Hockey:Die Angst, zu spielen

25.01.2020 - Hallenhockey - Hockey - Saison 2019 2020 1. Bundesliga Herren Männer - Nürnberger HTC NHTC Nürnberg - Münch; nhtc

„Die haben jeden Tag mit Risiko-Patienten zu tun und können das im Moment nicht verantworten“: Auch Nürbergs Joscha Brügel ist Arzt.

(Foto: Wolfgang Zink/Imago)

Nürnbergs Hockey-Männer fühlen sich nach positiven Corona-Fällen mit ihrer Sorge vom Verband alleingelassen.

Von Katrin Freiburghaus

Erstliga-Hockey beim Nürnberger HTC folgt seit Jahren demselben Muster: Der Außenseiter aus dem Süden kämpft mit minimalistischem Budget gegen die gängigen Branchenmechanismen um den Verbleib in der höchsten deutschen Spielklasse - und schafft es meist. An die vor anderthalb Wochen erfolgte Wiederaufnahme der Saison 2019/20, aus der pandemiebedingt eine Doppelsaison 2019/21 geworden ist, hatten die Franken keine anderen Erwartungen.

Dass die Spielzeit gestreckt wurde und sie statt aus Hin- und Rückrunde nun aus einer bereits absolvierten Hinrunde und zwei weiteren Drittelserien besteht, ändert für sie wenig: Der NHTC hängt im Tabellenkeller und muss sich auf Playdowns einstellen; aus den ersten drei Spielen seit Wiederbeginn holte das Team lediglich einen Punkt.

Zu der sportlich bekannten Lage ist nun aber eine Situation gekommen, mit der sich die Nürnberger deutlich schwerer tun. Seit zwei ihrer Spieler positiv auf das Coronavirus getestet und fünf weitere in häusliche Quarantäne geschickt wurden, fühlen sie sich mit der Verantwortung für ihre Mannschaft, deren Angehörige und die Gesundheit ihrer Gegner ziemlich alleingelassen. Am vergangenen Wochenende gipfelte ihre Unzufriedenheit darüber in einem offenen Brief des Teams, in dem es die Austragung der Samstagspartie in Großflottbek (1:1) kritisierte. Die Sonntags-Begegnung beim Harvestehuder THC war wegen mehrerer Corona-Fälle bei den Hamburgern abgesagt worden. Im Fall des NHTC sah der DHB dafür jedoch keinen Grund. Ab diesem Punkt wird es kompliziert.

Peter Naumann, Vorstand für Finanzen und Corona-Verantwortlicher beim NHTC, sagt: "Wir haben im Prinzip einen ganzen Kader voller K1-Personen, die mit den betroffenen Spielern trainiert hatten und eigentlich in Quarantäne gehörten. Weil sie aber alle einmalig negativ getestet wurden, hat der DHB entschieden, dass alles in Ordnung ist und gespielt wird." Streng genommen, sagt Naumann, bräuchten Kontaktpersonen aber einen zweiten negativen Test, um sicher zu gehen. Zudem müssen die Spieler vor einem Spiel schriftlich versichern, 14 Tage keinen Kontakt zu positiv auf Covid-19 getesteten Personen gehabt zu haben.

Der Bundesliga-Beauftragte beim DHB, Bernd Schuckmann, hält dem auf SZ-Anfrage entgegen: "Es ist die Frage, wer die Spieler in K1 stellt. Das müssen die Gesundheitsbehörden tun, und ich habe aus Nürnberg keine Vorlage bekommen, sonst hätten wir das Spiel verlegt." Wenn Spieler aus Sorge davor, sich selbst oder ihre Gegner anzustecken, nicht spielen wollten, reiche das hingegen nicht für eine Spielverlegung. "Denn dann ist die Frage, wo fange ich an, wo höre ich auf", so Schuckmann. NHTC-Kapitän Frederic Wolff äußert Verständnis dafür, "dass das für den DHB nicht einfach ist", das ändere aber nichts daran, "dass wir uns mehr Flexibilität gewünscht hätten".

Was in den Positionen von NHTC und DHB aufeinanderprallt, ist grob vereinfacht dies: Der Rahmen des gesetzlich Erlaubten und die Frage, ob man immer alles tun sollte, was gesetzlich erlaubt ist. Die NHTC-Spieler fühlen sich in einem moralischen Dilemma: "Wir wollen auch endlich wieder Hockey spielen", sagt Wolff. Allerdings ist Hockey ein Amateursport. Beim NHTC stehen (Klinik)-Ärzte im Kader. "Die haben jeden Tag mit Risiko-Patienten zu tun und können das im Moment nicht verantworten", sagt Naumann.

Es geht ihm nicht primär um den dadurch entstehenden Wettbewerbsnachteil. Bei ersten Absagen zu einem so frühen Zeitpunkt sei eine reguläre Saison ohnehin "nicht mehr gegeben". Ihn irritiere jedoch, "dass bei der Planung vergessen wurde, dass es Spieler geben kann, die unter diesen Umständen nicht spielen wollen". Er habe deshalb für den NHTC entschieden, dass kein Spieler spielen müsse, dem das "zu heiß" sei, "denn die Spieler tragen am Ende das Risiko". Sollte die Mannschaft aus diesem Grund nicht antreten können, riskiert der Klub Punktabzüge und seine Erstklassigkeit.

Naumann ärgert, dass sich niemand zuständig fühlt. "Ich kann als Verband nicht erwarten, dass gespielt wird, die Verantwortung aber Vereinen und lokalen Behörden auferlegen; das klingt für mich ein bisschen nach Augen zu und durch", moniert er. Er selbst werde die Verantwortung in einem Klub mit 800 Mitgliedern nicht los: "Die nehme ich jeden Abend mit ins Bett." Und notfalls mit in die zweite Liga.

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