findet, dass Hoeneß selbst dann alle Ämter behalten sollte, falls er zu einer Haftstrafe verurteilt werden sollte. "Das sind Fehler, die nicht zu beschönigen sind", sagt er, "aber jeder hat eine zweite Chance verdient." Er zum Beispiel beschäftige seine Putzfrau, ohne sie angemeldet zu haben, das sei ja ebenfalls ein kleiner Steuerbetrug.

Dass die Zuschauer Hoeneß so ausdrücklich nicht begrüßen, das werten die meisten von ihnen jedoch durchaus so, dass die Solidarität zum Präsidenten auch ihre Grenzen habe. "Es ist leider nicht zu übersehen, dass er den Überblick verloren hat", sagt einer. Er meint nicht nur die Finanzgeschäfte des Präsidenten.

Vor der Arena steht auch ein Ehepaar aus der Schweiz, "jaja", sagt die Frau, "auch unser Finanzsystem mag nicht schuldlos sein". Sie mag den Präsidenten Hoeneß, sagt sie, weiterhin. "Da sind so viele Emotionen dabei." Sie sagt, sie würde gerne etwas Aufmunterndes sagen. Ihr fällt nichts ein.

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SZ vom 12.03.2014/jkn
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