Süddeutsche Zeitung

Hockey:Schmerzhafter Schlenzer

Die Halbfinal-Niederlage des Männerteams gegen Belgien bei der Europameisterschaft zeigt deutlich: Dem deutschen Spiel fehlen auf dem Weg zu den olympischen Sommerspielen nach Tokio noch einige Prozent.

Von Volker Kreisl, Antwerpen/München

42 Minuten lang hatte alles gepasst. Die Mannschaft von Bundestrainer Stefan Kermas hielt lange dagegen. Sie hatte sogar lange in Führung gelegen nach ihren beiden Kontertreffern gegen den EM-Gastgeber Belgien, wonach die Stimmung im Stadion der bei einem Waldspaziergang glich. Bis zur 42. Minute also stemmte sich das deutsche Team erfolgreich gegen den Weltmeister. Aber dann gelang den Belgiern der Anschlusstreffer, und es wurde wieder laut.

Die deutschen Hockey-Männer waren knapp dran am ersehnten Einzug ins Finale, aber sie begingen am Ende dann doch wieder zu viele Fehler. Und dennoch stehen ihre gut absolvierten drei Viertel der Gesamtspielzeit von 60 Minuten auch fürs große Ganze. Hockey gilt als Entwicklungssport, immer wieder müssen Mannschaften aufs Neue aufgebaut werden, gerade ist Olympia 2020 in Tokio das große Ziel. Und Kermas' Team, der Weltranglisten-Siebte, der in diesem Frühsommer noch einen deutlichen Rückstand zu den Besten der Welt aufwies, hat in Antwerpen gezeigt: Man hat viel aufgeholt, nur ein bisschen fehlt noch, vielleicht ein Viertel, vielleicht nicht mal das.

Bei dieser Europameisterschaft können die Deutschen immer noch eine Medaille erringen, am Samstag geht es im Spiel um Bronze gegen die Niederlande (18 Uhr). Doch das wichtigste Ziel von Antwerpen hatte man schon vorher erreicht. Die Deutschen haben England in der Weltrangliste überholt, weshalb sie im Herbst im entscheidenden Spiel um die Olympiaqualifikation in Gruppe eins aufrücken und einen Gegner aus einer schwächeren Abteilung zugelost bekommen.

Vieles haben die Spieler um Kapitän Mats Grambusch diesmal also verbessert, und auch nach dem 1:2 in der 42. durch Tom Boon per Strafecke brachen sie nicht sofort ein. Das Team verteidigte weiter effektiv, spielte sich immer wieder frei und kam zu Chancen. Risse bekam das Bollwerk der Deutschen, als der Ball abermals nach Strafecke ins Tor ging, zunächst abgewehrt von Torhüter Victor Aly, über einen belgischen Schläger auf der linken Seite und dann den Torschützen de Kerpel - 2:2. Den Rest besorgte eine Übertölpelung beim Freischlag zum 2:3, als man sich vom Schützen im Laufweg täuschen ließ, und wenig später ein langer, präziser, kluger, schöner aber für die Deutschen schmerzhafter Schlenzer auf die Kelle von Cedric Charlier, der direkt vor dem bereits leeren deutschen Tor stand - 2:4.

Aus Sicht des deutschen Verbandes war dieses Ende bitter, so gut erschienen doch schon die Final-Aussichten nach den Treffern von Christopher Rühr und Florian Fuchs zu sein, so ärgerlich waren danach die eigenen Versäumnisse: Sechs Strafecken hatten kein Tor erbracht, zu viele Strafecken, nämlich acht, konnten sich die Belgier erspielen. Und zu viel Raum hatte man dem Gegner insgesamt überlassen. Trainer Kermas sagte: "Wir müssen uns noch die paar Prozent erarbeiten, um das bis zum Ende durchziehen zu können."

Geht alles nach Plan, dann ziehen sie es in genau einem Jahr durch, in Tokio.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2019
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