Hockey:"Unfreundlicher Akt"

Hockey-Bundestrainer Markus Weise wechselt zur DFB-Akademie

Markus Weise trainierte sowohl die deutsche Herren- als auch die Damen-Nationalmannschaft im Hockey.

(Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Abrupt wechselt Trainer Markus Weise mitten in der Olympiavorbereitung zum Fußball. Der Deutsche Hockeybund ärgert sich über den DFB.

Von Volker Kreisl

In der Zentrale sind sie jetzt verstimmt und denken vorsichtshalber schon mal an die Zukunft. Der Deutsche Hockeybund (DHB) hat seinen Erfolgstrainer an den Fußball verloren, und weil Hockey-Experten wohl auch künftig ein Thema für den Fußball sind, hoffen sie beim DHB, dass die herablassende Art, mit der der dreimalige Olympiasieger-Trainer Markus Weise mitten in der Vorbereitung für die Sommerspiele in Rio 2016 abgeworben wurde, einmalig bleibt.

"So etwas wünschen wir uns nicht noch einmal", sagt der Hockey-Präsident Wolfgang Hillmann in Richtung des Deutschen Fußball-Bundes, "in dieser Phase mit solch einer Anfrage zu kommen, war ein sehr unfreundlicher und nicht sehr sportpartnerschaftlicher Akt."

Weise wechselt in der nächsten Woche zum DFB, um dort die personelle Ausstattung der im Jahr 2018 startenden Fußball-Akademie zu übernehmen. Er verabschiedete sich am Dienstag von seiner Hockey-Mannschaft, die gerade mit dem Trainingslager für den Jahreshöhepunkt begonnen hatte, das World-League-Finale in Indien. "Relativ plötzlich" sei diese konkrete Chance gekommen, sagt Weise: "Ich bin bald Mitte 50 und musste mich fragen, ob ich bis zur Rente so weitermache - und so musste ich mich entscheiden."

Weise wollte man keine Steine in den Weg legen, für seine Pläne herrscht Verständnis im Hockeybund - keines aber für die Probleme, die das Nationalteam nun unter Umständen bekommt. Weises bisherige Männer-Auswahl befindet sich ja mitten im Formaufbau für Rio, und den Mann zu ersetzen, der allein mit den Männern zweimal Olympia-Gold holte, ist nicht so leicht. Warum der DFB nicht noch das eine Jahr bis zur Vollendung des Olympiazyklus' abwarten konnte, kann Hillmann nicht ganz nachvollziehen.

Ziemlich leicht erkennbar ist dagegen, weshalb die Fußballer Markus Weise unbedingt wollen. Er war vor allem deshalb ein erfolgreicher Trainer und Taktiker, weil er spitze im Delegieren war. Ob als Trainer der Frauen (Olympia-Gold 2004) oder später mit den Männern - Weise hat stets im Hintergrund die richtigen Fachleute zusammengezogen und sich eine Co-Trainer-Auswahl geschaffen, den im Verband sogenannten "Staff". Und er war gut darin, die immer neuen Erkenntnisse der Video- und Taktik-Runde seiner Mannschaft schnell und plausibel zu vermitteln.

Dieser Wechsel war also einerseits logisch, weil Weise beim DFB auch aufbauen und delegieren soll, andererseits weil der deutsche Hockeysport, seit Jahrzehnten erfolgreich, eine Blaupause abgibt. Ein Muster dafür, was sich ohne Störfaktoren alles erreichen lässt; welch fein abgestimmtes Spiel unterschiedliche Charaktere in einem Guss hinbekommen, wenn sie ohne den Termindruck einer mächtigen Liga und ohne Rangkämpfe beständig üben. Es ist ein Muster aus einer heilen Welt, aber anders als beim ehemaligen Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters, der sich als Fußball-Sportdirektor nicht immer durchsetzen konnte, kann Weises Arbeit im Fußball-Nachwuchs durchaus greifen.

Auf seine Art logisch, aber eben auch offenbar überheblich war der Ablauf der Wechsel-Verhandlungen, die ja eigentlich keine waren. Es ging abrupt, und beim DFB ahnt man, dass die Hockey-Kollegen nicht glücklich sind. Doch es musste dann alles schnell gehen, auch deshalb, weil die Personalsuche für den Akademie-Posten so aufwendig war wie Weises "Staff"-Aufbau. Nationalteam-Manager Oliver Bierhoff sagt, man habe 50 Kandidaten geprüft, "fünf haben wir dann tagelang interviewt, am Ende war Weise übrig". Hockey-Chef Hillmann hätte sich zwischendurch wenigstens "ein Zeichen aus dem Präsidium an unser Präsidium" gewünscht.

Womöglich ist die Suche nach einem Weise-Nachfolger aber doch nicht so schwierig. Allein in dem Fünfer-Trainer-Stab stecken wohl zwei Kandidaten. Zunächst Michael McCann, Co-Bundestrainer und ehemaliger australischer Nationalspieler. Zudem Stefan Kermas, ein ehemaliger Co-Trainer, der zuletzt als Coach für die Hallen-Auftritte der Mannschaft arbeitete. Ein Wechsel von Frauen-Bundestrainer Jamilon Mülders zu den Männern ist gröbere Spekulation, Mülders steckt ja selbst gerade in einem langfristigen Trainerwerk. Denkbarer wäre da schon der U21-Trainer Valentin Altenburg oder gleich eine ausländische Lösung, die es beim Hockeybund so noch nicht gab. In Betracht kommt da der britische Olympiasieger von 1988, Russell Garcia, der vor drei Wochen beim holländischen Top-Klub Bloemendaal mangels Erfolg gehen musste und nun frei wäre.

Die Auswahl wird eine Kommission treffen, die sich sowohl vom bestehenden Trainerstab als auch vom Mannschaftsrat beraten lassen soll. Viel Zeit bleibt nicht. Ideal wäre es, wenn Markus Weises Nachfolger die Entwicklung des Olympiateams zügig vorantreiben könnte, am besten schon vor Weihnachten, noch besser in drei Wochen, in Indien.

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