Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Titanische Unterschiede

Philipp Lahm erträgt die Entrüstung nach seiner Autobiographie, ein Twitter-Doppelgänger belästigt den HSV-Trainer, Manuel Neuer schlägt im Bayern-Tor gleich Oliver Kahn und der Schalker Raúl erschafft den schönsten Heber der Bundesliga-Geschichte.

Das Beste aus der Bundesliga-Hinrunde

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Neuers unglücklicher Einstand

Manuel Neuer

Quelle: imago sportfotodienst

Philipp Lahm erträgt die Entrüstung nach seiner Autobiografie, ein Twitter-Doppelgänger belästigt den HSV-Trainer, Manuel Neuer schlägt gleich Oliver Kahn und Raúl erschafft den schönsten Heber der Bundesliga-Geschichte. Die Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde.

Neuers unglücklicher Einstand

Am ersten Spieltag, in der 62. Minute, da rauschten im Münchner Strafraum zwei Millionen-Männer aufeinander zu: Manuel Neuer, der neue Torwart, 25 Millionen Euro teuer. Und Jérôme Boateng, der neue Verteidiger, 14 Millionen Euro schwer. Einigen konnten sich beide nicht: Neuer wartete kurz, Boateng auch - der Gladbacher Igor de Camargo nutzte den Millionen-Fauxpas per Kopf zum Siegtreffer. 44 Millionen Euro (der Brasilianer Rafinha kostete fünf Millionen) hatten die Bayern in ihre neue Defensive investiert - alles umsonst?

Nein. Denn de Camargos Gegentreffer sollte für lange Zeit der letzte bleiben. Acht Bundesliga-Spiele und 1146 Pflichtspielminuten blieb Neuer danach ohne Gegentor, was einen neuen Bayern-Rekord (trotz Oliver Kahn!) darstellte. Er ließ sich nicht mal von Boateng aus der Ruhe bringen. Die Pfiffe gegen ihn, den früheren Schalker, verstummten. Wer Leistung bringt, wird in München eben doch gemocht.

Das Tor im Video

(ebc)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Raúls zauberhafter Heber

Raul

Quelle: imago sportfotodienst

Manche Tore sind so schön, dass man sich vor ihrem Erschaffer verneigen möchte. Raúls malerischer Heber gegen den 1. FC Köln war so ein Moment - sein 4:1 war außerordentlich hübsch anzuschauen. Nachdem sein Teamkollege Jan Moravek ihm an der Strafraumgrenze einen Pass zugechippt hatte, drehte sich Raúl um die eigene Achse und nahm dabei geschickt den Ball mit.

Dann entfaltete sich wahre Kunst, wie sie sonst nur im Madrider Prado auftaucht: Raúl lupfte das Leder über Kölns Torhüter Michael Rensing - und zwar in einem solch hohen Bogen, dass die Kugel im Steilflug über die Linie plumpste. Es war kein alltäglicher Heber, keine eilig entstandene Lösung, um den herausstürzenden Keeper zu übertrumpfen - bei Raúl sind solche Pfiffigkeiten charakteristisch. So erklärte es sein damaliger Trainer Ralf Rangnick: "Die macht er oft im Training, das hat uns nicht überrascht. Wir wären eher überrascht gewesen, wenn er anders geschossen hätte."

Ein Glück also, dass es der Madrilene nicht auf herkömmliche Art versuchte. Lupfgegnern wie Franz Beckenbauer (er verbot bei den Bayern einst diese Kunstform) sei gesagt: Wer so formvollendet per Heber verwandelt wie Raúl, der möge bitte nur noch lupfen. Ende der Verbeugung.

Raúls Tor im Video mit Radio-Reportage

(jbe)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Eren Derdiyoks Fallrückzieher

Eren Derdiyok

Quelle: imago sportfotodienst

Und wo wir bei wunderbaren Treffern sind: Eren Derdiyok zeigte eine herausragende Vorführung. Der Leverkusener Stürmer traf gegen Wolfsburg per Fallrückzieher - und zwar so stilsicher, dass er gleich seine Karriere beenden sollte. Dass ihm je wieder eine solch genialische Aktion gelingt, ist so ungewiss wie eine Fanfreundschaft zwischen Leverkusen und Köln: Der Schweizer stoppte einen langen Ball aus der Höhe, stubste sich die Kugel gegen zwei Gegenspieler zurecht, drehte sich und lag plötzlich waagrecht in der Luft.

Derdiyok fiel zu Boden, während sein Schuss in perfekter Flugbahn über VfL-Keeper Diego Benaglio - einen anderen Schweizer, wohlgemerkt - ins Wolfsburger Tor zischte. Unter all den Fallrückziehern der Traumtor-Historie ist Derdiyoks vielleicht nicht der brachialste, aber sicher einer der filigransten. Wen interessieren schon die Rivaldos und Ibrahimovics dieses Fußballplaneten, wo es doch Derdiyok gibt. 

