Süddeutsche Zeitung

Hockey:Raus aus dem Fahrstuhl

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Münchens Hockey-Männer schließen die Zweitliga-Hinrunde ohne Niederlage ab und peilen den Aufstieg an

Von Katrin Freiburghaus

Ob etwas ein Glück oder Unglück ist, hängt manchmal stark davon ab, wen man fragt - und vor allem, wann man fragt. Im vergangenen Frühjahr hatten die Hockeyspieler des Münchner Sportclubs den Aufstieg in die erste Bundesliga verpasst, ohne selbst sportlichen Einfluss darauf zu haben. Nach lediglich einem Spieltag war die Aufstiegsrunde aus Pandemiegründen ersatzlos gestrichen und Frankfurt als Erster der Hauptrunde zum Erstligisten befördert worden. "Brutaler Nackenschlag für uns alle", hatte MSC-Trainer Patrick Fritsche damals gesagt. Kein Jahr später hat seine Mannschaft die Hinrunde der zweiten Bundesliga Süd ohne Niederlage abgeschlossen und liegt mit vier Punkten Vorsprung straff auf Aufstiegskurs.

Er sei zufrieden mit dem Zwischenstand, sagt Fritsche, und die Gelassenheit, mit der er die aktuelle Tabelle zur Kenntnis nimmt, sagt bereits eine Menge darüber aus, in welche Richtung sich das Selbstverständnis seines Teams über den Sommer entwickelt hat. Hatte die Tabellenführung während der zwei Jahre dauernden Corona-Saison noch zuverlässig Aufregung ausgelöst, so habe sich die Mannschaft jetzt "von der Tabelle gelöst". Das bedeutet: Niemand im Team rechnet mehr, wie viele Punkte es noch braucht, um den Aufstieg im kommenden Frühling endlich unter Dach und Fach zu bringen. "Es geht uns allen nur darum, das mit Vollgas durchzuziehen", sagt Fritsche.

Die Konkurrenz ist bei diesem Vorhaben bislang insofern behilflich, als das Achterfeld hinter dem MSC so ausgeglichen ist wie seit Langem nicht mehr. In den vergangenen Jahren hatte sich der Aufstiegskampf immer schnell zu Zwei- oder Dreikämpfen entwickelt, in denen ein schlechter Tag in einem direkten Duell bereits eine Vorentscheidung sein konnte. Dass seiner Mannschaft die Konzentration verloren gehen könnte, schließt Fritsche dennoch aus. "Die wollen unbedingt in diese erste Liga", sagt er.

Nun kommen auch noch externe Zugänge, und eine ganze Reihe Verletzter kehrt zurück

Dieser Wille bezieht sich aber nicht allein auf das Team, sondern auch auf den MSC. "Wir beschäftigen uns nur mit der Möglichkeit, aufzusteigen", sagt Fritsche. Das hat nichts mit Überheblichkeit, sondern mit Erfahrungswerten zu tun. "Es geht für uns darum, dass wir - wenn es hoch geht - auch direkt konkurrenzfähig sind und dieses Image von der Fahrstuhlmannschaft loswerden." Im Jahr 2017 war der MSC zuletzt auf- und aller Euphorie zum Trotz direkt wieder abgestiegen. Das Team war damals eine Mischung aus extrem Unerfahrenen und Spielern gewesen, die es kurz vor dem Karriereende noch einmal wissen wollten. Eine langfristige Perspektive hatte der Kader in seiner damaligen Zusammenstellung nicht.

Der verpasste Aufstieg in diesem Jahr verschaffte dem MSC somit womöglich dringend benötigte Zeit, um zu den Anforderungen der sich professionalisierenden ersten Bundesliga strukturell und personell aufzuschließen. "Es sagt sich jetzt so leicht, aber wer weiß, wofür es gut war?", sagt Fritsche. Im Sommer verpflichtete der Klub in Jan Henseler einen hauptamtlichen Trainer für die Erstliga-Frauen des MSC, der sich seither auch die Aufgaben im Jugendbereich mit Fritsche teilt. "Das ist ein wesentlicher Bestandteil der Professionalisierung", betont Fritsche, "ich kann mich in Ruhe mehr um die Männer kümmern, und daran führt auch kein Weg vorbei."

Zur Rückrunde bekommt der MSC externe Verstärkung; unter anderem durch Cole Friedlaender (bisher Harvestehuder THC) und Caspar Laschet (Rot-Weiss Köln). Beide Spieler wechseln nach München, weil sie bei ihren Klubs zu wenig Spielzeit bekommen, bei beiden Spielern darf man getrost davon ausgehen, dass sie zu einem potentiellen Erstligisten gewechselt sind und nicht länger als zwingend erforderlich zweite Liga spielen wollen. Zur Rückrunde erwartet Fritsche außerdem eine Reihe Langzeitverletzter zurück im Kader, darunter Marinus Mack nach einer Schambeinentzündung und Ben Kramer, der wegen einer Herzmuskelreizung fehlte. "Wir werden in der Rückrunde also eher noch stärker", sagt Fritsche. Das sei "keine Drohung, sondern ein Versprechen". Kommt drauf an, wen man fragt.

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