Hockey:Pause für immer

03 06 2018 Feldhockey Hockey Saison 2017 2018 1 Bundesliga Herren Männer Nürnberger HTC NHT

Das beste Beispiel für das gute Ambiente: Olympiasieger Christopher Wesley (Mitte) hat spielt bis heute für den Nürnberger HTC.

(Foto: imago/Zink)

Nürnbergs Hockey-Olympiasieger Christopher Wesley beendet seine Karriere.

Von Katrin Freiburghaus

Dass Christopher Wesley seine Wochenenden momentan nicht auf dem Hockeyplatz verbringt, ist eine Situation, die es seit zweieinhalb Jahrzehnten nicht gab. Der Grund dafür ist klar: Die Hockey-Bundesliga ist wegen der Coronavirus-Pandemie bis mindestens zum August ausgesetzt. Anders als seine Mitspieler vom Nürnberger HTC wird Wesley sein Trikot nach der Zwangspause jedoch nicht wieder anziehen - und das nicht, weil er den Klub wechseln würde. "Corona beendet meine Karriere", sagt der 32-jährige Olympiasieger, um schnell hinzuzufügen, "dass sich das schlimmer anhört, als es ist".

Er hätte nach dieser Saison ohnehin aufhören wollen. Er arbeitet in Vollzeit, die Familie renoviert ein Haus, im Sommer kommt das zweite Kind. "Diese Athletik-Einheiten, das ganze Laufen, das kostet wahnsinnig Zeit", sagt er, "und wenn ich mal Zeit habe, ist die Motivation nicht wirklich hoch, sie damit zu verbringen." Vor dem Hintergrund, dass Wesley den Fitness-Block immer als notwendiges Übel betrachtete, "um besser Hockey zu spielen", ist es ein fieser Seitenhieb des Schicksals, dass er die letzten Wochen seiner aktiven Karriere wegen der immer wieder verschobenen Rückrunde ausgerechnet in einer Athletik-Warteschleife verbrachte. Eine komplette Abkehr von dem Sport, der sein Leben bestimmte, werde es aber nicht geben.

"Das ist kein hartes Karriereende", sagt er. Er werde ab und an ins Training kommen, vielleicht die Hallen-Runde spielen und "sicher nicht nein sagen, wenn mich jemand fragt, ob ich mal ein Heimspiel spiele". Lediglich die Verantwortung und das Müssen entfallen. Als Max Müller, der zweite Olympia-Sieger im Team, den Schläger 2016 an den Nagel gehängt hatte, hatte er Wesley das Etikett des Führungsspielers aufgeklebt, und so ein Etikett wird man nicht mehr los.

Sportlich war ihm der Mittelfeldspieler beim NHTC ohnehin seit Jahren gerecht geworden. Doch abgeschirmt vom taktisch besonnenen Defensivmann Müller war er eher für die überraschenden Akzente zuständig gewesen; für offensive Geistesblitze und auch mal eine Lücke in der eigenen Abwehr. "Freigeister sind gut, wenn sie am Ball sind, und schwierig, wenn man versucht, in der Formation zu verteidigen", sagt der ehemalige Abwehrchef Müller. Er verdanke Wesley "emotionale Höhepunkte und graue Haare". Sein verstorbener Trainer Norbert Wolff sagte über Wesleys Wandel zum Team-Leader einmal anerkennend: "Er trägt jetzt viel mehr Verantwortung und löst das phänomenal."

Während Müller sowohl in Nürnberg als auch im Nationalteam für Führungsaufgaben prädestiniert zu sein schien und eine geradlinige Karriere hinlegte, dauerte es bei Wesley, bis er sich dazu entschloss, sein großes Talent auch auszuschöpfen. Zwar durchlief er die Jugend-Nationalteams und schaffte den Sprung in den A-Kader. Er fuhr auch immer wieder zur Nationalmannschaft. Lange tat er das aber weniger aus innerem Antrieb, sondern eher aufgrund der Tatsache, dass er eben eingeladen wurde. Es gehörte sich irgendwie, eine Nominierung und das damit verbundene Lob anzunehmen, sonderlich gern war er im Kreis der Elite zunächst jedoch nicht. Als er nach der Europameisterschaft 2009 aussortiert wurde, sei das "überhaupt nicht schlimm" gewesen.

Seine eigene Entscheidung für das Nationalteam traf Wesley erst im zweiten Anlauf. Er wollte zu den Olympischen Spielen in London, wo er mit Müller 2012 gemeinsam Gold gewann. Es ist vielleicht der große Unterschied zwischen den Karrieren von Wesley und Müller, "dass ich immer ein bisschen früher dran war, er aber alles ein bisschen länger durchgezogen hat", wie Müller sagt. Während für ihn nach London Schluss war, holte Wesley vier Jahre später noch Bronze in Rio. Insgesamt stehen 162 Länderspiele für ihn zu Buche. Müller und Wesley bildeten das Kern-Duo des goldenen Nürnberger Ausnahme-Jahrgangs 1987, der den NHTC entgegen jeder Wahrscheinlichkeit in die erste Liga voller West- und Nord-Klubs spielte und von einem Zweitliga-Intermezzo abgesehen bis heute dort hielt.

Zum ersten Mal begegnet waren sich die beiden jedoch früher. "Wir kennen uns länger, als es uns gibt", sagt Müller, "unsere Eltern haben sich bei der Geburtsvorbereitung getroffen." Dass sie Nürnberg nie verließen und ihre Laufbahn beendeten, wo sie einst begann, obwohl sie von der Bundesliga-Konkurrenz heiß umworben wurden, führen sie beide auf "Studium, Beruf, private Bindung" zurück. Irgendwann sei noch eine Zweier-Dynamik nach dem Motto "Ich bleib', bleib' du auch" dazugekommen, sagt Müller. "Und wahrscheinlich", fügt Wesley hinzu, "war ich hier einfach glücklich."

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