Derdiyoks Tor im Video

(jbe)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Fans feiern

Hannover 96 v 1. FC Koeln - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Der Fußballfan als solcher hatte es nicht leicht in diesem Herbst. Das Bild verfestigte sich, es sammle sich da eine Horde unbelehrbarer Feuerwerksmeister, Pyromanen und Anbeter von bengalischen Feuern in den Kurven und Ecken der deutschen Stadien. Gewalttäter plus aktive bis stumme Unterstützer - unlustiger Pöbel jedenfalls.

Umso schöner, dass es Kölner gibt. Die Fans des FC nahmen das Treiben ihrer Elf in Dortmund zum Anlass, mal richtig Selbstironie in die Bude zu bringen. Ihre Mannschaft war beim 0:5 chancenlos, hilflos und bedauernswert. Bald sangen die Fans fröhliche Lieder, sangen lauter, immer lauter. Am Ende feierten sie zusammen mit Kevin Großkreutz und machten La Ola. Danke, ihr Kölner Fans!

Video: Großkreutz macht die Welle mit den Kölner Fans.

(hum)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Der Twitter-Oenning

Menschen und Momente der Hinrunde

Quelle: dapd

Michael Oenning musste am Ende viel Häme ertragen. Sein Hamburger SV wollte einfach kein Spiel gewinnen, bisweilen taumelte seine Mannschaft bedauernswert chancenlos über den Platz. Der Klub stand auf dem letzten Platz, mit vier Punkten nach acht Partien. Seine Entlassung war unausweichlich.

Fast schlimmer noch: Bei Twitter schrieb ein Doppelgänger unter seinem Namen satirische Texte. Der öffentliche Spott wuchs. Denn teilweise war es wirklich lustig: Der Twitter-Oenning schrieb zur Halbzeit des Auswärtsspiels in Bremen: "Habe mich im Klo eingeschlossen. Dino Hermann (HSV-Maskottchen, Anm.d.Red.) hält die Halbzeitansprache. Kann die Fratzen nicht mehr ertragen." Und nachdem die Partie 0:2 geendet hatte: "Nur 2 Gegentore, meine Defensivtaktik fruchtet und wird verinnerlicht. Ende Februar sollte der erste Punktgewinn durchaus realistisch sein."

Social Media im Internet kann ganz schön fies sein.

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Raffaels Sololauf gegen Dortmund

Raffael

Quelle: imago sportfotodienst

Und dann rannte Raffael einfach los. So wie damals der junge Forrest Gump - nur dass der Berliner Brasilianer statt Prothesen den Ball am Fuß hatte. Hertha BSC war in Dortmund zu Gast und es stand noch 0:0, als sich die Szene des fünften Spieltags ereignete: Kurz vor der Mittellinie trudelte ein Pässchen aus der eigenen Hälfte zu Raffael, dem leichtfüßigen Mittelfeldmann der Berliner. Und der legte los. Vorbei an einer raketenhaften Grätsche von Mats Hummels (im Bild), vorbei am viel zu langsamen Neven Subotic, vorbei am zurückgeeilten Marcel Schmelzer, vorbei an allen - außer an BVB-Keeper Roman Weidenfeller.

Der parierte zwar zunächst Raffaels Tunnelversuch, doch im Nachschuss vollendete der Sololäufer schließlich sein Kunstwerk. Die Hertha führte in Dortmund und zwar wie! Ein Sprint ins Glück, ach was: ein Turbotor, wie es es selten zu bestaunen ist. Dabei hätte die Borussia doch gewarnt sein müssen: Bereits 2009 narrte ein Herthaner die komplette Dortmunder Defensive mit einem Slalomlauf. Sein Name: Raffael. 

Das Tor im Video

(jbe)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Augsburgs erster Sieg

FSV Mainz 05 v FC Augsburg  - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Den meisten Bundesligisten war Augsburg vor dieser Saison genau aus einem Grund bekannt: Wegen des traditionell "Zähfließendenverkehrs" auf der A8 neben der schwäbischen Metropole - wer nach München fuhr, musste dort vorbei. Als der FC Augsburg dann aufgestiegen war, sah das Gros der Gegner im FCA einen angenehmen Aufbaugegner. Zu Beginn der Spielzeit lief alles wie erwartet: Nach acht Spieltagen schlichen die Schwaben mit vier Punkten durch die Liga - ein Sieg war lange nicht in Sicht. Dann reiste der FCA über die A8 nach Mainz und es stand 87 Minuten 0:0. 

Als Axel Bellinghausen im Mainzer Strafraum zu Boden ging, pfiff der Schiedsrichter Elfmeter. Jan-Ingwer Callsen-Bracker schob links unten ein. Wenige Minuten später hatte Augsburg gewonnen. Zum ersten Mal in der Bundesliga. Ob in den kommenden Jahren entlang der A8 der Vorname Jan-Ingwer bei männlichen Neugeborenen übermäßig häufig vergeben wird? Wundern würde es niemanden. 

