Süddeutsche Zeitung

Historischer Triumph für Michael Phelps:Mister 19 der Olympiawelt

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Zwei Starts hatte US-Schwimmer Michael Phelps am Dienstag - und er schaffte es: Beim Sieg mit der US-Staffel über 4x200 Meter Freistil gewinnt Phelps seine 19. Medaille und ist nun der erfolgreichste Olympionike der Geschichte. Wer jedoch das Rennen über 200 Meter Schmetterling gesehen hat, der weiß, wie es um die aktuelle Form des Amerikaners bestellt ist.

Claudio Catuogno, London

Auch in der Turnschule "Goldene Möwe" in Obninsk, etwa 100 Kilometer südwestlich von Moskau, wird man mit Interesse zur Kenntnis genommen haben, dass Michael Phelps am Dienstag für die 4x200-Meter-Freistilstaffel der USA nominiert wurde. Zwar gehört Turnen nicht zu Phelps' Stärken; als Kind stolperte er beim Laufen manchmal über seine Beine, ohne dass dafür ein Grund ersichtlich gewesen wäre.

Aber in der "Goldenen Möwe" kann man heute die ehemalige sowjetische Turnerin Larissa Latynina antreffen. Latynina war - gemessen an der Anzahl gewonnener Medaillen - 48 Jahre lang die erfolgreichste Olympionikin der Welt. Seit den Spielen 1964 in Tokio. Aber als nun die Staffelbesetzung veröffentlicht wurde, war klar: Das wird sie nicht mehr lange sein.

Latynina ist jetzt 77 Jahre alt, hat aber die Haare gefärbt, um sich ein bisschen Eleganz und Jugendlichkeit zu bewahren. Phelps ist 27, und man muss froh sein, wenn er sich vor seinen Rennen rasiert. Die beiden hätten sich gewiss eine Menge zu erzählen über den Sport, wie er früher war, wie er heute ist. Leider begegnen sie sich immer nur in Rekordlisten.

Bis zu den Spielen in London stand Latynina dort also an Nummer eins mit 18 Medaillen, danach kam Phelps mit 16. Vor vier Jahren, bei den Spielen in Peking, hat der Amerikaner die Russin bei der Anzahl der Goldmedaillen überholt. Er gewann dort acht Stück. Und nun also dieser Abend im Aquatics Centre von London, Wettkampftag vier.

Drei Halbfinals, vier Finals, es war wieder eine Menge los bei den Beckenschwimmern. Die Amerikanerin Missy Franklin gewann zum Beispiel keine Medaille über 200 Meter Freistil. Das ist deshalb eine Nachricht, weil die 17-jährige Franklin in ihrer Heimat schon als "neuer weiblicher Michael Phelps" hochgejubelt wurde, sieben Medaillen könne sie aus dem Becken fischen in London, hieß es, zwei hatte sie schon, aber dieser Traum ist jetzt erst mal geplatzt.

Das Rennen gewann Allison Schmitt (USA) vor Camille Muffat (Frankreich) und Bronte Barratt (Australien); Franklin wurde mit einer Hundertstel Sekunde Rückstand Vierte. "Neuer weiblicher Michael Phelps" - wer kommt denn auf solche Ideen?

Der Australier James Magnussen festigte seine Favoritenrolle für das 100-Meter-Freistilfinale am Mittwoch mit einem lockeren Halbfinalsieg in 47,63 Sekunden. Die Amerikanerin Kathleen Hersey, die bisher niemand als weiblichen Phelps bezeichnet, zog als Schnellste in den Endlauf über 200 Meter Schmetterling. Bei den Deutschen war alles wie immer. Und dann sprang auch Ye Shiwen wieder ins Becken, jene 16-jährige Chinesin, die seit Tagen für Aufregung sorgt wegen ihres Fabelweltrekords vom Samstag. Die 200 Meter Lagen gewann sie auch, diesmal allerdings ohne Bestzeit. Ist vielleicht besser.

Und Michael Phelps schwamm. Zwei Mal. Eine Medaille hatte er bereits gewonnen in London, Silber mit der 4x100-Meter-Freistilstaffel. Bei 17 stand er inzwischen. 17 plus zwei ist gleich 19: Das war die historische Dimension dieses Abends.

Zunächst das Finale über 200 Meter Schmetterling (Weltrekordhalter: Michael Phelps). Wer dieses Rennen gesehen hat, weiß, wie es um Phelps Form 2012 bestellt ist. Bis kurz vor Schluss lag er in Führung. Dann fing ihn der Südafrikaner Chad le Clos mit dem besseren Anschlag noch ab. 2008 wäre Phelps das nicht passiert. Er hätte auch der erste Schwimmer werden können an diesem Abend, der bei drei Spielen nacheinander die gleiche Strecke gewinnt. Aber egal. Silber. 18. Gleichstand.

Die Staffel würde es also entscheiden. Phelps war als Schlussschwimmer eingeteilt, trotz der 200 Meter Schmetterling in den Armen. Aber die Kollegen hatten so einen gewaltigen Vorsprung rausgeholt: Phelps, der neue Mister 19 der Olympiawelt, musste sich gar nicht mehr besonders anstrengen.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2012
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