Der Augsburger Sieg in der Radio-Reportage

(mkoh)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Timm Klose weint

1. FC Nuernberg - SC Freiburg

Quelle: dapd

Fußball ist ein Männersport. Da heult man nicht, das lernen schon die Knirpse in der F-Jugend, wenn sie sich das Knie aufgeschlagen haben. Die Nicht-heulen-Regel wird nur selten außer Kraft gesetzt: Hat irgendjemand Andi Brehmes Weinkrampf in den Armen von Rudi Völler vergessen?

Ob sich die kommende Generation an die Tränen von Nürnbergs Innenverteidiger Timm Klose erinnern wird, sei dahingestellt. Beim Stand von 1:1 war ihm gegen Freiburg eine Kopfballrückgabe zu "Club"-Torwart Alexander Stephan verunglückt - in der Nachspielzeit. Stephan blieb nur ein Foul als letzte Lösung, es gab Elfmeter und der FCN verlor. 

Daraufhin brach Klose zusammen. Er schluchzte und haderte - auch vor der Kamera. "Das ist unverzeihlich, das ist eine Katastrophe." Wenige Tage später erklärte er seine Gefühlswallung: "Ich lief eigentlich schon in Richtung meiner Eltern. Da entlädt man sich schnell!" Seinen Humor hatte Timm Klose immerhin wieder gefunden. 

Das Spiel im Video

(mkoh)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Philipp Lahms Unterschied

Menschen und Momente der Hinrunde

Quelle: dapd

Es erschien am 26. August, doch da hatten es bereits alle gelesen und sich ein Urteil gebildet. Philipp Lahm, Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft und der Bayern, hatte ein Buch geschrieben - und das bescherte ihm noch mehr Aufmerksamkeit als sein fußballerisches Können. Die meisten seiner durchaus reflektierten Zeilen fanden wenig Beachtung, einige jedoch wurden rauf und runter zitiert. Diejenigen, in denen Lahm es wagt, den Führungsstil ehemaliger Trainer zu beschreiben - und sich kritische Worte erlaubt.

"Mir kam es vor, als würden ein paar Kumpel miteinander in die Ferien fahren, um Fußball zu spielen", heißt es beispielsweise über Rudi Völler. Der ehemalige DFB-Coach reagierte wütend: "Ein Kapitän, der sich durch eine Intrige zum Kapitän macht und anschließend Interna ausplaudert - da sage ich nur: Kompliment." Lahm habe sich "erbärmlich und schäbig" verhalten.

Auch Jürgen Klinsmann wehrte sich gegen Lahms Kritik ("Absolut unqualifiziert!"), von Joachim Löw kassierte der Münchner eine Rüge. Die Medien weideten sich an dem Geschehen. Am Ende musste sich Lahm entschuldigen - das Buch hält sich noch immer in den Bestenlisten. Seifenoper Bundesliga.

(sonn)

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Höhepunkte der Bundesliga-Hinrunde:Breno und die Brandstiftung

Breno droht Trainingslager-Verbot

Quelle: dapd

Der Abend füllte sich mit Grimm und Zorn. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge legen sich ja mitunter gerne mit den Pintos und Robben-Kritikern dieser Welt an. Diesmal musste die Münchner Staatsanwaltschaft dran glauben. Bayern-Spieler Breno war vor dem Spiel gegen Leverkusen verhaftet worden, er stand unter Verdacht, sein Mietshaus in Grünwald angezündet zu haben."Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, den Jungen jetzt ins Gefängnis zu stecken", empörte sich Präsident Hoeneß, "wie sich die Münchner Staatsanwaltschaft aufspielt, steht in keinem Verhältnis."

Der Pass Brenos sei in dem Haus verbrannt, außerdem könne der Brasilianer kaum Deutsch. "Was soll er da verdunkeln? Wenn das unser Land ist, dann gute Nacht Deutschland." Wenn Breno frei käme, würde er ihn in seine Heimat Brasilien schicken, zur Erholung. Der Staatsanwalt antwortete sinngemäß: Herr Hoeneß sagt ja selbst, er schickt Breno nach Brasilien, wie sollen wir ihn da freilassen?

Der Spieler saß zwei Wochen in Haft, kam gegen Kaution und Auflagen frei. Von den Bayern-Bossen war nichts mehr zu hören. War der Gegner diesmal zu stark? Trainer Jupp Heynckes will Breno im Januar 2012 mit ins Trainingslager nach Dubai mitnehmen und bat: "Das würde ihm riesig helfen. Ich hoffe, dass man Einsicht hat. Es gibt ganz klare Gesetze, aber ich denke, dass man auch an den Menschen denken muss." Doch die Gesetze wiegen offenbar schwerer: "Nach der jetzigen Entscheidung des Amtsgerichts München darf Herr Borges (Brenos Nachname, d. Red.) nicht ins Trainingslager reisen", sagte Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.

(hum)

© sueddeutsche.de/jbe/hum/gba
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